Daten-Klassifizierung verschafft Überblick

Dieser erste Teil der InfoWeek-Serie über Master Data Management widmet sich der Bedeutung von Stamm- und Referenzdaten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/05

     

Probleme mit Stamm- und Referenzdaten ziehen versteckte Kosten in Gestalt von schlechtem Kundenservice, Produktionsverlusten und –verzögerungen, verzettelten Partnerinformationen sowie Schwierigkeiten in der Identifizierung und Ausnützung von Synergien nach sich. Aber nicht nur deswegen sollte sich die Geschäftsleitung darum kümmern, sondern auch aus Compliance-Gründen.
Das nachfolgende Konzept verfolgt im Gegensatz zu den gängigen Modellen weniger einen rein technologischen Ansatz, sondern orientiert sich mehr am Lebenszyklus-Prozess und am Workflow-Aspekt des sogenannten Master Data Managements (MDM).


Was sind Stamm- und Referenzdaten?

Bei Stamm- und Referenzdaten handelt es sich um Daten, die dazu verwendet werden, ein Geschäft oder eine Position zu klassifizieren, näher zu beschreiben oder zu dokumentieren. Während die Stammdaten den Informationen Struktur geben, dienen die Referenzdaten (Master Data) dazu, die verschiedenen in den Stammdaten gekapselten Objekte nach einheitlichen Regeln zu klassifizieren. Oft werden einzelne Objekte in den Stammdaten durch mehrere Referenzdatenwerte ausgeprägt. Dabei spricht man von unterschiedlichen «Codes», die in alleinstehenden Tabellen gesammelt und beschrieben werden.





Es liegt auf der Hand, dass die beiden Begriffe Stammdaten und Referenzdaten keine entsprechend klare Trennung in den Daten selber wiederfinden. Denn es hängt vom Kontext einer Anwendung ab, wann von Referenzdaten und wann von Stammdaten gesprochen wird. Referenzdaten werden in der Regel angelegt, um eine Position bei deren Entstehung in den Stammdaten eindeutig klassifizieren zu können.






In einer CRM-Anwendung (Customer Relationship Management) etwa werden die Partner und deren Beziehungen unterein­ander durch Stammdaten umschrieben. Die Klassifikation der Partner wiederum erfolgt durch übergeordnete Referenzdaten wie zum Beispiel Rechtsform, Domizil, Branche etc. Demgegenüber werden Zusatzinformationen wie Geburts- und Gründungsdatum oder ein einfacher Kommentar zu den Stammdaten gezählt, da diese immer individuell in Bezug eines Partners vergeben werden und nicht einheitlich klassifiziert werden können (siehe Grafik).
Sehr oft findet man Ergebnisse von internationalen Standardisierungsbestrebungen in Form von Referenzdaten wieder. So sind normierte Listen von Ländercodes, Währungen, Sprachen etc. unbedingt als Referenzdaten zu führen, da diese die Auswertbarkeit der Informationen nicht nur innerhalb sondern auch ausserhalb des Unternehmens ermöglichen und vereinfachen.




Partner-Datensatz mit Stamm- und Referenzdaten


Bedeutung von Stamm- und Referenzdaten

Beim Abschluss beziehungsweise bei der Erfassung von Geschäften sind bei deren Entstehung in den operativen Bereichen in der Regel nur wenige Eckwerte notwendig, um diese definieren und weiter verfolgen zu können. Um das Geschäft jedoch im Gesamtkontext betrachten zu können, genügen diese Informationen nicht. Deshalb werden oftmals zusätzliche Informationen für die Erfassung bei Geschäften von den nachgelagerten Bereichen wie Controlling, Produktmanagement und Marketing angefordert.






Diese Informationen sind ausschlaggebend für die anschliessende Bewertung der Geschäfte, die direkt in das Betriebsergebnis einfliesst und entlang verschiedener Dimensionen abgegrenzt wird. Bezweckt wird damit die Optimierung der Geschäfte und eine verbesserte Chancenausnutzung. Ziel ist es, die Wertschöpfung stetig und nachhaltig zu steigern.
Es ist vor allem die Steuerung in den Unternehmen, die mehr Transparenz in die Geschäfte einfliessen lassen will und diese deshalb mit aussagekräftigen Stamm- und Referenzdaten anreichern lässt. Dank deren Hilfe entstehen in den nachgelagerten Systemen die auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Berichte.
Standardisierte Stamm- und Referenzdaten sind ausserdem notwendig, um die einheitliche Kommunikation innerhalb des Unternehmens zwischen den verschiedenen Geschäftsbereichen zu gewährleisten und um aussagekräftige Vergleiche aus den Informationen verschiedener Anwendungen ziehen zu können.


Bedürfnisse im Umgang mit Stamm- und Referenzdaten

Die Bedürfnisse im Umgang mit Stamm- und Referenzdaten richten sich nach den verschiedenen Stellen, die mit dieser Thematik konfrontiert werden.


• Die Datennutzer wünschen sich qualitativ hochwertige Daten, auf die sie einfach zugreifen können. Häufig wird auch die Historie aller Informationen benötigt, um wiederholt Berechnungen unter neuen Gesichtspunkten ausführen zu können. Die Daten werden je nach Bedürfnis über Online-Zugriff auf entsprechende Services oder als Datenlieferung (Replikation) zur Verfügung gestellt.


• Der Datenbesitzer ist verantwortlich für die ihm zugeteilten Datenstrukturen. Er muss den Inhalt der Strukturen, also die Daten, bereitstellen und kontinuierlich pflegen. Dafür wünscht er sich ein geeignetes Werkzeug, das ihn bei der Pflege, Analyse und Auswertung seiner Daten unterstützt. Oft ist der Datenbesitzer Mitglied eines operativen Bereichs und hat dementsprechend auch andere Aufgaben zu erledigen. Da die Datenstrukturen nicht zuletzt aufgrund regulatorischer Anforderungen immer komplexer werden, sollen auch solche Strukturen durch das Tool entschärft und einfach bewirtschaftet werden ­können.


• Die Fachstelle (Datenverwalter) ist Koordinator sämtlicher neuer Anforderungen an die Stamm- und Referenzdaten seitens der Datennutzer. Sie nimmt entsprechende Anträge entgegen, stimmt diese mit anderen, überlappenden Anträgen ab und prüft sie auf Vollständigkeit, Konsistenz und Redundanz. Nach erfolgter Genehmigung wird der Antrag eingeplant und ein entsprechender Realisierungsauftrag an den Service Provider erteilt.


• Unter dem Service Provider
wird dasjenige IT-Projekt verstanden, das für die Umsetzung genehmigter Anträge verantwortlich zeichnet. Es modelliert die Datenstrukturen entsprechend den Vorgaben der Fachstelle und stellt diese im Stamm- und Referenzdaten-Managementsystem bereit. Dazu gehört auch die Rollenzuteilung entsprechend den Vorgaben der Fachstelle beziehungsweise des Datenbesitzers sowie das Konfigurationsmanagement der Datenlieferungen.
Da der Umfang der verwalteten Strukturen oftmals erheblich ist und Neuanforderungen schnell umgesetzt werden müssen, wünscht sich der Service Provider Unterstützung durch einen generischen Ansatz des Stamm- und Referenzdaten-Management­systems.


• Der Infrastrukturbetreiber stellt eine geeignete Plattform für das Stamm- und Referenzdaten-Managementsystem bereit. Generell gefordert werden durchgehend verschlüsselte Protokolle beim Datenzugriff.


• Der Auditor schliesslich nutzt das Stamm- und Referenzdaten-Managementsystem, um das Auftreten von Irregularitäten in den Ergebnissen beziehungsweise in den Daten zu erforschen. Dazu wünscht er sich ein Werkzeug, welches es ihm ermöglicht, sich «frei» in den Daten bewegen und auf die Historie zugreifen zu ­können.


Welche Ziele verfolgt ein integriertes MDM?


• Schaffung und Erhaltung von Datenkonsistenz über verteilte Systeme und Unternehmensgrenzen hinweg


• Steigerung der Datenqualität als Grundlage für Reporting, Produktionsplanung, CRM, Lieferantenbewertung etc.


• Aufdeckung von Redundanzen beziehungsweise Inkonsistenzen (z.B. wegen Prozess- und Systembrüchen, fehlender Vernetzung)


• «Content»-Konsolidierung zur Eliminierung von Doubletten/
Fehlern (z.B. Vergleich von Adressen, Material oder Stücklisten)


• Data Harmonisierung
Vereinheitlichung der Daten bis auf Substruktur-/Attributebene


• Design von Pflegeprozessen mit
Erarbeitung notwendiger
Workflows zur Neuaufnahme,
Änderung und Genehmigung


Der Autor

Philipp Künsch ist Geschäftsführer und Gründer des Dietikoner Software- und Beratungsunternehmens Datalizard.




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