Fest- und Mobilfunknetz-Fusion
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/13
Mit über sieben Millionen Mobilfunknutzern und einer Marktdurchdringung von mehr als 96 Prozent ist Mobilität für Konsumenten und Unternehmen in der Schweiz mittlerweile zum festen Bestandteil geworden. Daher ist es überraschend, dass sich acht Jahre nach Beginn des 21sten Jahrhunderts noch immer die meisten Unternehmen auf die Festnetztelefonie (DECT oder verkabelt) in ihren Büros verlassen, während ihre Mitarbeiter in der Praxis die Mobilität zellularer Mobilfunkverbindungen bevorzugen – und zu einem grossen Teil sogar davon abhängig sind. Das Ergebnis: Mehr als 30 Prozent der Anrufe in den Büros werden per Mobilfunktelefon geführt.
Auch wenn gebündelte Anrufguthaben und Freiminuten die Kosten der Mobiltelefonie etwas reduzieren, liegt die Schweiz bei den Kosten für nationale und internationale Gespräche weit über dem europäischen Durchschnitt. Teure Mobilfunktelefonie in den Büros und nicht ausgelastete, günstige Festnetzanschlüsse führen dazu, dass das Interesse an einer Zusammenführung beider Technologien, also an Fixed Mobile Convergence (FMC), wächst. Sie ermöglicht den Einsatz von Dual-Mode-Mobilfunktelefonen, die sich im Büro für ein- und ausgehende Gespräche über das günstige Festnetz eignen und eine unterbrechungsfreie, nahtlose Übergabe («Handover») zum Mobilfunknetz unterstützen, sobald sich Mitarbeiter vom Büro entfernen.
Keine Frage: Service Provider haben Erfahrung mit der Technik und verfügen über die nötigen Voraussetzungen, um ausgelagerte FMC-Lösungen anbieten zu können. Ihre Netzwerke bedienen oft einige hundert Millionen Anwender, ausserdem haben diese Anbieter eine jahrelange Erfahrung mit Mobilitätslösungen. Viele haben vor, die Reichweite und Funktionalität ihrer Mobilfunkangebote auf alle Arten von Netzwerkzugängen auszudehnen. Sie entwickeln Lösungen, die Unternehmen einen Mehrwert liefern. Kurzum: Die Vision dieser Service Provider lautet «Ausgelagerte FMC-Lösungen für Unternehmen».
IP-PBX-basierte Lösungen bieten mehr Funktionen als Dienste, die auf zellularer Mobilfunktechnik aufsetzen. Die Intention von PBX-Anbietern ist es, Benutzern den Zugriff auf die funktionsreiche PBX-Technik zu ermöglichen, während sie sich an einem Ort befinden, der in der Reichweite von Wi-Fi- oder Mobilfunklösungen liegt. Diese Art von FMC-Lösung (siehe Schema links) ist von der Kooperation eines Mobilfunkanbieters unabhängig und nutzt die PBX als Zentrale für alle Gespräche. Die PBX entscheidet, ob ein Anruf intern über das Wi-Fi-Netzwerk oder über das Mobilfunknetz geleitet wird. Der Vorteil dieses FMC-Ansatzes: Das Unternehmen muss sich nicht auf eine dritte Partei verlassen, um interne Kommunikationen zu verwalten. Andererseits ist eigene Kompetenz innerhalb der IT-Abteilung nötig, um die Lösung aufzubauen und zu betreiben.
Dual-Mode-Endgeräte sind verbreitet, Mobilfunknetze zuverlässig und IP-PBX-Lösungen bewährt. Trotzdem sieht ein Grossteil der Unternehmen noch einen Schwachpunkt in ihrer geschäftswichtigen Infrastruktur – das Wireless LAN.
Obwohl mittlerweile moderne, zentral kontrollierte Thin-Access Points (AP) doppelt so häufig verkauft werden wie ältere Thick-AP, bleibt eine grosse installierte Basis der alten Technik in grossen Unternehmen bestehen. Ausserdem kaufen in der Praxis besonders viele kleinere Unternehmen nach wie vor Thick-AP in dem Glauben, dass sie als Einzelprodukt kostengünstiger sind als eine Investition in eine moderne,
zentral kontrollierte Thin-AP-Infrastruktur.
Unabhängig davon, ob eine FMC-Lösung über einen Service Provider oder betriebsintern über eine PBX-Integration realisiert wird, gibt es einen Moment, in dem sich die Tauglichkeit der FMC-Lösung zeigt: Nämlich dann, wenn sich ein Nutzer während eines Telefonats in ein Gebäude hinein oder heraus bewegt und dabei zwischen der Wi-Fi- und der Mobilfunkzelle wechselt.
Zwar beginnen und enden die meisten Gespräche innerhalb des Wi-Fi-Bereichs, doch wenn der Anrufer das Bürogebäude verlässt, liegen teilweise nur Sekunden zwischen dem Schwächerwerden und schliesslich dem Abbruch des Wi-Fi-Signals. Daher muss die Entscheidung, das Gespräch an ein Mobilfunknetz zu übergeben, sehr schnell und akkurat getroffen werden. Nur das WLAN ist fähig, diese Entscheidung zu treffen, und nur das WLAN kennt jeden eingebundenen Client.
Keine andere Instanz im Netzwerk – weder PBX noch Appliance noch Mobilfunkbetreiber – verfügt über diese Information.
FMC-Lösungen sind daher von der WLAN-Infrastruktur abhängig, nicht nur wegen der Sprachqualität, sondern auch wegen der zuverlässigen Übergabe der Gespräche zum oder vom Mobilfunknetz. Und es ist der zentrale WLAN-Switch, der die Verantwortung für all diese Funktionen trägt – von der QoS über die Security und das Management bis hin zur unterbrechungsfreien Übergabe. Unabhängig davon, ob eine externe oder betriebseigene FMC-Lösung zum Einsatz kommt, ist es die Leistungsfähigkeit des WLAN-Switch-Controller, die die Qualität der Übergabe verantwortet.
FMC erscheint für viele Unternehmen sehr attraktiv: Der Schritt hin zu einer einheitlichen Kommunikationslösung, mit der sich durch unnötige Mobilfunkverbindungen Geld sparen lässt, bringt Anwendern und Kunden Vorteile. Die meisten Komponenten für das Umsetzen von ausgelagerten oder betriebseigenen FMC sind bereits verfügbar. Doch ohne ein sicheres und zuverlässiges Wireless LAN als solide Basis sind alle anderen Investitionen nutzlos.
Vor der Entscheidung, eine FMC-Lösung zu implementieren, müssen Unternehmen Erfahrung mit Voice over Wireless LAN sammeln (VoWLAN). Ein gutes Verständnis, wie Wireless-LAN-Infrastrukturen die Sprachqualität, die Zuverlässigkeit der angebotenen Dienste und besonders die Roaming-Fähigkeit innerhalb eines Unternehmens beeinflussen, ist essentiell. Vor diesem Hintergrund ist besonders die hohe Bedeutung eines fortschrittlichen und zuverlässigen Managementsystems zu beachten, das eine unterbrechungsfreie Gesprächsübergabe zu einem Mobilfunkdienst unterstützt.
Neue Anwendungen werden unweigerlich durch die Konvergenz verschiedener Elemente angetrieben. Bei FMC sind es drei, die sich schnell entwickeln:
1. Anwender telefonieren lieber mit ihren eigenen, privaten Mobiltelefonen.
2. Die meisten professionellen Handsets beherrschen heute Wi-Fi.
3. WLANs werden im Geschäftsalltag allgegenwärtig.
FMC wird als erstes von grossen Unternehmen angenommen werden. Sie nutzen ihre internen Netze, um Sprache günstig zwischen ihren Standorten zu transportieren. Die Kosten und Vorteile im Betriebsablauf, die FMC bringt, werden sich schnell herumsprechen. Dann werden auch alle kleinen und mittelgrossen Organisationen davon profitieren, sobald FMC-Fähigkeiten als normale Komponente in die Netzinfrastrukturen integriert sind.