Produktivität und Kreativität unter einem Dach
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/06
Mit dem CS5-Release hat Adobe die Referenz unter den Bildbearbeitungswerkzeugen rundum erneuert und mit zahlreichen neuen Features ausgestattet. Generell hinterlässt die mittlerweile 12. Fassung der Bildbearbeitungssuite einen äusserst aufgeräumten Eindruck: Gleich nach dem Programmstart macht sich etwa die neue Mini-Bridge bemerkbar. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Adobe Bridge und dem altbekannten Dateibrowser im Palettendock. Das Panel erlaubt die gewohnte Navigation in den Ordnern, unterstützt aber auch direktes Zoomen in den Bildern, wobei sich optional eine iPhone ähnliche Blätterfunktion aufrufen lässt.
Als praktisch dürften sich auch die neuen Arbeitsbereiche erweisen: Je nach Aufgabenstellung lässt sich die Arbeitsoberfläche damit individuell einrichten, womit nur immer gerade jene Panels angezeigt werden, die im Normalfall für den betreffenden Job auch benötigt werden. Nach der Installation stehen bereits Standard-Einstellungen für die Bereiche Grundelemente, Design, Malen Fotografie, 3D, Bewegung oder Neu in CS5 zur Verfügung.
Zu den heissesten Features beim CS5-Release zählt das inhaltssensitive Füllen. Unerwünschte Bildteile lassen sich damit im Handumdrehen herausretuschieren, wobei der Hintergrund neu rekonstruiert wird. Wird etwa mit einem Auswahlwerkzeug ein Bereich markiert und daraufhin Löschen angewählt, erscheint eine Dialogbox, über welche sich dieses Feature aufrufen lässt. Photoshop kalkuliert nun aus den angrenzenden Bildteilen auf intelligente Art und Weise eine möglichst realistische Struktur beziehungsweise Füllung. Wie sich in der Praxis zeigt, arbeitet das Feature insbesondere bei natürlichen Hintergründen wie Wasser, Pflanzenwelt, Sand und dergleichen ausgesprochen leistungsfähig; hingegen lassen die Resultate bei komplexeren Hintergründen wie Gebäuden gelegentlich zu wünschen übrig. Ähnlich arbeitet im übrigen auch die Funktion inhaltssensitive Bereichsreparatur, die für kleinere Korrekturen konzipiert ist.
Als ebenso brauchbar dürfte sich in der Praxis das Feature Kante verbessern erweisen: Wird mit einem Auswahlwerkzeug wie etwa dem Lasso ganz rudimentär eine Auswahl festgelegt, kann anschliessend auf die Schaltfläche Kante verbessern geklickt werden und mit einem Pinsel die Auswahlkante nachgefahren werden, worauf Photoshop äusserst genau eine Maske kalkuliert. Interessant ist hierbei die Möglichkeit, das Resultat als Auswahl, als Maske, als Ebene oder als neues Dokument mit Ebenenmaske auszugeben.
Stark erweitert wurden auch die Malwerkzeuge wie die Pinsel, die jetzt mit realistischen Formen aufwarten. In der Pinselpalette lassen sich neu die Borsteneigenschaften definieren, also beispielsweise wie viele und wie lange Borsten ein Pinsel aufweist oder wie steif diese sein sollen.
Neu ist dabei auch das Mischpinsel-Werkzeug, mit dem sich Farben jetzt realistisch wie in der Malerei mischen lassen. Je nachdem wie trocken oder feucht das Werkzeug ist und wie viel Farbe aufgetragen wurde, können damit ganz unterschiedliche Effekte erzielt werden.
Einige praktische Neuerungen haben auch die Ebenen erfahren. Um etwa die Transparenz einzelner Ebenen zu editieren, musste der Wert bis anhin für jeden Layer einzeln definiert werden. Neu lassen sich mehrere Ebenen aufs Mal selektieren und die Transparenz gesamthaft einstellen. Gerade beim Arbeiten mit zahlreichen Ebenen erweist sich die Funktion als äusserst wertvoll.
Beim Handling von Textebenen zeigt sich eine weitere Erleichterung: Wird etwa bei einer Textbox ein Schlagschatten definiert, lässt sich per Mausklick auf die Schaltfläche Als Standardeinstellung festlegen bestimmen, dass die gewählten Einstellungen künftig für alle Texte zur Anwendung kommen. Wird nun auf einer weiteren Textebene ebenfalls ein Schlagschatten definiert, werden automatisch die als Default definierten Einstellungen angewendet.
Ein Feature, das sich insbesondere bei Gebäudeaufnahmen als praktisch erweist, ist der Objektivkorrektur-Filter. Das Feature stellt Kamera- beziehungsweise Objektivprofile zur Verfügung, über die sich Objektivfehler automatisch herausrechnen lassen. Im Auswahl-Panel werden hierfür Kamera- und Objektivmodell ausgewählt, wobei nicht direkt verfügbares Equipment auch online in einer Da-tenbank gesucht und heruntergeladen werden kann. Zur Zeit ist die Zahl der Profile noch eher beschränkt, doch lassen sich eigene Profile über ein zusätzliches Tool erfassen.
Im Camera-Raw-Plug-in finden sich ebenfalls eine ganze Reihe von Neuerungen. So etwa die Möglichkeit, eine Art Körnung ins Bild hineinzurechnen, womit sich einer Aufnahme ein analoger Look verpassen lässt. Weiter findet sich hier eine neue Funktion namens Schnappschüsse: Dabei handelt es sich quasi um Momentaufnahmen in Camera Raw, auf die jederzeit wieder zugegriffen werden kann.
Ein neues Feature, das zum Experimentieren einlädt, ist die sogenannte HDR-Tonung. Diese ermöglicht es, einen HDR-Effekt in ein Bild hineinzurechnen, das kein HDR ist. HDR-typische Details wie Halos oder harte Strukturen lassen sich so quasi durch die Hintertür einfügen.
Eine neue Funktion, um Teile einer Grafik zu bewegen, ist die Formgitter-Funktion, bei der Photoshop eine Gitterstruktur über eine Grafik legt. Werden nun als Nadeln bezeichnete Ankerpunkte innerhalb des Gitters definiert, lässt sich die Grafik an diesen Punkten biegen, und Photoshop passt die Grafik durch Verzerrung entsprechend an.
Mit Photoshop CS5 hat Adobe einen Major-Release vorgelegt. Allein die gewaltige Zahl an neuen Funktionen rechtfertigt den Umstieg; erst recht, wenn die letzten Updates nicht mitgemacht wurden. Die Upgrade-Option zum Preis von 429 Franken kann von allen Photoshop-Anwendern genutzt werden, die zuvor die Versionen CS2, CS3 oder CS4 im Einsatz hatten.
Kritik gibt es so gut wie keine anzubringen.Einzig die teilweise noch etwas inkonsistente Benutzerführung trübt das Bild: Während neuere Filter etwa bereits mit neuen Dialogboxen ausgestattet sind, finden sich bei anderen noch die alten Konfigurations-Panels.
Abschliessend noch ein Hinweis zu den Systemanforderungen: Ein Pentium-4-Rechner mit einem Gigabyte Arbeitsspeicher wie von Adobe angegeben halten wir für zu wenig leistungsfähig; erst mit einer Core-2-Duo-Maschine lässt sich Photoshop CS5 wirklich flüssig bedienen.
(rd)