Offshore-Outsourcing:Mit kultureller Sensibilität zum Erfolg
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/04
Durch die unterschiedlichen Lokationen der Projektmitglieder, werden an die Projektkommunikation und -koordination massiv höhere Anforderungen gestellt. Auch die Projektrisiken und die Problembehandlung bekommen im virtuellen Kontext eine zusätzliche Dynamik. Gerade in der Projektplanungsphase ist es entscheidend, dass der Rollenverteilung und der Definition der Eskalationspfade genügend Beachtung geschenkt wird. Zudem sollte ausreichend Zeit für die Teamzusammenstellung eingeplant werden, gerade wenn auch lokale Funktionen von Schlüsselressourcen besetzt werden müssen.
Zu beachten ist dabei, dass Arbeitsbewilligungen nicht mehr so leicht vergeben werden wie auch schon und einige Zeit eingerechnet werden muss, bis die Bewilligung erteilt wird und die Person des Partners daher reisebereit ist. Um diese Zeit sinnvoll zu überbrücken, sollten im Niedriglohnland vorbereitende Tätigkeiten in Angriff genommen werden, um keine Projektverzögerungen zu verursachen. Swiss Re arbeitet nicht nur mit Nearshore-Partnern, die unserer europäischen Kultur sehr nahe sind, sondern auch mehrheitlich mit mehreren indischen IT-Outsourcing-Partnern.
Durch das Begleiten von vielen IT-Outsourcing-Projekten im Laufe der vergangenen Jahre ist uns klar geworden, wie bedeutend das Thema der kulturellen Sensibilität ist. Die kulturellen Unterschiede des oftmals westlichen Kundenteams und des Dienstleisters sollten ernst genommen werden. Beide Seiten sollten daher ihre Projektmitglieder auf die bevorstehenden Aufgaben auch kulturell vorbereiten.
Kulturelle Einführungsprogramme bei den IT-Dienstleistungsanbietern, die auf die einzelnen geografischen Kundenlokationen zugeschnitten sind, beinhalten einen Teil der Vorbereitung auf die am Kundenstandort zu erfüllende Tätigkeit. Die oft Schlüsselpositionen einnehmenden Spezialisten der Dienstleister durchlaufen diese Einführungskurse, bevor sie in den entsprechenden europäischen oder anglo-amerikanischen Kulturkreis geschickt werden.
Analog dazu, sollte auch auf der Kundenseite ein kulturelles Sensibilisierungsprogramm das Kundenteam auf die kulturellen Unterschiede aufmerksam machen und somit eine Integration der indischen Arbeitskräfte in das Kundenteam von Beginn weg erleichtern. Nur wenn die fremdländlischen Spezialisten sich in ein Kundenteam eingebettet und akzeptiert fühlen, sind sie auch in der Lage, ihre beste Leistung abzurufen.
Bei der Projektinitialisierungphase geht es darum, die Schlüsselpersonen der Anbieter «ins Boot zu holen», indem ihnen das «Big Picture» des Projektvorhabens und die Projektziele vorgestellt werden. Das gibt ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt ein Zugehörigkeitsgefühl zum Projektteam. Die Projektüberwachungsphase verlangt zu jeder Zeit eine offene und transparente Kommunikation zwischen den internen und externen Partnern.
Überdurchschnittliche Leistungen und Arbeitsresultate der Anbieterspezialisten sollten mit zusätzlichen Aufgaben und Verantwortungsbereichen belohnt werden. Zudem sollten Möglichkeiten aufgezeigt werden, in verantwortungsvollere Rollen hineinzuwachsen (beispielsweise technische und personelle Führungsrollen). Es gibt viele Wege, die Integration von indischen lokalen Arbeitskräften zu fördern: Zuallererst geht es darum, sie als vollwertige Teammitglieder wahrzunehmen, sie gleich zu behandeln wie interne Teammitglieder, eine «Ein-Team»-Atmosphäre zu kreieren, Interesse an ihrer Kultur zu zeigen (Fragen über Familie, Essensgewohnheiten etc.), soziale Anlässe zu organisieren und sich einfach Zeit zu nehmen für informelle Kontakte. Es geht einzig und allein darum, dass sie sich wohl fühlen - «home away from home».
Dies verlangt von beiden Seiten (Kunden-und Anbieterseite) eine kulturelle Offenheit und Lernbereitschaft. Nur so ist einem partnerübergreifenden Projekt auch der nachhaltige Erfolg beschert. Nicht vergessen werden dürfen aber auch die Arbeitskräfte an der Offshore-Lokation. Auch sie haben ein Anrecht auf regelmässigen direkten Kundenkontakt. Dies – sowie ein anerkennendes elektronisches Mail für hervorragende Arbeitsleistungen - erhöhen zudem ihre Arbeitsmotivation und Loyalität.
Offener und ehrlicher gegenseitiger Feedback beim Projektabschluss sorgt dafür, dass ein partnerschaftliches Arbeitsverhältnis auch für zukünftige Projekte an der Tagesordnung ist und bleibt.
Claudio Mandiratta, IT Vendor Management, Swiss Re