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Insolvente Software-Anbieter

Firmen sollten ein Software Escrow Agreement abschliessen, um sich rechtlich abzusichern, falls der Anbieter einer lizenzierten Software Konkurs geht.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/04

     

Immer wenn die Wirtschaft kriselt, fragen sich die Risk-Manager der Unternehmen, was eigentlich passiert, wenn der Hersteller der eingesetzten Software in Konkurs fällt. Da es sich beim Konkurs um eine Generalexekution handelt, fallen sämtliche Aktiven und Passiven in die Konkursmasse. Darin befinden sich dann auch die Rechte an der vom konkursiten Unternehmen entwickelten Software, inklusive dem Recht zur Einsicht in den Source Code, sofern es sich natürlich nicht um eine Open-Source-Software handelt. Neuer «Herr über den Source Code» ist dann also der Konkursverwalter.



Gefährdung der Software-Pflege

Das Risiko, das der Konkurs eines Software-Anbieters für die Lizenznehmer vor allem mit sich bringt, ist, dass die Software-Pflege und allenfalls die -Weiterentwicklung gefährdet sind, weil einerseits dem Unternehmen die Mittel zur Erfüllung seiner entsprechenden Verpflichtungen fehlen und andererseits Dritten für die Zeit der Klärung der Situa-tion durch den Konkursverwalter keinen Zugriff auf den Source Code mehr gewährt wird.


Software Escrow Agreement

Abhilfe schaffen kann in so einem Fall ein sogenanntes Software Escrow Agreement (Software-Hinterlegungsvertrag). Dies ist eine Vereinbarung, die im Dreiecksverhältnis zwischen dem Software-Unternehmen, dem Lizenznehmer und einem Dritten – dem sogenannten Escrow-Agenten – abgeschlossen wird. Darin verpflichtet sich der Software-Hersteller, den Source Code der lizenzierten Software nach Unterzeichnung des Software Escrow Agreements beim Escrow-Agenten zu hinterlegen. Ein Escrow-Agent ist in der Regel ein Rechtsanwalt, Notar oder eine Treuhandgesellschaft. Zudem wird vereinbart, unter welchen Umständen der Escrow-Agent verpflichtet wird, dem Lizenznehmer Einblick in den Source Code zu gewähren respektive, diesen an den Lizenznehmer auszuhändigen. Einer der Herausgabefälle ist der Konkurs des Software-Unternehmens. Damit soll gewährleistet werden, dass sowohl Software-Pflege als auch -Weiterentwicklung gewährleistet bleiben.


Hinterlegung und Know-how

Mit der Hinterlegung des Source Codes muss auch sichergestellt werden, dass der Lizenznehmer oder von ihm beauftragte Dritte im Herausgabefall effektiv in der Lage sind, mit dem Source Code etwas anzufangen. Dafür ist es notwendig, dass mit dem Source Code auch eine entsprechende Dokumentation hinterlegt wird. Zudem muss im Voraus geklärt werden, ob das Know-how zum Umgang mit dem Source Code entweder inhouse oder bei Dritten vorhanden ist. Source Code und Dokumentation müssen immer wieder aktualisiert und somit regelmässig beim Escrow-Agenten ausgetauscht beziehungsweise nachgeführt werden. Gemäss Escrow Agreement muss dies die Software-Firma in der Regel von sich aus tun. Da der Escrow-Agent oft von einer diesbezüglichen Kontroll- und Mahnpflicht entbunden ist, obliegt diese dem Lizenznehmer.


Pflichten des Escrow-Agenten

Der Escrow-Agent verpflichtet sich normalerweise ausschliesslich zur sicheren Hinterlegung von Source Code und Dokumentation sowie deren Aushändigung in einem der von den Parteien vereinbarten Fällen. Nur wenn dies explizit vereinbart wird, muss der Escrow- Agent auch prüfen, ob der ihm übergebene Datenträger effektiv den vereinbarten Source Code enthält. Die Haftung des Escrow-Agenten für Beschädigung oder Verlust von Source Code und Dokumentation ist beschränkt. Werden Source Code und Dokumentation ramponiert oder gehen diese unter, ist das Software-Unternehmen verpflichtet, jene erneut beim Escrow-Agenten einzuliefern.



Herausgabefälle

Grundsätzlich können die Parteien frei vereinbaren, in welchen Fällen der Escrow-Agent Source Code und Dokumentation an den Lizenznehmer ausliefern muss. Der wichtigste Fall dürfte der Konkurs des Software-Herstellers sein. Eine Herausgabe wird aber oft auch für den Fall vereinbart, dass der Software-Anbieter seinen Verpflichtungen aus dem Lizenzvertrag nicht mehr nachkommen will oder kann. Dazu gehört zum Beispiel die Software-Pflege oder -Weiterentwicklung. Für die Umsetzung ist es wichtig, dass es sich um Fälle handelt, die vom Escrow-Agenten eindeutig festgestellt werden können. Beweispflichtig für den Eintritt des Herausgabefalles ist der Lizenznehmer. Er muss den Escrow-Agenten explizit zur Aushändigung auffordern und dafür die entsprechenden Belege einsenden.


Erlaubte Nutzung des Source Codes

Faktisch besteht bei einem Herausgabefall die Gefahr, dass ein Source Code generell bekannt wird. Rechtlich wird in einem Software Escrow Agreement daher genau vereinbart, zu welchen Zwecken der Source Code genutzt werden darf. Zudem gibt es eine Geheimhaltungserklärung. Daran besteht auch im Konkursfall ein grosses Interesse, insbesondere wenn der Konkursverwalter die Software zugunsten der Gläubiger verkaufen will. Im Übrigen verbleiben die Rechte an der Software auch während der Hinterlegung immer beim Software-Unternehmen – bei dessen Konkurs in der Konkursmasse.



Beendigung des Software Escrow Agreements

Ein Software Escrow Agreement kann auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Im ersten Fall erfolgt die Beendigung, wenn die Zeit abgelaufen ist, und eine Kündigung ist nicht notwendig. Wird ein Software Escrow Agreement auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, muss festgehalten werden, wer die Vereinbarung innerhalb der vereinbarten Kündigungsfrist warum und wann beenden kann. Zeitlich koordiniert werden muss die Dauer des Software Escrow Agreements mit einem entsprechenden Lizenzvertrag und einem Software-Pflegevertrag. Nach Beendigung der Vereinbarung retourniert der Escrow-Agent Source Code und Dokumentation an den Software-Anbieter.


Wiederkehrende Kosten

Bei den Kosten für ein Software Escrow Agreement muss zwischen einmaligen und wiederkehrenden unterschieden werden. Gleich zu Beginn wird der Escrow-Agent eine Gebühr für die Erstellung des Software Escrow Agreements, für die erste Einlieferung von Soure Code und Dokumentation sowie die erste Jahresgebühr erheben. In der Folge fallen dann Gebühren für jede Aktualisierung von Source Code und Dokumentation sowie die Jahresgebühr an. Der Betrag kann zwischen eintausend und mehreren tausend Franken variieren und hängt insbesondere vom Aufwand und dem Risiko des Escrow-Agenten ab. Die Gebühren werden in der Regel vom Lizenznehmer bezahlt. Erfolgt die Zahlung nicht mehr, wird der Escrow-Agent die Vereinbarung beenden.


Leser fragen, Rechtsanwalt Grüter antwortet

In Ihrem letzten Artikel haben Sie empfohlen, die Haftung in Informatikverträgen zu beschränken. Haben Sie ein Beispiel für eine entsprechende Klausel im Vertrag?


Eine für alle Verträge gültige Klausel gibt es nicht. Die Klausel ist der jeweiligen Vertragssituation anzupassen. Zudem kann ein Haftungsausschluss nicht garantiert werden (Art. 100 OR, Produkthaftpflichtgesetz). Eine kurze, einfache Klausel könnte jedoch wie folgt lauten:


«Für Schäden, welche unmittelbar auf das vorliegende Vertragsverhältnis zurückzuführen sind, übernimmt der Auftragnehmer im Falle eines Verschuldens pro Schadenfall eine Haftung bis zur Höhe der in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt des Schadens vom Kunden bezahlten Vergütungen, höchstens aber bis zum Betrag von CHF X.» Der Betrag muss nach Treu und Glauben adäquat zu den Honoraren des Kunden und zum möglichen Schaden sein.




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