Anstrengendes Shopping im Web
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/04
Immer mehr Menschen informieren sich heute im Internet und kaufen online ein. Für eine Web-Applikation wie einen Webshop bedeutet das, dass sie möglichst zuverlässig arbeiten und den Kunden möglichst rasch und sicher dorthin führen muss, wo er hin will. So weit die Theorie. In der Praxis gibt es viele Websites, die zu langsam, fehlerhaft, unsicher oder unverständlich sind. Das kann für Unternehmen Folgen haben.
Software-Hersteller CA hat im letzten Sommer 2500 Internetnutzer aus ganz Europa befragt und festgestellt, dass 85 Prozent langsam ladende Websites äusserst frustrierend finden. Dabei spielt es für die meisten überhaupt keine Rolle, ob die eigene Verbindung oder die Web-Applikation schuld am langsamen Surfen ist: Verantwortlich ist für über drei Viertel der Benutzer der Websitebetreiber. Auch Fehlermeldungen oder unregelmässige Performance sind sehr unbeliebt, wie der «Web Stress Index» zeigt.
Was tun Internetnutzer, die in Webshops auf solche Probleme stossen? Fast zwei Drittel von ihnen suchen nach einer anderen Website, die dasselbe anbietet, und brechen den Einkauf ab. Das alles geschieht meist ohne das Wissen der Unternehmen. Nur gerade 12 Prozent der Befragten gaben in der Untersuchung nämlich an, dass sie das Problem melden. Firmen verlieren also Geld wegen ungenügenden Webshops, wissen das aber nicht.
CA beliess es nach den teils alarmierenden Ergebnissen des Web Stress Index’ nicht dabei. Anfang Jahr hat man das britische Consulting-Unternehmen Foviance beauftragt, zum weltweit ersten Mal neurologisch und physiologisch zu untersuchen, welchen Einfluss Websites mit schlechter Performance auf die Kunden haben.
Foviance hat im Januar und Februar 2010 an der Caledonian University in Glasgow 13 Freiwillige – acht Frauen und fünf Männer – zwischen 22 und 42 Jahre alt, online zwei alltägliche Dinge erledigen lassen. Die Probanden, die durch einen vorhergehenden Fragebogen repräsentativ ausgesucht wurden, mussten ein Notebook kaufen und eine Reiseversicherung abschliessen. Die Internetverbindung wurde dabei teilweise von 5 MB/s auf 2 MB/s gedrosselt, um die Antwortzeit der Websites zu verlangsamen und so schlechte «Erfahrungen» herbeizuführen, denn der Speed ist für die Internetnutzer bekanntlich zentral.
Beim Testeinkauf wurden die Probanden von einem Foviance-Mitarbeiter betreut und ihre Gesichtsausdrücke von einer Webcam aufgezeichnet. Eine EEG-Kappe (Electroencephalography) mit 32 über den ganzen Kopf verteilten Elektroden (Bild) zeichnete ihre Gehirnströme auf und mass im Millisekundenrhythmus die sogenannten Alpha-Wellen, die anzeigen, ob jemand sehr entspannt oder hoch konzentriert ist. Im Nachhinein haben die «Versuchskaninchen» dann auch noch einen Fragebogen ausgefüllt.
Im Rahmen der Untersuchung zeigte sich schnell, dass das Stresslevel stark ansteigt, wenn man beim Onlineshopping auf Probleme stösst. Die EEG-Analyse ergab, dass sich Personen beim Einkauf in einem Webshop mit einer schlechten Performance bis zu 50 Prozent mehr konzentrieren müssen. Gestützt wurde das Ergebnis durch die Videoaufnahmen, die eine grössere Agilität und Angespanntheit der Probanden in den neurologisch interessanten Phasen zeigte.
Die Web-Stress-Untersuchung führte noch ein paar weitere Ergebnisse zu Tage: Die Kunden sind bei der Suche nach dem passenden Angebot (schlechte Suchmaschinen, ungenügende Übersicht) und beim Bezahlprozess, wo Details zu Person und Kreditkarte eingegeben werden müssen, am stressanfälligsten. Weiter zeigte sich, dass die Versuchsteilnehmer nach einem stressigen Online-Shopping eine Minute brauchen, um sich wieder zu erholen.
Der Web-Stress existiert also tatsächlich. Das haben CA und Foviance nachgewiesen. Sie rufen Unternehmen deshalb nun dazu auf, weniger Web-Stress zu produzieren – auch in ihrem eigenen Interesse. Und CA gibt gleich ein paar Tipps, wie man das angehen kann:
? Die Erfahrungen, die Benutzer auf der Website machen – inklusive der Performance – müssen gemessen und zentraler Bestandteil der Online-Strategie werden.
? Eine Application-Performance-Management-Lösung (APM) einführen, die die Performance und Verfügbarkeit von kritischen Web-Applikationen in Echtzeit rund um die Uhr überwacht.
? Die Verantwortung für den Speed und die Verfügbarkeit von gehosteten Applikatio-nen übernehmen und diese in den SLAs mit dem Hoster festhalten.
? Überprüfen und festlegen, wo man die Website-Besucher warten lassen kann und wo sicher nicht.
? Eingabemasken und Formulare sollten logisch aufgebaut und designt sein.
? Den Checkout-Prozess (Bestellabschluss) in mehrere Portionen teilen. Nicht zu viel auf einmal vom Kunden fordern. Aber: Problemloses Vor- und Zurückwechseln zwischen den einzelnen Schritten garantieren.
? Nur nach wirklich relevanten Daten fragen, ansonsten fühlen sich Kunden zu sehr in ihrer Privatsphäre tangiert und der Prozess dauert zu lange.
? Feedback von Kunden einholen und sie Usability-Checks durchführen lassen.
(mv)