Gemäss Beschäftigungsbarometer des Bundesamtes für Informatik zählt die Branche Informatikdienste (Firmen mit der Bezeichnung Informatik im Namen) auch in diesem Jahr wieder deutlich mehr Arbeitskräfte, als noch vor einem Jahr, nämlich 4.1 Prozent mehr. Inzwischen sind 76‘000 Personen in Informatik-Firmen tätig. Dazu kommen aber noch die Informatiker/-innen in Firmen aller anderen Branchen. Die grössten Informatik-Arbeitgeber sind bekanntlich Banken, Versicherungen und Verwaltung, die hier nicht mitzählen. Aber in jedem Produktions- oder grösserem Dienstleistungsbetrieb hat es auch Informatik-Profis. Erfreulich ist auch, dass in den letzten Jahren viele renommierte Firmen ihren Sitz in die Schweiz verlegt haben und von den guten Voraussetzungen profitieren wollen. Alle aber brauchen Fachleute — die Jagd nach den Talenten ist nach wie vor ungebremst.
Altersstruktur in der Informatik
Gemäss Salärumfrage 2009 von SwissICT hat der Trend zur Überalterung weiter zugenommen. Das belegt, dass der Nachwuchs fehlt. Die Erhebung lässt auch eine genaue Altersanalyse zu. Diese zeigt die Anzahl Nennungen je Altersjahr der an der Erhebung beteiligten Informatiker/-innen. Auffällig ist der hohe Anteil der 40- bis 45-Jährigen. Diese werden noch 15 bis 20 Jahre arbeiten und dann pensioniert werden. Problematisch ist hingegen die Lücke bei den bis 40-Jährigen. In den nächsten Jahren müssten also so viele Fachleute zusätzlich ausgebildet werden, um die zunehmende Menge an zu Pensionierenden zu ersetzen. Bereits 2012 werden in der Schweiz mehr Informatiker/-innen pensioniert, als aus der Grundbildung oder dem Informatik-Studium nachrücken.
Was machen die Informatiker
Auch zu der Frage, auf welchen Gebieten die Informatiker/-innen beschäftigt sind, gibt die Salärumfrage klare Antworten. Den grössten Anteil bildet die Gruppe der Applikationsentwickler/-innen; sie beschäftigt 52 Prozent aller Informatiker/-innen. Mit 25 Prozent folgt die Systemtechnik und mit 17 Prozent Operating und Support. Weitere sechs Prozent sind in übergreifenden Funktionen tätig, der überwiegende Teil im Zusammenhang mit der Applikationsentwicklung. Das verwundert nicht weiter, gilt es doch täglich neue Anwendungen, Dienste und Steuerungen für Produkte, Dienstleistungen, Systeme und Informationsdienste zu entwickeln. Schweizer Software geniesst Weltruf — nicht einmal der Lötschbergtunnel kommt ohne komplexe Steuerungssoftware aus.
Was wird am Markt gesucht?
Da man eine Zeitlang das Gefühl hatte, nur noch die Systembetreuung vor Ort erfolge in der Schweiz und der Rest werde im Ausland bearbeitet, wollten wir wissen, was eigentlich am Markt gesucht wird. Dazu haben wir eine Analyse der Stellenausschreibungen des ersten Semesters 2009 in Auftrag gegeben. Zehntausende Ausschreibungen wurden systemunterstützt (auch Schweizer Software!) durchgesehen. 4‘090 enthielten Informatikanforderungen und in 1‘513 waren Informatik-Profi-Stellen ausgeschrieben. Das liess die nicht unerwartete Feststellung zu, dass in 59 Prozent der Ausschreibungen Applikationsentwickler gesucht wurden, in 23 Prozent Systemtechniker, 12 Prozent Support und Operating und der Rest für übergreifende Funktionen! Erstaunlich war auch die Auswertung nach Ausbildungen: In 75 Prozent der Fälle wurden Fachspezialisten gesucht, in 25 Prozent war die Anforderung Fachhochschule oder Hochschule (Fachspezialisten) enthalten.
Und wie steht es mit dem Angebot?
In der Informatik-Grundbildung kann man eine Erholung auf tiefem Niveau feststellen, die Firmen bieten wieder mehr Lehrplätze an. Allerdings ist der Anteil der schulisch und auf eigene Kosten/eigenes Risiko ausgebildeten Leute auf über 40 Prozent gestiegen. Das belegt, dass die Jugendlichen und Berufsumsteige-Willigen mehr Vertrauen in die Informatik haben, als die Firmen selber, die im Lehrstellenangebot sehr zurückhaltend sind. Völlig im Gegensatz zu den Bedürfnissen aber werden nur in 13 Prozent der Fälle Applikationsentwickler-Lehrstellen angeboten...
An den Hochschulen hat sich die Anzahl Neustudenten der Informatik seit 2001 mehr als halbiert. Glücklicherweise zieht es wieder leicht an, doch sind wir noch nicht auf der Hälfte des Bestandes von 2001. An der ETH Zürich beispielsweise haben 2001 immerhin 340 Personen ein Informatik-Studium aufgenommen. 2007 waren es noch 104, inzwischen ist der Bestand per September 2009 auf 146 angestiegen. Man muss noch berücksichtigen, dass nur rund die Hälfte der Studien-anfänger dann auch wirklich abschliesst, das sind etwas über 200 in der ganzen Schweiz. Entsprechend wurden in den Jahren 2007 und 2008 zusammen rund 12‘000 Hoch- und Fachhochschulabsolventen aus dem Ausland «importiert». Die Informatik, das Gesundheitswesen und Gastronomie und Hotelgewerbe sind wesentlich an der grossen Einwanderung schuld, die heute zum Politikum geworden ist und gegen die sich Christoph Blocher nun persönlich einsetzt.
Fazit: Kompetenz ausbilden statt importieren
Alle Indizien zeigen, dass der Bedarf an Applikationsentwicklern und Programmierern in der Schweiz insgesamt zunimmt. Es gibt auch genügend Anzeichen dafür, dass «im Ausland entwickeln lassen» doch nicht so einfach und damit so rentabel ist, wie oft dargestellt. Und so holt man bei fehlendem Schweizer Personal halt die Ausländer in die Schweiz. Sie sind immerhin einfacher zu führen, als wenn sie irgendwo auf der Welt für uns arbeiten.
Es kann aber auf Dauer keine Strategie sein, die ausgebildeten Fachleute aus dem Ausland zu importieren und selber in der Bildungsfrage nur Trittbrettfahrer zu sein. Das Wichtigste ist, dass wir (die Betriebe, unterstützt durch die Verbände) jungen Leuten aufzeigen können, was die Tätigkeiten in der Informatik umfassen (sie haben falsche Vorstellungen), dass willige junge Leute mit einigermassen guten Umgangsformen geniale Voraussetzungen für eine Informatiker-Karriere in der Schweiz haben und sie für die Grundbildung oder das Studium gewinnen können.
Zentraler Punkt aber ist die Bereitstellung von Lehrplätzen: Auf 100 Informatiker/-innen müssen jährlich fünf neu zu besetzende Lehrstellen geschaffen werden, insgesamt also 20 Lernende. Und diese sind in betrieblicher Praxis einzusetzen, sie müssen arbeiten lernen. Die fachlichen Grundlagen erwerben sie an der Berufsfachschule (zwei Tage pro Woche), in den verbleibenden drei Tagen pro Woche müssen sie darauf arbeiten können — als künftiger Systemtechniker/-in, Applikationsentwickler/-in oder Supporter/-in.
Und wenn die Betriebe Topfachleute brauchen, müssen sie aus den Lehrabsolvent/-innen qualifizierte Fachleute machen. In kaum einem Beruf genügt ein Lehrabschluss fürs Leben — sicher nicht in der komplexen Informatik. Wieso aber geht nur jeder fünfte an eine höhere Berufsbildung oder Fachhochschule? Auch da ist Handlungsbedarf vorhanden, 50 Prozent der Lehrabsolvent/-innen müssten einen eidg. Fachausweis, ein eidg. Diplom, Diplom einer höheren Fachschule oder Fachhochschule erwerben.
Und wer sitzt auf dem Driving-Seat? Die Betriebe.