Alternativen zur IT-Mitarbeiterentlassung

Kosten senken! So lautet aktuell die oberste Maxime in vielen Unternehmen. Doch es gibt Firmen, die auch jetzt keine Angestellten auf die Strasse stellen.
10. Juli 2009

     

Liquidität! So heisst zur Zeit das Zauberwort vieler Unternehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, scheint jedes Mittel recht zu sein. Versuchte man es bis Ende letzten Jahres noch damit, dass Reisespesen rigoros gestrichen wurden oder das Weihnachtsessen abgesagt wurde, gehen diese Sparmassnahmen vielen Firmenlenkern jetzt zu wenig weit. Nun werden ganze Führungsebenen herausgestrichen, Abteilungen zusammengelegt und Projekte auf unbestimmte Zeit hinausgezögert. Manch ein Mitarbeiter fühlt sich zur Zeit darum weniger als geschätztes Mitglied des Unternehmens, für das er tätig ist, sondern eher zum Kostenfaktor degradiert.


Die Zeiten, wo Fach- und Führungskräfte hofiert und mit aggressiven Methoden von der Konkurrenz abgeworben wurden, sind vorbei. Und jene, die noch einen Job haben, ducken sich und mucksen trotz zunehmender Arbeitsbelastung nicht auf – wohl wissend, dass ihnen ihr Unmut schnell einmal den Job kosten könnte. Es ist nicht verwunderlich, dass sich in vielen Unternehmen in den letzten Monaten wieder Angst breit gemacht hat. Fast jeder kennt ein oder zwei Arbeitskollegen, die ihren Arbeitsplatz bereits räumen mussten.


So wie Anfang 2000, als die Internet-Blase platzte, lässt sich auch momentan wieder die Tendenz feststellen, dass auffallend viele langjährige und altgediente Angestellte mit einer teilweise fast schon an Zynismus grenzender Unverfrorenheit gefeuert werden. Man wird den Eindruck nicht los, dass es den Unternehmen dabei in erster Linie darum geht, bei jenen Gehältern mit dem Rotstift anzusetzen, wo das grösste Einsparungspotential erzielt werden kann.


Interessant ist nämlich, dass trotz schwächelnder Wirtschaftslage nicht wenige dieser Stellen dann mit wesentlich jüngeren Mitarbeitern wieder besetzt werden. Unnötig zu sagen, dass deren Gehälter rund 20 bis 30 Prozent tiefer liegen. «Cash is King», mag wohl für viele Entscheider die Devise in für solch fragwürdige Mitarbeiterentlassungen lauten, und fast schon bewundernd spricht man wieder über jene Sanierer, welche mit eisernem Besen durch die Teppichetagen fegen und weniger den Menschen, sondern vielmehr die nüchterne Ebit-Zahl ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen.


Dass dabei die Angestellten für Managementfehler ihrer Chefs bluten müssen, welche mit einer aggressiven Expansionsstrategie das Geld verpulvert oder die sich abzeichnende Krise verkannt haben, ist stossend und hinterlässt einen umso schaleren Beigeschmack. Die Folge dieser Hauruck-Politik: Die Arbeitslosenquote schnellte in den vergangenen Monaten steil nach oben und lag im Mai in einigen Kantonen bereits bei über 5 Prozent.



Unternehmen müssen handeln

Natürlich: Wenn die Firmenkasse leer ist, weil die Kundenaufträge ausbleiben, dann sind Unternehmen zum Handeln gezwungen. Andererseits scheint es, dass einige Firmenlenker momentan das gesunde Augenmass verloren haben.


Und so wird der Witz vom Sanierer, der an Petrus’ Himmelspforte klopft, plötzlich wieder Realität. Gemäss der Geschichte soll Petrus den Sanierer nämlich gefragt haben, was er denn auf der Erde so gemacht hätte. «Ich habe viele tausend Leute entlassen.» Daraufhin zeigt der Petrus mit dem Daumen nach unten und schickte ihn in die Hölle. Nach zwei Wochen ruft der Teufel an und sagt: «Lieber Petrus, bitte nimm den Sanierer doch bei dir auf. Er hat bei mir in der Hölle ein paar Ofen geschlossen und mehr als tausend Leute entlassen!»


Es ist manchmal befremdend zu sehen, wie kurzfristig einige Firmen planen und handeln. Da werden ohne Rücksicht auf Verluste hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte aus der IT-Branche entlassen.


Doch so sicher wie das Amen in der Kirche wird der Markt irgendwann wieder drehen, und dann werden genau die jetzt gefeuerten Angestellten wieder händeringend gesucht. Dann spricht man wieder vom «War of Talent» und stöhnt, dass man Aufträge ablehnen müsse, da man nicht über die notwendigen fachlichen Ressourcen verfüge.


Und wenn man nach langem Suchen endlich die richtigen Personen wieder gefunden hat, gehen damit wertvolle Zeit und viel Umsatz verloren. Aber gibt es denn überhaupt Möglichkeiten, das Überleben einer Firma zu sichern und gleichzeitig seine Angestellten nicht im grossen Stil auf die Strasse zu stellen? Dazu die folgenden Gedankenanstösse:


Kurzarbeit und Lohnreduktion

Ein international tätiges und sehr bekanntes IT-Unternehmen hat in den letzten Wochen seinen Mitarbeitern mitgeteilt, dass diese je nach Funktion Lohneinbussen bis zu 20 Prozent in Kauf zu nehmen hätten. Damit möchte man die Kosten senken und Mitarbeiterentlassungen weitestgehend vermeiden. Ebenfalls gibt es Firmen, die in ihren Betrieben Kurzarbeit eingeführt haben, um so in den nächsten Monaten einigermassen über die Runden zu kommen. Wenn man in persönlichen Gesprächen mit betroffenen Angestellten redet, so spürt man auf der einen Seite ein gewisses Verständnis für solche Sparmassnahmen. Andererseits kommen viele gestandene Familienväter jetzt arg ins Schwitzen, weil ihre finanziellen Verpflichtungen eine solche Lohneinbusse schlicht nicht zulassen. Doch in Zeiten wie diesen müssen nicht nur Firmen den Gürtel enger schnallen, sondern auch die Mitarbeiter selbst. Die Tatsache, dass die Unzufriedenheit bei vielen Betroffenen hoch ist, lässt aber darauf schliessen, dass es mit dieser Einsicht nicht zum Besten steht. Das sture Festhalten an den eigenen Lohnvorstellungen mag aber auch mit der Tatsache zu erklären sein, dass die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen nicht so hoch ist, wie sich dies die Firmen selbst wünschten. Ganz anders verhält es sich da bei der Traditionsfirma Victorinox, die im Jahre 2009 mit dem Fairness-Preis ausgezeichnet wurde. Noch nie in der 125-jährigen Firmengeschichte wurde ein Mitarbeiter aus wirtschaftlichen Gründen entlassen. Selbst nach dem Terroranschlag im Jahre 2001, als der Absatz im Kerngeschäft der Taschenmesser völlig einbrach, hielt man an diesem Credo fest. Firmenlenker, die solche Grundwerte in ihrer Firmenkultur verankert haben und im positiven Sinne Patrons ihrer Unternehmen sind, können auch im Falle von Lohnreduktionen oder Kurzarbeit auf das Verständnis ihrer Mitarbeiter zählen, da sie in ihrem Handeln glaubwürdig und authentisch sind.


Doch nicht nur in ethischer, sondern auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht scheint Victorinox einiges richtig zu machen. So lässt sich Carl Elsener jun. in der «Handelszeitung Online» im Mai 2009 wie folgt zitieren: «Antizyklisches Verhalten bedeutet Masshalten in Zeiten der Hochkonjunktur. Sorgfältig versuchen wir langfristige Trends von kurzfristigen Moden zu unterscheiden. Da werden wir manchmal belächelt, doch läuft es allgemein schlechter, werden wir manches Mal bewundert.»


Robert Heinzer, der Personalchef der Firma Victorinox, ergänzt: «Beides braucht Charakterstärke und eine starke Strategie». Zugegeben: Dies alles klingt so einfach und banal, aber vermutlich liegt gerade darin das Erfolgsgeheimnis dieses Vorzeigeunternehmens.


Die IT-Branche ist bekanntlich geprägt von Hochs und Tiefs. Etwas dazwischen scheint es nicht zu geben. Läuft es gut, muss der Rubel fliessen und Geld scheint dann keine Rolle zu spielen. Dreht der Wind, so herrscht bei allen plötzlich Katerstimmung. Unter diesen Schwankungen zu leiden haben vielfach die Mitarbeiter, die sich aus Angst, den Job zu verlieren, noch mehr anstrengen als vorher und teilweise schier bis zur Erschöpfung arbeiten. Burnout- und Depressions-Symptome haben gemäss Studien in der Schweiz in den letzten Monaten wieder massiv zugenommen. Wer seine Mitarbeiter derart unter Druck setzt und sie auf die Strasse stellt, sobald die Auftragslage zu schwächeln beginnt, der verkennt, dass das höchste Gut eines Unternehmens motivierte und leistungsbereite Mitarbeiter sind. Ihnen gilt es gerade in der jetzigen unsicheren Lage Wertschätzung entgegenzubringen und wenn immer möglich einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Dazu nochmals Carl Elsener jun. im Interview mit der «Handelszeitung»: «Die Hierarchie der Werte bleibt sich gleich: Mitarbeitende, Kunde, Produkt und – mit etwas Abstand – Marke.»




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