Im Windschatten von SOA zum Besten aus allen Welten
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/07
Die serviceorientierte Architektur (SOA) beschäftigt die Informatik nun schon um die zehn Jahre. Das ursprüngliche Hauptversprechen, wonach die Aufspaltung der Applikationen in einzelne, anhand der Business-Anforderungen definierte Services zu einer Mehrfachverwendung von Software-Code führen würde, hat sich derweil zum Grossteil in den zu stark divergierenden Ansprüchen der Geschäftsrealität verflüchtigt. SAP benötigt über 30’000 Services, um vollständige Funktionalität ihrer ganzen ERP-Suite abzubilden. Unter diesen Umständen tangiert der Wiederverwendungsanteil selbstredend gegen Null. Und auch in den SOA-Landschaften der Grosskonzerne kann die Zahl der mehrfach genutzten Dienste an einer Hand gezählt werden. Das SOA-Prinzip hat aber in anderen Bereichen erhebliche Veränderungen initialisiert, deren Früchte nun langsam reifen.
Zuallererst hat SOA zu einem grundsätzlichen Umdenken in der IT geführt. Statt jede Fachabteilung und jede Applikation als isoliertes Silo zu betrachten, erfolgt heute im Zug der Serviceorientierung das Management von Hard- und Software anhand der konkreten Dienste, die mit ihrer Hilfe für das Unternehmen erbracht werden. Dies führt zu mehr Transparenz etwa in Form von SLA (Service Level Agreements), zur Elimination von Doppelspurigkeiten und durch die Anwendung der ITIL-Good-Practices (IT Infrastructure Library) zu einer verbesserten und vor allem kontrollierbaren Qualität der Leistungen.
Ähnlich grundlegend dürften in den nächsten Jahren aber auch die Konsequenzen von SOA für die IT-Architektur werden. Auch wenn die Vision der frei zusammensetzbaren Services bis auf Weiteres Utopie bleibt, ebnen die einheitlichen SOA-Daten- und Kommunikationsstandards den Weg für eine flexible Infrastruktur, in der die jeweils besten Anwendungen für jede Fachanforderung mit einem beherrschbaren Aufwand zusammenspielen können. Mit anderen Worten: Die SOA-Technologie läutet das Ende der Ära der All-in-one-ERP-Suiten ein.
Grund für den Trend weg von monolithischen ERP-Installationen sind deren immer offensichtlicher werdenden Schwächen in speziellen Funktionalitäten für einzelne Fachabteilungen und deren langsame Reaktionszeiten auf neue Technologien. Gaben sich die Anwender bis vor kurzem noch mit relativ umständlichen Abläufen und Eingabemasken zufrieden, sinkt diese Bereitschaft jetzt rapide. Das iPhone oder die Google-Services haben im Consumer-Umfeld gezeigt, dass Informatik wesentlich effizienter sein kann, wenn die Apps möglichst genau auf die Nutzung zugeschnitten sind. Als Folge davon dürfte in den nächs-ten Jahren auch das «Buy oder make»-Pendel wieder in Richtung «selber machen» zurückschlagen. Insbesondere im immer wichtiger werdenden Mobile-Umfeld, wo begrenzte Bildschirmgrössen und Eingabemöglichkeiten keine überflüssigen Standard-Features erlauben, führt kaum ein Weg an einer Spezialentwicklung vorbei.
Mit dem Trend weg von den monolithischen ERP-Installationen zu Best-of-Breed und konfektionierten Eigenentwicklungen verschieben sich auch die Daten- und Prozesshoheit vom ERP-System in die SOA-Middleware. Damit diese langfristig sicherstellen kann, dass jede Anwendung und jeder Dienst restriktionslos eingebunden werden kann, werden hier anwendungsunabhängige Infrastrukturen die heute noch häufige Software der Applikationshersteller ablösen müssen. Und weil jeder heute noch unabhängige Middleware-Anbieter schon morgen im Einkaufskorb eines Applikationsherstellers liegen kann, bieten in dieser Beziehung nur Open-Source-Produkte Sicherheit für eine langfristige und konsequente Standardkompatibilität. Wodurch SOA einer noch viel grundlegenderen Umwälzung zum Durchbruch verhelfen könnte.