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Geschäft und IT im Einklang

Das Business Process Management als Methodik und die serviceorientierte Architektur als technische Basis unterstützen Unternehmen punkto Effizienz und Qualität.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/07

     

Die Hersteller von Lösungen fürs Geschäftsprozessmanagement (Business Process Management, BPM) versprechen, ihre Produkte würden erstens die Effizienz der unternehmensinternen und firmenübergreifenden Abläufe steigern und zweitens gleichzeitig zur Qualitätsverbesserung beitragen. Diese zwei Ansprüche stehen sich eigentlich diametral gegenüber, lassen sich in der Praxis aber durchaus fruchtbringend verknüpfen, wie die Stiftung Auffangeinrichtung BVG mit einem kürzlich abgeschlossenen Projekt eindrücklich beweist – siehe Seite 16.



BPM und SOA als Vermittler

Ein Kernaspekt erfolgreicher BPM-Projekte ist die Vermittlung zwischen IT und Fachabteilungen. Die Prozesse, die das Unternehmen in Schwung halten, werden typischerweise zunächst in einem Modellierungstool grafisch zusammengestellt und so lange verfeinert, bis alle Schritte logisch korrekt definiert und möglichst realitätsgerecht verknüpft sind. Dies bedingt natürlich, dass sich die Tätigkeit des Unternehmens überhaupt in Form klar definierbarer Abläufe vollzieht – andernfalls ist die BPM-Einführung eine gute Gelegenheit, sich über die Prozesse im Unternehmen klar zu werden.


Auf die Details der technischen Umsetzung wird dabei keine Rücksicht genommen – idealerweise sorgt danach eine Prozess-Engine dafür, dass die abstrakt modellierten Prozesse automatisch in die IT-Landschaft übertragen und ausgeführt werden. Dies gelingt am besten, wenn die Business-Logik nicht in einen monolithischen ERP-Dinosaurier gepresst ist, sondern in einer serviceorientierten Architektur (SOA) in Form von einzelnen, unabhängig nutzbaren Services vorliegt, die sich bedarfsgerecht mehr oder weniger frei kombinieren lassen.


An der Prozessmodellierung sollten sowohl die Anwender aus den betroffenen Fachabteilungen als auch Vertreter der IT-Abteilung beteiligt sein. Nur so ist garantiert, dass auf der einen Seite keine Konzepte entstehen, die sich gar nicht umsetzen lassen, weil die Prozesse nicht inhärent schlüssig definiert sind, und andererseits die Geschäftsabläufe nicht in ein technisch motiviertes Korsett gezwängt werden. Business Process Management ist eben nicht in erster Linie eine Softwarekategorie, sondern eine Vorgehensweise zur Optimierung von Unternehmen, die sich unter anderem der Unterstützung durch passende Software bedient.


Mit der Modellierung und Ausführung der Prozesse ist es aber noch nicht getan: Als drittes wichtiges Standbein bietet eine umfassende BPM-Lösung Funktionen zur Überwachung der Prozesse und liefert Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPI) für die Unternehmenssteuerung und zu Compliance-Zwecken. Unter dem Motto «Process Discovery» beziehungsweise «Process Intelligence» bieten einige Lösungen zudem die Möglichkeit, durch die Überwachung der Unternehmensanwendungen die Prozessdefinitionen automatisch aus dem IT-Betrieb abzuleiten und so die tatsächlichen Abläufe mit den manuell modellierten Soll-Prozessen zu vergleichen.


BPM-Suiten nach Gartner

Das Marktforschungsunternehmen Gartner präsentiert, wie viele andere Disziplinen der Business-IT, auch den aktuellen Business-Process-Management-Markt in Form eines «Magischen Quadranten», der die Anbieter in Nischenplayer, Visionäre, Herausforderer und Anführer einteilt. Gartner berücksichtigt dabei jedoch ausschliesslich global aktive Hersteller sogenannter «BPM-Suiten», die den gesamten Bereich des Geschäftsprozessmanagements abdecken und insbesondere auch die Middleware enthalten, die sich um die Prozessausführung kümmert.


Deshalb fehlen in der Aufstellung zahlreiche nur lokal bedeutende Produkte – dies gibt Gartner im Begleittext selbst zu. Auch anerkannte BPM-Spezialisten, die sich auf bestimmte Aspekte konzentrieren, kommen nicht vor. Allen voran gilt dies für das deutsche Unternehmen IDS Scheer, das anerkannt hochwertige Modellierungs-, Discovery-, Monitoring- und Analysewerkzeuge offeriert, die auf den Methoden basieren, die der Firmengründer August-Wilhelm Scheer bereits vor 25 Jahren im Rahmen seiner universitären Forschungs- und Lehrtätigkeit zu entwickeln begann.


In der aktuellen Ausgabe des BPM-Magic-Quadrant vom Februar 2009 haben sich gegenüber dem Vorjahr einige Verschiebungen ergeben. Dies liegt für einmal nicht in erster Linie an Akquisitionen und Fusionen, sondern an der Erfassungsmethodik: Gartner setzt bei der Evaluation dieses Jahr erstmals nicht auf Features, sondern darauf, wie gut sich die Lösungen für vier Anwendungsfälle eignen, nämlich:


? Implementation einer branchen- oder unternehmensspezifischen End-to-End-Anwendung (im Gegensatz zu Standardanwendungen von der Stange).


? Unterstützung einer Unternehmenskultur zur fortlaufenden Verbesserung der Prozesse durch regelmässige Zusammenarbeit von Fachabteilungen und IT.


? Redesign der Unternehmens-IT im Sinn einer prozessbasierten SOA – in diesem Fall startet die BPM-Initiative in der IT-Abteilung.


? Vom Management angeregte Veränderungen in der Art, wie das Geschäft betrieben wird (Business Transformation) – auch hier spielt die Verknüpfung von Business und IT, die durch BPM gefördert wird, eine Hauptrolle.


Gartner gibt allerdings zu, dass selbst die als «Leader» deklarierten Anbieter wie IBM, Software AG, EMC, Oracle und SAP mit ihren BPM-Suiten nicht alle vier Anwendungsszenarien vollständig, mit durchgängiger Qualität und in Form einer einheitlichen Lösung aus einem Guss abdecken. Dass auch bei BPM-Suiten nicht alles Gold ist, was glänzt, zeigen auch teils bissige Kommentare in fachspezifischen Online-Portalen – so titelte zum Beispiel Jakob Freund, Autor bei www.bpm-guide.de, letzten Herbst provokativ «BPM-Suiten – alles Schrott?» und warnt davor, allzu rasch auf die Versprechungen der Anbieter und die Einflüsterungen «überteuerter Quassel-Berater» hereinzufallen.


Für die Marktübersicht auf Seite 14 hält sich Swiss IT Magazine dennoch weitgehend an die von Gartner ausgewählten Anbieter.



SOA ist nicht tot

Es liegt auf der Hand, dass SOA und BPM eng zusammenhängen – die IT in serviceorientierter Architektur ist zwar keine zwingende Voraussetzung fürs Geschäftsprozessmanagement, aber eine SOA fungiert als ideale technische Basis für die automatisierte Umsetzung der per BPM definierten Prozesse – oder umgekehrt: BPM eignet sich bestens, um den Nutzen einer SOA zu belegen. Dennoch wird die Idee SOA in letzter Zeit oft bekrittelt, bis hin zu Aussagen wie «SOA ist tot» – unter anderem argumentierten auch Gartner-Analysten, serviceorientierte Architekturen hätten in den Unternehmen kaum noch eine Chance.


Zumindest im deutschen Sprachraum ist dies anders, wie der dieses Jahr bereits zum dritten Mal durchgeführte «SOA-Check» (www.soa-check.eu) nachweist. Die TU Darmstadt, das Wolfgang Martin Team und das Marktforschungsunternehmen IT Research haben per Online-Umfrage und im persönlichen Gespräch 111 Personen aus Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihren SOA-Plänen befragt.


Immerhin 47 Prozent der Befragten setzen bereits eine SOA ein, 37 Prozent sind in der Planungsphase und nur 16 Prozent wollen auch künftig verzichten. Als Nutzen nennen die Befragten in erster Linie höhere Flexibilität, gefolgt von Optimierung der Prozesse, Time-to-Market, Steigerung des Innovationsgrades und Steigerung der Produktivität.


Der Top-down-Ansatz, also die SOA als Grundlage für die Abbildung der Geschäftsprozesse in der IT, ist laut der Studie auf dem Vormarsch. Allerdings: Noch immer sind viele SOA-Projekte zu stark von der IT getrieben: In 54 Prozent der Fälle kommt der Projektleiter aus der IT-Abteilung und in 44 Prozent der Projekte sorgt die hauseigene IT-Abteilung für die Implementation.


Ganze 24 Prozent der erfassten SOA-Projekte sind sogar ausschliessliche IT-Projekte ohne Einbezug der Fachabteilungen. «Hier liegt ein grosses Verbesserungspotential», stellen die Autoren der Studie fest – und merken gleichzeitig an, «der wichtigste Erfolgsfaktor für SOA-Projekte sei die Unterstützung durch das Top-Management – und genau diese sei auch 2009 eher die Ausnahme als die Regel.»

(abr)


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