Fünf Schritte zur richtigen BI-Lösung

Business Intelligence ist eines der grossen Trendthemen, mit dem sich IT-Verantwortliche beschäftigen. Doch wie finden Unternehmen die passende Lösung? Ein Leitfaden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/05

     

Für viele Unternehmen ist eine Business-Intelligence (BI)-Lösung unverzichtbare Basis zentraler Geschäftsentscheidungen. Dabei kann BI vieles sein: von der einfachen Excel-Auswertung bis hin zur hochkomplexen IT-Lösung mit umfangreichem Data Warehouse. «Welches ist die richtige Lösung für mich?», lautet die berechtigte Frage vieler Unternehmen. Wie viel BI brauche ich wirklich? Und was muss bei der Produktauswahl beachtet werden? Im folgenden Fachartikel findet sich ein Leitfaden, wie Unternehmen in fünf Schritten die passende BI-Lösung finden:



Schritt 1: Was brauche ich?

Business-Intelligence-Lösungen gibt es in unterschiedlichsten Ausprägungen. Um exakt den Lösungsumfang zu ermitteln, der tatsächlich benötigt wird, ist eine detaillierte Bedarfsanalyse zu Beginn des Projektes erforderlich. Was selbstverständlich anmutet, wird in der Praxis nicht selten ignoriert.


«Da wird oft munter drauflosgeplant und gebastelt, obwohl die Anforderungsanalyse bestenfalls noch grobes Stückwerk ist», berichtet Mark Zimmermann, Geschäftsführer des BI-Spezialisten Infomotion, von seinen Erfahrungen. Infomotion zählt zu den führenden deutschen IT-Beratungsunternehmen für BI-Lösungen. Ende 2008 hat das Unternehmen, zu dessen Kunden beispielsweise ENBW, Union Investment, Deutsche Post und Adidas zählen, eine Niederlassung in Basel gegründet. «Nur wer sich von Anfang an darüber im Klaren ist, welches konkrete Ergebnis er anstrebt, wird dieses am Ende auch erreichen.» Und das natürlich auf einem möglichst ressourcenschonenden Weg.


«Oft wird am Anfang alles Mögliche in das Projekt gepackt, von dem irgendwie angenommen wird, es würde sich im Zweifel schon als nützlich erweisen. Und das nur, weil man sich zu Beginn um die genaue Zieldefinition gedrückt hat.» Dies verursacht unnötige Mehrkos-ten, die eine durchdachte Projektplanung und ein gezieltes Vorgehen wirksam zu verhindern helfen, so Zimmermann.


Um die genauen Ziele zu ermitteln, die mit Hilfe der BI-Lösung erreicht werden sollen, hat es sich bewährt, zunächst die bestehenden Defizite ins Auge zu fassen. Sprich: Wo schmerzt es beim Reporting und Datenmanagement aktuell am meisten? Wo gibt es Prozessprobleme, wo einen zu hohen manuellen Aufwand, wo herrscht ein Mangel an aktuellen und integrierten Daten beziehungsweise an entsprechenden Berichten? Ein Beispiel: «Bei einem unserer Kunden haben die Mitarbeiter vor Einführung des BI-Systems regelmässig unterschiedliche Daten als Grundlage für ihre Auswertungen genommen. Mit dem Effekt, dass die Zahlen in den Reports naturgemäss stark differierten», so Zimmermann.


Sein Rat: «Gehen Sie bei der Bedarfsanalyse möglichst früh ins Detail.» Es muss nicht nur geklärt werden, welche Kennzahlen benötigt werden, sondern auch, auf welcher Aggregatsebene und in welcher Aktualität. Insbesondere letzterer Punkt kann später entscheidende Auswirkungen auf das System haben. Und je früher die Wegrichtung klar ist, desto schneller können die richtigen Weichen bei der Systementwicklung gestellt werden. «Für einen Kunden, für den eine besonders schnelle Zugriffszeit auf die Daten entscheidend war, haben wir die Infrastruktur des Systems so aufgebaut, dass die Daten in halbstündigem Rhythmus aktualisiert werden, statt diese erst beim Zugriff extra zu erzeugen», erklärt der BI-Experte.


Darüber hinaus sollte die Anforderungsanalyse Antwort darauf geben, anhand welcher Dimensionen (Kunden, Produkte, Regionen, Zeit etc.) die Daten analysiert werden sollen und welche Detailtiefe gewünscht wird. Gleiches gilt für die Fragen, welche Analyseperspektiven es gibt und wie diese in den Datenmodellen berücksichtigt werden können. «Um diese Punkte erschöpfend zu klären, ist es unerlässlich, die Fachabteilungen von Anfang an ins Boot zu holen», rät Zimmermann. «Denn die wissen in der Regel am besten, von welchen Funktionalitäten, Reports etc. sie bei ihrer täglichen Arbeit am stärksten profitieren.»


Und: Man muss frühzeitig klären, wer in Zukunft welche Informationen erhalten soll. So kann das System bei Bedarf so aufgebaut werden, dass es einen öffentlichen und einen geschützten Bereich gibt, auf den beispielsweise nur die Entscheider des Unternehmens Zugriff haben.


BI-Checkliste

1. Auswahl eines Sponsors aus dem Senior Management, der eine Data Governance Organisation unterstützt und fördert; suchen und wählen Sie jemanden aus, der das Messen als Basis für das Management sieht.


2. Stellen Sie den Aufbau einer Data-Governance-Organisation mit Fokus auf kontinuierliche Verbesserung der Datenqualität sicher. Denken Sie immer daran: Garbage in, garbage out! Wenn Sie nicht eine solide und qualitativ entsprechende Datenbasis haben, erreichen Sie keine Verbesserung, es wird lediglich «bunter».


3. Es ist unabdingbar, den Ist-Zustand zu definieren: Wie unterstützt IT oder Informationsmanagement die Erfüllung der strategischen, taktischen und operativen Initiativen?


4. Definieren Sie logische und physische Daten-anforderungen, diese dienen Ihnen als Basis für Ihre BI-Initiative. Nehmen Sie sich für diesen Punkt Zeit, um sämtliche Anforderungen aufzunehmen, zu gewichten, anschliessend zu priorisieren und daraus einen Business Case zu erstellen.


5. Stellen Sie den Kreis von Anwendern zusammen, der in Ihre BI-Initiative involviert ist. Stellen Sie sicher, alle Stakeholder einzubinden und binden Sie von Anfang an Ihre internen Kunden ein.


6. Wählen Sie möglichst Aktivitätsfelder, in denen der «Schmerz» gross ist und das Risiko überschaubar.


7. Starten Sie mit kleinen Schritten und behalten Sie dabei das grosse Ganze im Auge. Definieren Sie Milestones, die konstant eine sichtbare Verbesserung in kurzer Zeit bringen.


8. Wählen Sie einen geeigneten Systemintegrator mit entsprechender Erfahrungsgeschichte in BI. Lassen Sie ihr Bauchgefühl dabei nicht unberücksichtigt. Achten Sie auf vorhandenes Branchenwissen, Lösungskompetenz und die Bereitschaft zum Wissenstransfer.



Schritt 2:

Die Entwicklung und Implementierung einer umfassenden BI-Lösung verursacht natürlich Kosten. Um unnötige Mehrkosten und Redundanzen zu vermeiden, sollte nach der Bedarfsermittlung eine übersichtliche Ist-Analyse stehen. Folgende vier Faktoren müssen hierbei einer genauen Betrachtung unterzogen werden:


? Vorhandene BI: An welchen Stellen sind bereits BI-Systematiken im Einsatz? Gibt es bestehende dispositive Datentöpfe, Reportingsysteme etc.? Können hier Komponenten weiter verwendet oder müssen diese abgelöst werden?


? Daten: Liegen die gewünschten Informatio-nen oder Kennzahlen bereits in den operativen Systemen vor? Bzw. können diese ggf. aus den Rohdaten berechnet werden?


? Technologie: Sind im Unternehmen bereits Technologien im Einsatz, die die gewünschte Transparenz und Funktionalität bieten? (beispielsweise von Cognos, Oracle, SAS oder SAP Business Objects).


? Know-how: Wo und in welchem Ausmass können interne Mitarbeiter im Rahmen des BI-Projektes eingesetzt werden? Welche Eigenleistung kann das Unternehmen sowohl vom Know-how als auch von den personellen Ressourcen stemmen?


«Unternehmen stecken hinsichtlich ihrer Voraussetzungen zu Beginn eines BI-Projektes in der Regel in ganz unterschiedlichen Entwicklungsstadien», sagt Mark Zimmermann. «Während wir an der einen Stelle schon Systematiken und Datensammlungen finden, auf die wir mit der neuen Lösung aufsetzen können, startet man anderswo komplett von der grünen Wiese.»



Schritt 3: Was gibt es?

Um sich einen Überblick zu verschaffen, welche Lösungen und Anbieter es gibt, und wer sich für das geplante Projekt als geeignet erweisen könnte, bietet sich auch heute noch der «altmodische» Weg über die gängigen Messen und Veranstaltungen an. Fach-Events wie die «BARC BI-Tagung» oder das «Cebit BI-Forum» liefern wichtige Informationen darüber, wie BI-Systeme arbeiten und welche Werkzeuge und funktionalen Möglichkeiten es gibt.


Auf welchem Weg auch immer: Grundsätzlich gilt es, sich vorab eine Übersicht über BI-Hersteller und ihre Produkte zu verschaffen. Neben den Angeboten der grossen Softwarehersteller – IBM, Microsoft, Oracle und SAP – sollten sowohl die ausgewiesenen BI-Spezialisten wie SAS, Microstrategy und Cubeware sowie die neuen, innovativen Anbieter KXEN, Spottfire und Qlicktech geprüft werden. Gerade für Unternehmen, die eine weniger aufwändige Lösung anstreben, bieten darüber hinaus die Open-Source-Produkte – beispielsweise von Pentaho und Jaspersoft – eine hochinteressante Alternative: «Für gängige Anforderungen wie Standardberichtswesen, Web-Reporting, Ad-hoc-Analysen oder Datenintegration sind die Open-Source-Produkte durchaus geeignet», weiss Zimmermann. «Wenn ein Unternehmen bisher ein Berichtswesen mit Excel praktiziert hat, dann ist der Einsatz der Reporting-Services von Jaspersoft ein grosser Fortschritt.»



Schritt 4: Wie gehe ich vor?

Ob ein BI-Projekt zum Erfolg wird, hängt insbesondere vom Vorgehen ab. Grundsätzlich sollte man sich einer Lösung «top down» nä-hern, also explizit an den Anforderungen der Fachbereiche ausrichten. Nur so kann eine nutzer- und damit nutzenorientierte BI-Lösung erfolgreich werden. Organisatorisch hängt der Erfolg auch davon ab, wie das Projekt im Unternehmen aufgehängt ist. Die Organisation, Verantwortung sowie das Management des Projektes sollte immer von einem Mitglied der obersten Führungsebene oder einem fachlichen Sponsor unterstützt werden. Dieser sollte nicht nur ein vollständiges Bild vom Unternehmen, den Zielsetzungen, Ergebnissen und Strategien haben, sondern auch über das Wissen verfügen, dieses Know-how in entsprechende Kennzahlen zu übersetzen.


«Eine Grundregel, die wir bei jedem Projekt beherzigen ist 'Think big – start small'», beschreibt Zimmermann die Situation. Bei der Entwicklung einer BI-Lösung sollte das Unternehmen respektive der Dienstleister immer das zukünftige Gesamtsystem im Blick haben und auf dieser Basis entsprechend die Weichen stellen. Die Entwicklung selbst aber sollte schrittweise in geschlossenen Zyklen erfolgen, um Teile des späteren Gesamtsystems frühzeitig nutzen zu können. Zimmermann: «Je früher Nutzen und Mehrwert deutlich werden, den eine professionelle BI-Lösung nicht nur dem Unternehmen, sondern vor allem auch dem einzelnen Mitarbeiter bringt, desto höher sind der Anreiz und die Motivation, das Projekt voranzutreiben.» Die Priorisierung der einzelnen Teilprojekte erfolgt dabei anhand vorab definierter Anforderungen sowie der Nutzen-aspekte.


Die unverrückbare Basis einer jeden BI-Lösung sind Daten. «Deswegen gilt die Grundregel: Stellen Sie sicher, dass die benötigte Datenqualität bezogen auf Ihre fachlichen Anforderungen zugeschnitten vollständig und korrekt vorliegt», so Zimmermann. Nur wenn hier Qualität und Konsistenz sichergestellt sind, kann das System auch die richtigen Ergebnisse liefern. Stets zu beachten sind darüber hinaus Flexibilität und Skalierbarkeit des Systems: BI-Lösungen sind niemals im landläufigen Sinne fertig. Sie werden vielmehr stetig ausgebaut, sei es nun in Hinsicht weiterer fachlicher Anforderungen, Fachbereichen, Anwendergruppen oder auch Datenquellen.


Und: Kämpfen Sie nicht gegen Excel! Kein BI-Tool wird Excel jemals vollständig ersetzen. Setzen Sie stattdessen auf eine Koexistenz-Strategie: Überzeugen Sie die Anwender davon, dass die Nutzung von BI nicht direkt eine fundamentale Änderung der bestehenden Prozesse bedeutet. Die zahlreichen Excel-Lösungen können dabei als «fachliche Prototypen» wichtige Hinweise auf die notwendigen Analyse-Ebenen und -Dimensionen der künftigen BI-Lösung geben. Excel kann und soll weiterbestehen als dynamisches Reporting- und Auswertungswerkzeug. Nicht jedoch als Datenhaltungskomponente.


Zweifellos einer der wichtigsten Schritte ist die Entscheidung für ein spezifisches Produkt sowie die Wahl eines geeigneten Implementierungspartners. Entscheidend hängt diese von den gegebenen Faktoren, sprich den exis-tierenden Systemen, Prozessen sowie vom bestehenden internen Wissen ab. Die Auswahl erfolgt massgeblich anhand des zuvor erstellten Anforderungs-Kataloges. Wurde dieser inhouse erstellt, empfiehlt sich mindestens eine Überprüfung durch ein erfahrenes BI-Beratungshaus. «Auf Basis der Anforderungen kann ein erfahrener Partner schon frühzeitig eine Shortlist von zwei bis drei potenziellen Anbietern und Architekturen zusammenstellen, welche die spezifischen Anforderungen erfüllen», so Zimmermann.


Ein guter Integrationspartner zeichnet sich insbesondere durch einen umfangreichen Strategie- und BI-Implementierungs-Hintergrund aus. Referenzen, Nachweise einer starken Methodologie, Referenz-Architekturen, Success Stories und Best Practices erweisen sich hier als hilfreiche Kriterien. Dabei sollte man nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass der aktuelle Partner stets die beste Wahl ist, sondern den Vergleich von Erfahrung und gegebenenfalls auch Branchenwissen verschiedener Beratungshäuser sinnvoll ist. Nicht vergessen gehen darf dabei aber das Bauchgefühl: Nicht immer ist es sinnvoll, eine Entscheidung nach ausschliesslich kaufmännischen Gesichtspunkten zu treffen. «Um eine professionelle BI-Lösung zu entwickeln, anzupassen und zu implementieren, ist neben dem fachlichen Wissensstand und der Erfahrung vor allem auch eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Dienstleister unerlässlich», erklärt Zimmermann. «Fragen Sie sich deshalb, ob sie sich eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Implementierungspartner vorstellen können.»


Hat ein Unternehmen dann – ob mit oder ohne Unterstützung eines BI-Beratungshauses – die Produktauswahl getroffen, gilt es nichts zu überstürzen. Vor der endgültigen Entscheidung für ein Produkt sollte für drei bis fünf Tage eine Testinstallation vor Ort vorgenommen werden. Wichtig: Für diese intensive Prüfung müssen die Inhouse-Verantwortlichen in IT und Fachbereichen unbedingt die notwendige Zeit einplanen.



Schritt 5: Wie sichere ich den langfristigen Erfolg?

Zu guter Letzt sollte die Umsetzung einer BI-Lösung nicht ausschliesslich als ein Projekt betrachtet werden, sondern als eine Reise zur nachhaltigen Realisierung der Geschäftsziele. Genauso wie die geschäftlichen Anforderungen nahezu täglichen Änderungen unterliegen, gilt dies auch für die BI-Umgebung. Im laufenden Betrieb muss neben der fachlichen Vollständigkeit regelmässig das Change-Management unterstützt werden – und zwar nicht im Sinne des «lästigen Übels», sondern der Chance, schnell reagieren bzw. agieren zu können. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist hier die strikte Trennung zwischen Projekt und Betrieb (beispielsweise durch klare Release-Zyklen).


«Ein interessanter und vielversprechender Weg, das System weiter zu optimieren, ist es, regelmässig zu messen, welche Daten wie oft abgerufen und welche Funktionen tatsächlich von den Mitarbeitern genutzt werden», sagt Zimmermann. Eine Lösung, die flexibel und skalierbar konzipiert wurde, kann im Weiteren genau an die sich verändernden Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden. Und damit langfristig mit dem Unternehmen wachsen.





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