Sun StarOffice 7: Endlich vollwertige Alternative zu Microsoft Office
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/18
Suns StarOffice hatte es bisher schwer: Auf der einen Seite hat man sich mit OpenOffice einen kostenlosen Gegner mit identischer Code-Basis geschaffen, auf der anderen Seite muss man probieren, gegen Platzhirsch Microsoft Office zu bestehen. Dies war für die bisherigen Versionen kein leichtes Unterfangen, denn an Microsoft Office kam man nicht wirklich heran. Und so lautet die Devise für die aktuelle Version, mit noch ausgefeilteren Filtern und besonderen Funktionen einen voll kompatiblen Office-Klon zu erschaffen, um besonders bei Umsteigewilligen punkten zu können.
Wie immer läuft die Installation des Programms, das neben Windows auch auf GNU/Linux und Solaris, aber leider nicht auf MacOS X läuft, recht flott ab. Neben StarOffice 7, dem StarOffice Software Development Kit und dem Java 2 Runtime Environment 1.4.2 wird auch, sofern gewünscht, eine kostenlose Version der Datenbank Adabas D12 installiert. Bei dieser handelt es sich allerdings um eine limitierte Version, die nur drei gleichzeitige Verbindungen erlaubt und deren Datenbanken nicht grösser als 100 MB sein können.
Bezüglich der Performance hat sich im Vergleich zur Vorgängerversion nicht sehr viel getan: Die Office-Suite genehmigt sich noch immer ordentlich Arbeitsspeicher, und auch der Start zieht sich hin, sofern der StarOffice Quickstarter nicht nachhilft, der beim Booten des Betriebssystems geladen wird. Hat man StarOffice aber einmal erfolgreich gestartet, geht die Arbeit flüssig von der Hand. Am Interface wurde kaum etwas verändert, es lässt sich aber relativ leicht an die eigenen Bedürfnisse anpassen. So befinden sich die meisten Neuerungen, die weitgehend den Eigenschaften des vor kurzem freigegebenen OpenOffice 1.1 entsprechen, unter der Haube. Dies, nachdem Sun den Quellcode von StarOffice 5.2 freigegeben hat und sowohl StarOffice als auch OpenOffice nun dieselbe Grundlage besitzen.
Abgesehen von ein paar neu eingefärbten Buttons, die vor allem Umsteigern von Microsoft Office helfen können, sich besser zurechtzufinden, sind ein Navigator-Fenster und ein Style-Switcher die einzigen auffälligen Änderungen am Interface.
Der Navigator hilft dabei, wie der Name schon suggeriert, innerhalb des Dokuments zu navigieren. Das Fenster enthält ein Verzeichnis der im Dokument enthaltenen Objekte wie Überschriften, Bilder, Tabellen oder Indices, was besonders praktisch ist, wenn man grössere Dokumente wie Business-Pläne oder Dokumentationen bearbeitet, die sauber formatiert werden müssen. Den Style-Switcher kann man als Fortsetzung des Navigators ansehen, denn er erlaubt es, den Text schnell und effizient zu formatieren. Natürlich lassen sich diese beiden Funktionen wie bisher auch über die Symbolleisten erreichen.
Eine der markantesten Neuerungen im Format-Bereich, die durch einen dezenten Button verraten wird, ist der PDF-Export, den man sich bei Microsoft Word in Form einer Software eines Drittherstellers dazukaufen muss. Den Vergleich zu Adobes PDFWriter, der im Rahmen von Adobe Acrobat mit immerhin 600 Franken zu Buche schlägt, muss der PDF-Export von StarOffice keinesfalls scheuen: Die Vorlagen werden korrekt umgesetzt, und auch die Qualität ist beachtlich, die Grafiken sowie die Fonts werden gestochen scharf gerendert, und die Dateien sind sogar etwas kleiner. So wird der Austausch von Dokumenten noch weiter vereinfacht.
Im Gegensatz zum Writer ist in Impress, welches das Pendant zu PowerPoint darstellt, neben dem PDF-Export eine weitere Export-Funktion verfügbar. So ist es möglich, eine beliebige Präsentation sowohl in das PDF- als auch das SWF-Format (Flash) zu exportieren. Auch hier verläuft, wie beim PDF-Format, der Export reibungslos, und das Resultat weiss zu überzeugen. Dies ist besonders praktisch und sinnvoll, wenn es darum geht, Präsentationen später im Internet zu veröffentlichen, ohne dass man die Benutzer speziell schulen oder eine Software von einem Dritthersteller hinzukaufen müsste.
Durch die grosse Anzahl von Nutzern der Microsoft-Office-Pakete stehen die Importfunktionen bei alternativen Office-Paketen besonders im Brennpunkt, denn oft, auch wenn das nicht unbedingt zu empfehlen ist, werden die Office-Dateiformate zum Austauschen von Daten verwendet. Entsprechend ist man ohne qualitativ hochwertige Import- und Export-Funktionen für Fremdformate aufgeschmissen, was in den letzten Jahren die alternativen Office-Pakete immer wieder vor grössere oder kleinere Probleme stellte. StarOffice hat aber diesbezüglich einen grossen Schritt vorwärts getan. So stellt beispielsweise der Import des Word-2000-Formats, das auch in Word XP verwendet wird, kein Problem dar. Auch Vorlagenfelder und Makros werden übernommen, wobei VB-Makros noch immer nicht ausgeführt werden können; diese werden aber auch nicht beschädigt und bleiben bei einem allfälligen Speichern im doc-Format erhalten. Wer auf ein pixelgenaues Layout nach dem Import hofft, wird seine Erwartungen aber nicht ganz erfüllt sehen. Leichte Korrekturen sind fast immer nötig, was sich bei PowerPoint-Präsentationen und Excel-Sheets zum Teil ähnlich verhält.
Die fehlende Unterstützung von VB-Makros heisst aber nicht, dass man in StarOffice gänzlich auf Makros verzichten müsste. Ein Makrorekorder zeichnet wiederkehrende Arbeitsabläufe auf und erlaubt es, sie später abzuspielen und somit gewisse Aufgaben halbautomatisch von der Software erledigen zu lassen. Für spezifischere Aufgaben ist das StarOffice Software Development Kit zuständig. Es ermöglicht, StarOffice mit Tools in Java, C++, Basic, OLE oder XML zu erweitern, mit denen auch die ausgefallensten Operationen automatisch durchgeführt werden können.
Neben den Formaten der Microsoft-Office-Pakete werden auch die Formate anderer Office-Lösungen wie Corel WordPerfect in ähnlicher Perfektion unterstützt. Ebenfalls wird dem Trend zu Mobile Devices Rechnung getragen: Auch das Bearbeiten von Palm- und Pocket-PC-Dokumenten stellt für StarOffice 7 keine grosse Hürde dar.
Eine weitere interessante Innovation ist das neue Dateiformat von StarOffice. Wie bei den ersten Previews von Microsofts Office 2003 wird ein komprimiertes XML-Format verwendet, das OpenOffice entlehnt wurde und in Zukunft dem Standardformat aller Wortprozessoren im Linux-Umfeld entsprechen soll. Ein weiterer Vorteil des XML-basierenden Formats ist, dass es einigermassen einfach ist, zuverlässige Import-Funktionen für andere Office-Pakete und Wortprozessoren zu entwickeln.
Viele der Alternativen zu Microsoft Office haben auch mit dem Fehlen einer Alternative zu Access zu kämpfen. Durch die Unterstützung von SQL-fähigen Datenressourcen wie ODBC-Datenquellen und insbesondere MySQL ist es mit dem Excel-Pendant Calc endlich möglich, Access-Daten nach einem manuellem Import in MySQL (beispielsweise über CSV-Dateien) weiter zu benutzen, was, sofern man SQL einigermassen beherrscht, ein sehr mächtiges Gespann darstellt und es ermöglicht, grosse Mengen an Daten effizient zu verwalten. Ein typisches Anwendungsgebiet wäre beispielsweise das Erstellen von
Reports und Statistiken.
Im Überblick lässt sich sagen, dass es sich bei StarOffice 7.0 um eine starke Alternative zu Microsofts Office handelt. Dank der aussergewöhnlich gut arbeitenden Import- und Export-Filter steht einer Zusammenarbeit mit Office-Usern nichts mehr im Wege. Durch die Unterstützung von MySQL ist aus Calc als eigentlichem Excel-Klon auch eine vollständige und leistungsfähigere Alternative zu Access erwachsen. Zwar werden VB-Makros nicht unterstützt, was aber nicht verwunderlich ist, da man doch einige andere Plattformen ausser Windows bedient. Dafür wird einem mit dem Makrorekorder und dem Software Development Kit ein ähnlich mächtiges, wenn nicht sogar mächtigeres Werkzeug, in die Hand gegeben.
Im Preis/Leistungsvergleich kann StarOffice 7.0 das Rennen klar für sich entscheiden. Zwar haben OpenOffice und StarOffice die gleiche Basis, allerdings fehlt OpenOffice eine ausgewachsene Rechtschreibekorrektur sowie der Thesaurus, die Sun von einem Dritthersteller bezogen hat und teilweise die Fähigkeiten von Microsoft Office diesbezüglich in den Schatten stellen. Zum Preis von 140 Franken erhält man zusätzlich noch einen PDF- und Flash-Export, zwei Funktionen, die man sonst für teures Geld von Drittherstellern hinzukaufen muss. Einzig ein PIM wie Outlook fehlt dem Office-Paket, da dieser schon beim Sprung auf die Version 6.0 weggelassen wurde. Dies, nachdem man bei Sun der Meinung war, dass es auf fast allen Plattformen Programme gibt, welche die PIM-Aufgaben besser als der ehemalige StarOffice-Bestandteil erledigen.
Durch die Unterstützung von GNU/Linux und Solaris neben Windows ist es auch möglich, einzelne Arbeitsplätze in einem Unternehmen umzustellen, ohne auf die grundlegenden Funktionen von Microsoft Office verzichten und Reibungsverluste durch permanentes Konvertieren und Nachbearbeiten in Kauf nehmen zu müssen. Das ist in Zeiten, in denen Lizenzkosten gespart werden müssen, besonders wichtig. Das einzige Haar in der Suppe ist der fehlende Support für MacOS X, was man aber schon von OpenOffice her kennt. Glücklicherweise lassen Aussagen von OpenOffice-Entwicklern darauf hoffen, dass langfristig mit einem nativen Support für MacOS X gerechnet werden kann, der dann wohl auch Einzug in StarOffice finden dürfte.