Die Schweizer Game-Design-Branche hat eine neue Drehscheibe: In der Halle 87 S in Zürich Oerlikon hat die als Verein organisierte Non-profit-Organisation
Swiss Game Hub Anfang 2025 mit all ihren angeschlossenen jungen sowie etablierten Unternehmen ein neues Zuhause bezogen. Der Swiss Game Hub sieht sich selbst in einer Inkubator-Rolle und dient dem Schweizer Spielentwicklungs-Ökosystem primär als Co-Working- und Kollaborationsplattform. Weiter soll auch die Vernetzung – sowohl innerhalb der Szene als auch nach aussen – vorangetrieben und aktiv gefördert werden.
Auf den folgenden Seiten wagen wir einen Blick hinter die Kulissen des neuen Swiss Game Hub mit seiner Geschichte, den erklärten Zielen und zu erwartenden Entwicklungen. Ausserdem präsentieren wir eine Auswahl einiger Firmen aus dem Oerlikoner Spielentwicklungszentrum in Form von kurzen Portraits (siehe Boxen), die die Vielfalt der ansässigen Spieleindustrie etwas widerspiegeln.
Platzprobleme und Professionalisierung
Der «alte»
Swiss Game Hub fand sich im Zürcher Kreis 4, wo sich die Organisation seit 2019 in einem zugegebenermassen recht heruntergekommenen Bau einmietete. Ein Stück weit passte das wohl zur Grassroot-geprägten Schweizer Game-Design-Szene. Gemessen an der Tatsache, dass die Game-Industrie sowohl im Unterhaltungs- als auch im B2B-Bereich mittlerweile ein Milliardengeschäft geworden ist und die Schweizer Spielentwickler heute einen beeindruckenden Output vorweisen können, ist ein Schritt in Richtung mehr Professionalisierung aber mit Sicherheit eine wünschenswerte Entwicklung.
Da der Platz am alten Standort knapp wurde und der Mietvertrag auslief, musste ein neuer Standort her. Diesen fand die Organisation nun bei der Stadt Zürich in Form der alten Bahn-Halle 87 S mit Backsteinfassade in Zürich Oerlikon in unmittelbarer Nähe einiger bekannten Event-Locations (Halle 622, StageOne, MFO-Park etc.).
Mehr als 100 Personen aus rund 15 Start-ups und etablierten Firmen tummeln sich heute in der neuen Halle des Swiss Game Hubs. Die Co-Working-Arbeitsplätze können grundsätzlich von jedermann gemietet werden. (Quelle: Swiss IT Magazine)
Ateo (zahlreiche AR-/VR-Projekte und Games für B2B-Kunden)
Mit seinem mehr als zehnjährigen Bestehen ist
Ateo technisch gesehen kein Start-up mehr, widerspiegelt aber gut die Diversität der Studios im
Swiss Game Hub. Als fast ausschliesslich B2B-spezialisierte Digitalagentur entwickelt das Unternehmen um Gründer und Geschäftsführer Sebastian Tobler AR-, VR- und Mixed-Reality-Experiences sowie Games für namhafte Kunden aus unterschiedlichsten Branchen.
Mehr als nur ein Umzug
Mit dem neuen Zuhause startet der
Swiss Game Hub nun auch in ein neues Kapitel. Und, wie im Gespräch mit Swiss Game Hub Co-Director Sebastian Tobler und Vorstandsmitglied Samuel Vonäsch klar wird: Das Ganze ist mehr als ein Umzug. Der Start des «Game Hubs 2.0» ist ein wichtiger und strahlkräftiger Schritt im Reifeprozess einer gewissermassen schwer greifbaren Sub-Branche im hiesigen IT-Zirkus.
Mit der neuen Location wuchs der Platz im Hub schlagartig von 500 auf 2500 Quadratmeter, die Zahl der Arbeitsplätze von gut 60 auf mehr als 150. Der damit zusätzlich verfügbare Platz besteht zum einen aus Meeting- und Kollaborationsräumen und zweitens aus flexibel nutzbarem Raum, in dem verschiedene Events durchgeführt werden. Dazu später mehr.
«Es gab Bedenken, dass sich diese riesige Halle nicht füllen und damit leer anfühlen könnte – das Gegenteil ist in den ersten Monaten nun passiert. Ich hätte mir die Resonanz auf unser Angebot nicht schöner vorstellen können!», wie sich Co-Director Sebastian Tobler freut.
Sebastian Tobler, Co-Director, Swiss Game Hub (Quelle: Swiss Game Hub)
Business-Center statt Developer Safe Space
Im neuen Hub sind Stand März bereits mehr als 100 Arbeitsplätze besetzt, rund 15 Firmen haben sich angesiedelt. Die Mehrheit davon sind Studios und Einzelpersonen, die hier an Spielen arbeiten. Aber auch Game-verwandte Unternehmen nutzen den Hub: Das Start-up
Meta Root (siehe Box) beispielsweise entwickelt keine Spiele, sondern hat sich dem Publishing und Marketing von Games verschrieben. Eine wertvolle Ergänzung des Umfeldes – denn viele Studios tendieren dazu, sich auf die Entwicklerkompetenz statt auf Themen wie das Go to Market zu konzentrieren.
Ein weiteres nennenswertes Beispiel für die Erweiterung des Hubs durch ein «fachfremdes» Unternehmen: Derzeit ist ein Einzug des ETH AI Accelerators im Gespräch. Verhandlungen dazu laufen noch.
Nicht zuletzt also durch den Aufbau eines durchgängigen Ökosystems, das über die reine Entwicklung von Spielen hinausgeht, erhofft man sich, Professionalität, Effizienz und Erfolg der hiesigen Branche weiter voranzutreiben. «Wir möchten nicht einfach nur ein Safe Space für Entwickler sein», wie Sebastian Tobler betont. «Die Branche ist so viel mehr als Devs und Designer. Sie besteht aus vielen Puzzleteilen, die ineinandergreifen. Das ist es, was es braucht, um wirklich Impact zu haben.» Mit der neuen Location wolle man mehr Offenheit wagen und pflegen, die man – nur schon platzbedingt – bis anhin nicht bieten konnte.
Blobfish Games (Brotato)
Nach zwei kleinen Titeln mit mässigem Erfolg entwickelte der Franzose Thomas Gervraud mit Brotato einen internationalen Top-Hit – es ist mit Abstand der erfolgreichste Titel aus dem Hub. 2023 gründete der Solo-Entwickler das im
Swiss Game Hub ansässige Studio
Blobfish Games und veröffentlichte die erste Erweiterung für Brotato. Mittlerweile arbeiten vier Personen für Blobfish Games, neue Titel sind bereits in Planung.
Platz für alle
Rund 50 Arbeitsplätze warten derzeit also noch darauf, gefüllt zu werden. Verfügbar sind neben Flex Spaces, die kurzzeitig gemietet werden können, auch Fixed Desks für die Langzeitmiete sowie freie Flächen, in denen sich Firmen und Einzelpersonen einmieten könnten. Wie erwähnt, richtet man sich dabei nicht nur an Spielentwickler: Alle, denen der Vibe zusagt, dürfen sich für Arbeitsplätze bewerben, die Plätze für Spielentwickler und -designer sind aber etwas günstiger. Mit der Kalkulation sei man kostendeckend, aber, so Tobler ergänzend: «Ohne die Subventionen in Form des Miet-Deals mit der Stadt Zürich wäre das ehrlicherweise nicht möglich.»
Denn: Die Miete der Halle wird von der Stadt unterstützt, die tatsächlichen Mietkosten könnte sich die Organisation derzeit wohl nicht leisten. «Diese Halle ist damit wahrscheinlich die grösste Förderung einer einzelnen Initiative für die Game-Branche, die es in der Schweiz je gab», so Samuel Vonäsch ohne Umschweife. Genaue Zahlen zum Deal werden nicht bekannt gegeben, Tobler gibt aber einen Anhaltspunkt: «Die Unterstützung, die uns die Stadt hier indirekt zukommen lässt, entspricht wohl etwa der Hälfte der Summe, die der Kanton Zürich unlängst für die Förderung der Game-Industrie gesprochen hat. Klar ist aber, dass wir ohne diese Unterstützung gar nicht erst eine so grosse Location bezogen hätten.» Bei der genannten Förderung des Kantons handelt es sich um 4,5 Millionen Franken Kulturförderung, die via Zürcher Filmstiftung in den nächsten drei Jahren in die Bereiche Games und neue Medien fliessen sollen. Weiter fördert auch die Kunst- und Kulturstiftung Pro Helvetia seit Jahren Schweizer Game-Entwickler.
Samuel Vonäsch, Vorstandsmitglied, Swiss Game Hub (Quelle: Swiss Game Hub)
Das Risikogeschäft Game-Entwicklung
Wichtig zu wissen ist, dass Games, unter anderem aufgrund des recht übersättigten Marktes, nach wie vor ein Hit-driven Business sind – ein Risikogeschäft. Als Medium sind Videospiele derweil im Dreieck zwischen Unterhaltung, B2B- respektive Agentur-Arbeit und Kulturgut anzusiedeln.
Das spiegelt sich auch in der Oerlikoner Halle wider: Im Hub finden sich sowohl Firmen hinter international erfolgreichen Hits (bspw.
Blobfish Games oder Stray Fawn), erfahrene Digitalagenturen (bspw. Ateo) als auch kleinere Projekte, die wohl eher im Kunst- und Kultur-Sektor anzusiedeln sind.
Die harte Realität der Branche ist: Etwa neun von zehn Games spielen das investierte Geld nie wieder ein. Projekte, die es in die Gewinnzone schaffen, können derweil aber regelrecht explodieren und beeindruckende Gewinne generieren. Und das kommt letztlich auch dem Land als Innovations- und Wirtschaftsstandort und dem Staat in Form von Unternehmenssteuern zugute.
Meta Root (Publishing & Marketing)
Meta Root, bestehend aus Andri, Nathalie und Flurin Weidmann, ist als Game Publisher und Marketingspezialist für Kreativunternehmen eines der Unternehmen im
Swiss Game Hub, die sich nicht direkt mit der Entwicklung von Spielen beschäftigen. Die Tätigkeit des Start-ups geht weit über den Hub hinaus: Dank Zusammenarbeiten mit dem schwedischen Studio Frogsong oder Kickbuzz aus Deutschland ist
Meta Root bereits international tätig.
Schnittstelle zur Öffentlichkeit
Wie eingangs erwähnt, setzt sich der Game Hub stark für die Vernetzung innerhalb der Branche wie auch mit der Öffentlichkeit ein, unter anderem mit Events, die Möglichkeiten für tiefere Einblicke bieten.
An die hiesige Dev-Community gerichtet organisiert der Hub etwa den monatlichen Event Game Space. Hier halten Entwicklerinnen und Entwickler aus der Branche Vorträge und Diskussionsrunden über verschiedenste Themen rund um die Spielentwicklung. Samuel Vonäsch: «Das reicht von Deep Dives zu technologischen Fragen bis hin zu Post-mortem-Analysen nach Game-Releases.»
Sowohl an die Öffentlichkeit als auch an die Szene gerichtet ist derweil die ebenfalls monatlich stattfindende Testing Night. Im Rahmen dieser können die Devs – auch Entwickler von ausserhalb des Game Hubs – ihre Spiele und VR-Experiences präsentieren und diese gegenseitig testen. Die Veranstaltung findet immer am letzten Mittwoch des Monats ab 19 Uhr statt, Details gibt’s auf der Page des Swiss Game Hubs.
Wie Vonäsch ergänzt, strebt man letztlich etwa eine Veranstaltung pro Woche an, denkbar seien verschiedenste Formate für die Dev-Szene, die Gaming-Community oder das Business. «Wir möchten gerne mehr Schnittmengen finden, um diese verschiedenen Gemeinschaften näher zusammenzubringen.»
Und eine gute Gelegenheit für einen Besuch steht kurz bevor: Am 26. April findet die offizielle Eröffnungsparty des neuen Swiss Game Hubs statt, zu dem auch die Öffentlichkeit, Anwohner und alle anderen Interessierten willkommen sind.
Stardust (Grimoire Groves, Ava)
Das Studio
Stardust sieht in seinen Titeln laut eigener Aussage mehr als simples Entertainment. Im Fokus steht die Entwicklung von Games mit Mehrwert sowie die bewusste Pflege von Diversität – sowohl das Stardust-Team als auch die Zielgruppe betreffend. Im März 2025 erschien mit Grimoire Groves unlängst der bisher aufwändigste Titel des Studios.
Der Hub in der Vermittlerrolle
«Unser Ziel als Verein und Non-Profit-Organisation
Swiss Game Hub ist klar definiert: Die Förderung von Videospielen in der Schweiz. Wir wollen, dass es hier eine richtige Game-Branche gibt. Und genau darauf arbeiten wir hin», so Tobler. Vonäsch ergänzt lächelnd: «Ein Etappenziel ist nun, dass wir 2030 eine grössere Halle brauchen!» Bis dahin läuft der Mietvertrag für die Zwischennutzung mit der Stadt. Wie es weitergeht, wird sich in den kommenden Jahren und allerspätestens im Hinblick auf 2030 zeigen.
Wie bereits erwähnt, geht das Engagement des Vereins aber durchaus über die reine Förderung der Game-Branche hinaus. Unternehmen, Teams und Einzelpersonen, die nach fixen oder flexiblen Arbeitsplätzen in der Region suchen, können sich für die noch offenen Arbeitsplätze bewerben. Im besten Fall findet sich dabei eine Schnittmenge zu anderen Unternehmen im Hub, zwingend ist das aber nicht. Weiter übernimmt die Organisation auch eine Vermittlerrolle und leitet an Zusammenarbeit interessierte Unternehmen an die passenden Personen und Firmen im Hub weiter.
Ob der neue Swiss Game Hub der hiesigen Videospiel-Branche nun wirklich den erhofften Publicity- und Produktivitätsschub verpasst, bleibt abzuwarten. Spannend ist das Projekt aber allemal, ein Besuch lohnt sich.
Stray Fawn Studio (Niche, The Wandering Village, Dungeon Clawler)
Die Co-Gründerin von Stray Fawn Philomena Schwab ist die wohl prominenteste Person der Schweizer Game-Design-Branche und Vorstandsmitglied der Swiss Game Designers Accociation (SGDA). Das 2016 gemeinsam mit Micha Stettler gegründete Studio kann eine Reihe erfolgreicher Spiele vorweisen, der aktuellste Titel, Dungeon Clawler, ist im Early Access bereits spielbar und erfolgreich. Weiter engagiert sich Stray Fawn seit 2023 auch als Publisher für Games anderer Schweizer Studios.