Die Schweizer Softwareindustrie ist eine dynamische und vielseitige Branche, die sich durch eine breite Palette von Unternehmen auszeichnet – von kleinen und mittleren Unternehmen bis hin zu internationalen Grosskonzernen. Mit rund 18’000 Softwareunternehmen, die in verschiedenen Bereichen tätig sind, spielt die Softwareentwicklung eine zentrale Rolle in der Schweizer Wirtschaft. Die Unternehmen zeichnen sich durch ihre hohe Innovationskraft und die Fähigkeit aus, qualitativ hochwertige Lösungen zu liefern. Diese Stärke spiegelt sich in einem kontinuierlichen Umsatz- und Mitarbeiterwachstum wider, trotz der Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel und der hohen Kostenstruktur.
Vielfältige Landschaft
Die Schweizer Softwarebranche ist wie eingangs bereits erwähnt durch ein breites Spektrum an Softwareunternehmen unterschiedlicher Grösse geprägt. Die grosse Mehrheit der rund 18’000 Softwareunternehmen sind dabei kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten. Jedoch hat die Anzahl Grossunternehmen in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen, so dass man im Jahr 2021 47 solcher Unternehmen zählte.
Die Schweizer Softwareindustrie ist vielfältig und die Unternehmen sind in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen aktiv. Dabei fokussieren rund zwei Drittel der Softwareunternehmen auf die Entwicklung von Standard- und Individualsoftware. Weitere 10 Prozent der Unternehmen konzentrieren sich auf die softwarenahe Beratung und rund 8 Prozent auf die Integration von Softwarelösungen. Der Rest der Softwareunternehmen spezialisiert sich auf die Bereitstellung von Dienstleistungen und Technologien. Durch diese Tätigkeit sind die Schweizer Softwareunternehmen in der Lage, wirtschaftlich nachhaltig zu operieren. So konnte in den letzten zehn Jahren ein durchschnittliches Umsatzwachstum von rund 4,5 Prozent erreicht werden. Auch die Margen der Softwareunternehmen haben sich in den vergangenen Jahren stabil entwickelt. Im Jahr 2023 konnten die Schweizer Softwareunternehmen im Durchschnitt ein EBIT von knapp unter 10 Prozent realisieren. Das wirtschaftliche Wachstum widerspiegelt sich auch im Wachstum bezüglich den Mitarbeitenden, welches in den letzten zehn Jahren bei rund 5 Prozent jährlich lag. Der Anstieg des Personals hat sich über diese Periode hinweg stabil entwickelt. Und auch in den Jahren 2023 und 2024 wird ein Wachstum von knapp unter 5 Prozent erwartet.
Über den Swiss Software Industry Survey
Der SSIS (Swiss Software Industry Survey) ist eine Umfrage der Universität Bern, welche in Zusammenarbeit mit Swico und Sieber&Partners jährlich durchgeführt wird. Es handelt sich dabei um eine der grössten wissenschaftlich fundierten Datenerhebungen in der Softwarebranche weltweit. Der Fokus liegt auf der Erhebung von wirtschaftlichen Kennzahlen der Schweizer Softwareindustrie sowie eines jährlichen Spezialthemas, welches vertieft erforscht wird. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse aus den letzten Datenerhebungen. Die
vollständigen Reports sind hier zu finden.
Kunden und Markt
Das Branchenwachstum ist auf die breit aufgestellte Kundenbasis der Schweizer Softwareunternehmen zurückzuführen. Zu den wichtigsten Industrien für die Schweizer Softwarebranche gehören die fertigende Industrie, die Finanz- und Versicherungsbranche sowie der Handel und die Telekommunikation. Jedoch ist nicht nur die Privatwirtschaft für die Softwarebranche relevant, sondern auch der öffentliche Sektor. So erwirtschaften die Schweizer Softwareunternehmen rund einen Fünftel ihres Umsatzes mit Anwendungen für die Verwaltung. Dabei werden besonders Individualsoftwarelösungen von der öffentlichen Verwaltung nachgefragt. Es gibt jedoch auch deutliche Unterschiede zwischen den zwei Haupttätigkeitsfeldern der Softwarebranche, der Standard- und Individualsoftware. So sind die öffentliche Verwaltung sowie die Finanz- und Versicherungsbranche besonders für die Individualsoftwareunternehmen relevant. Auf Standardsoftware spezialisierte Unternehmen erwirtschaften derweil einen Grossteil des Umsatzes ohne klaren Branchenfokus, was sich durch die Eigenschaften ihrer Software erklären lässt.
Die Schweizer Softwareindustrie fokussiert sich stark auf den inländischen Markt, rund 93 Prozent des Umsatzes im Jahr 2023 wurde in der Schweiz erwirtschaftet. Nur rund 7 Prozent des Umsatzes wird derweil auf dem internationalen Markt erzielt, wobei die wichtigsten Kunden und Kundinnen aus den Nachbarländern (Deutschland, Frankreich) sowie den USA und Grossbritannien kommen. Auch im internationalen Absatz lässt sich ein Unterschied zwischen den Standard- und Individualsoftwareherstellern feststellen. So sind Standardsoftwareunternehmen deutlich erfolgreicher, ihre Produkte und Dienstleistungen auf dem internationalen Markt anzubieten.
Als weiterer Faktor des internationalen Marktes ist für die Schweizer Softwareunternehmen das Sourcing von zentraler Bedeutung. Rund zwei Drittel der Schweizer Softwareunternehmen betreiben eine Form des Sourcings (Bezug von Leistungen von eigenen Gesellschaften, externen Unternehmen oder beides). Dabei wird zu einem grossen Anteil auf externe Dienstleister zurückgegriffen, aber auch eigene Subunternehmen kommen vermehrt zum Einsatz. Diese befinden sich häufig im Bereich des Nearshorings, also dem nahegelegenen Ausland. Offshoring kommt bei den Schweizer Softwareunternehmen nur selten vor. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Softwareunternehmen in der Auswahl der Standorte fürs Sourcing besonders Wert auf den Zugang zu Fachkräften, die Erreichbarkeit des Standortes, die kulturelle Nähe sowie die rechtliche und politische Stabilität legen. Das Sourcing von Schweizer Softwareunternehmen ist auf den Mangel an verfügbaren Fachkräften zurückzuführen, welcher durch das Sourcing kompensiert werden soll.
Entwicklung Softwareindustrie und Herausforderungen
Die Schweizer Softwarebranche hat sich in den letzten zehn Jahren gut entwickelt. Dabei konnten die Unternehmen ein nachhaltiges Wachstum verzeichnen. Jedoch sieht sich die Branche auch mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Der Zugang zu Fachkräften in der Schweiz begrenzt das Wachstum der Softwareunternehmen. Dies zeigt sich auch in der Zeit, welche benötigt wird, um eine offene Stelle zu besetzen, welche in der Softwarebranche mit rund 81 Tagen deutlich über dem Wert von anderen Branchen liegt. So hat die mangelnde Verfügbarkeit von Fachkräften das Wachstum von rund der Hälfte der Unternehmen negativ beeinträchtigt. Um dem entgegenzuwirken, fokussieren sich die Softwareunternehmen besonders auf die Gewinnung von Frauen und Berufseinsteigern als Mitarbeitende. Auch die vermehrte Investition in Ausbildungsplätze wird als möglicher Lösungsansatz gesehen. Zudem wollen sich die Unternehmen verstärkt auf die Bindung der Mitarbeitenden fokussieren, indem attraktive Arbeitsmodelle, Kompensationen und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden.
In der Generierung von Umsatz setzen die Schweizer vermehrt auf neue Abrechnungsmodelle. So wurde in der Vergangenheit ein Grossteil der Leistungen nach fixen Preisen oder nach Aufwand verrechnet. Jedoch werden Abrechnungsmodelle nach Verbrauch, vor allem für Standardsoftwarehersteller, immer wichtiger.
Die Schweizer Softwareindustrie unternimmt auch grosse Investitionen in die Forschung und Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen. So investierten die Unternehmen im Jahr 2022 im Durchschnitt 5,9 Prozent ihres Umsatzes in ihre Innovationsfähigkeit. Besonders Standardsoftwarehersteller investieren mit 20 Prozent ihres Umsatzes hohe Summen in Produktinnovationen.
Die Entwicklung des Wachstums der Mitarbeitenden in der Softwarebranche. Die Zahlen bis 2022 stammen vom Bundesamt für Statistik, bei den Werten für 2023 und 2024 handelt es sich um Schätzungen seitens SSIS. (Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik/Universität Bern)
Starke und vielseitige Branche
Insgesamt zeigt sich die Schweizer Softwareindustrie als eine starke und vielseitige Branche, die durch ihre Innovationskraft und hohe Qualität besticht. Sie spielt eine zentrale Rolle in der nationalen Wirtschaft und hat sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. Trotz ihrer Stärken steht die Branche vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Fachkräftemangels. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen verstärkt in die Ausbildung und Gewinnung von Talenten investieren und flexible Arbeitsmodelle bieten. Die zunehmende Bedeutung internationaler Märkte und das Sourcing von Fachkräften im nahegelegenen Ausland werden ebenfalls entscheidend sein. Insgesamt bietet die Schweizer Softwareindustrie jedoch ein solides Fundament für zukünftiges Wachstum und Innovation.
Exkurs Nachhaltigkeit
Die Nachhaltigkeit wird auch in der Softwarebranche zunehmend wichtiger. Insbesondere die öffentliche Verwaltung als ein grosser Abnehmer von Schweizer Software und deren verstärkte Bemühungen, Nachhaltigkeit in öffentlichen Beschaffungen zu berücksichtigen, treibt die Relevanz des Themas weiter voran. Obschon Software eine grosse Bedeutung zur Verbesserung der Nachhaltigkeit zugeschrieben wird (z.B. durch die Reduktion von Reisen oder des Papierverbrauchs), rückt vermehrt auch die Nachhaltigkeit von Softwareprodukten und deren Entwicklung in den Fokus. Dabei werden insbesondere ökologische und soziale Aspekte immer wichtiger.
Die Schweizer Softwarebranche verspürt aktuell noch wenig Druck, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu intensivieren. Es ist jedoch zu erwarten, dass der regulatorische Druck und die Nachfrage von Kundenseite in den nächsten Jahren zunehmen werden. Zudem legt ein Grossteil der Softwareunternehmen Wert auf Nachhaltigkeit, was sich auch in den Strategien der Unternehmen widerspiegelt. Dadurch wollen die Unternehmen insbesonders auch durch ihre Mitarbeitenden als nachhaltig wahrgenommen werden, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu verbessern.
Auch im Prozess der Softwareentwicklung werden nachhaltige Praktiken immer wichtiger. Ein Grossteil der Unternehmen hat bereits entsprechende Praktiken etabliert, welche die Nachhaltigkeit verbessern. Diese sind jedoch häufig etablierte Praktiken in der Softwareentwicklung, wie Wiederverwendung von Code, Standardisierung oder Automatisierung. Diese Praktiken zielen auch primär auf die ökonomische Nachhaltigkeit ab. Praktiken, welche primär auf die soziale und ökologische Nachhaltigkeit abzielen, sind noch wenig verbreitet. So prüfen nur einzelne Unternehmen den Energieverbrauch ihrer Software oder die Accessibility. Die eingeschränkte Verbreitung dieser Praktiken ist vor allem auf die mangelnde Verfügbarkeit von etablierten Standards und verlässlichen Messkriterien zurückzuführen. Zudem ist die Softwarebranche eine dynamische Industrie mit einem hohen Zeitdruck in der Entwicklung von Software, wodurch der Fokus primär auf der Erfüllung der Kundenforderungen liegt.
In Zukunft ist zu erwarten, dass besonders sozial und ökologisch nachhaltige Praktiken immer wichtiger werden, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren und der steigenden Nachfrage auf dem Markt gerecht zu werden. Zudem zeigen erste Studien, dass nachhaltige Praktiken in der Softwareentwicklung auch einen geschäftlichen Mehrwert haben. So werden diese Unternehmen als innovativer wahrgenommen und können ihre Kosten optimieren. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich die Schweizer Softwareindustrie und einzelne Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit positionieren werden. Die starken strategischen Bemühungen deuten jedoch auf die Wichtigkeit der Thematik hin und müssen insbesondere noch auf der operativen Ebene stärker etabliert werden.
Die Autoren
Simon Perrelet ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bern. Er forscht zu digitalen Innovationen, Startups und der Softwareindustrie.
Prof. Dr. Jens Dibbern ist Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bern. Er forscht zu Outsourcing, Enterprise Software, Plattformen und Ecosystemen.
Mayra Spizzo ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bern. Sie forscht zu Mensch-KI Interaktionen und untersucht, welchen Einfluss Künstliche Intelligenz auf die Entscheidungsfindung des Menschen haben kann.
Simon Perrelet (Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik/Universität Bern)
Prof. Dr. Jens Dibbern (Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik/Universität Bern)
Mayra Spizzo (Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik/Universität Bern)
Prof. Dr. Jens Dibbern (Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik/Universität Bern)
Mayra Spizzo (Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik/Universität Bern)