Der auf Schweizer Geschichte spezialisierte Verlag Hier und Jetzt publizierte im Herbst 2023 das Werk «Inside Abacus und die verrückte Geschichte der Schweizer IT-Branche», geschrieben vom Schweizer Tech-Journalismus-Veteran Christoph Hugenschmidt. Das Buch, so heisst es im Prolog, handle von «einer Firma, in der den Chefs die Qualität der Wurst wichtiger ist als ihr Ego und in der Wachstum und Geld nicht das Ziel sind. Und die deshalb so gross und reich geworden ist». Dennoch, soviel wird bei der Lektüre schnell klar, ist es aber kaum die Gewürzmischung in der berühmten St. Galler Bratwurst, die zur Dominanz der Ausnahmeerscheinung Abacus geführt hat. Vielmehr dreht sich die Geschichte um Zusammenhalt, um Netzwerke, um Innovationsgeist – aber auch um eine Kopf-durch-die-Wand-Mentalität und einen gewissen Opportunismus.
Tief im Hasenbau
Gut strukturiert und mithilfe zahlreicher Insider-Stimmen dokumentiert Hugenschmidt die knapp 40 Jahre alte Geschichte des Spezialisten für Business-Software: Angefangen mit der Gründung im Jahr 1985 über die zahlreichen Entwicklungsschritte der Abacus Software Suite und die öffentlichkeitswirksamen Rechtsstreitigkeiten bis hin zur nach wie vor laufenden Neuorientierung des Unternehmens.
Trotz des überschaubaren Umfangs des Buches erinnert das verworrene und dichte Geflecht aus kleinen bis riesigen Unternehmen, Persönlichkeiten der hiesigen IT-Branche und zahlreichen Konfrontationen ein bisschen an «Game of Thrones». Die Lektüre erfordert dementsprechend aufmerksames Lesen, denn den Überblick über die verschiedenen Fürstentümer (Firmen), Adelsleute (Inhaber und Manager) und Kriege (Übernahmen und Rechtsstreitigkeiten) zu behalten, ist in gewissen Kapiteln herausfordernd. Aber eben doch aufregend und durchaus fesselnd. Und wer «die Guten» ganz genau sind, lässt sich auch nicht immer abschliessend sagen.
Permanent im Zentrum des Geschehens: Abacus – dargestellt als Unternehmen, das die Dinge immer etwas anders angeht als der Rest. Wenn es etwa um die Grosszügigkeit und die Bescheidenheit der Inhaber geht, klingt das zuweilen romantisierend. Es gibt zwar durchaus auch kritische Blickwinkel («mit Abacus kann man einfach nicht geschäften», so etwa Opacc-CEO Beat Bussmann), dennoch muss zwecks Transparenz wohl angemerkt werden, dass Abacus-Co-Inhaber Claudio Hintermann Ideengeber und Financier des Buches war. Hugenschmidt beteuert im Schlusswort jedoch, dass die Abacus-Chefetage – abgesehen von Faktenchecks – inhaltlich niemals eingegriffen hat.
Insider-Blick für Affine
Mit dem Buch richtet sich der IT-Branchen-Insider Hugenschmidt, der unser Schwestermagazin «Swiss IT Reseller» aufbaute und mehrere Jahre als Chefredaktor leitete, ehrlicherweise vor allem an Leser der Schweizer IT-Fachpresse. Denn die bereits angemerkte Dichte an Informationen in einzelnen Kapiteln erfordert entweder entsprechendes Vorwissen oder eine stabile Portion Faszination für die hiesige IT- und Software-Branche, damit man beim Lesen am Ball bleibt.
Trotz einigen Abschnitten, in denen es um die Branche als Ganzes geht, ist «Inside Abacus und die verrückte Geschichte der Schweizer IT-Branche» unter dem Strich mehr Firmenportrait als kritische Aussenbetrachtung. Das macht das Buch aber nicht weniger lesenswert. Denn gewisse Fakten um die Firma herum sind unbestritten einzigartig und faszinierend – etwa, dass Abacus nie verkauft wurde oder die Kaltschnäuzigkeit, mit der sich das Unternehmen über die Jahre hinweg mit Konkurrenten, staatlichen Stellen und eigenen Partnern anlegte. Ein zuweilen unterhaltsamer Blick hinter die Kulissen der Schweizer Software-Branche, der sich durchaus lohnt, wenn man entsprechend gepolte Interessen hat.
«Inside Abacus und die verrückte Geschichte der Schweizer IT-Branche» ist in Deutsch und Französisch im Hier und Jetzt Verlag als gebundene Version (Hardcover) oder als E-Book für 36 Franken zu haben.
Der Buchautor
Christoph Hugenschmidt stieg 1999 als Chefredaktor bei «Swiss IT Reseller» in den Schweizer IT-Journalismus ein, 2004 rief er gemeinsam mit Hans Jörg Maron die Plattformen «Inside IT» und «Inside Channels» ins Leben. 2021 verkaufte und verliess Hugenschmidt den eigenen Verlag und arbeitet seither als freischaffender Texter, Referent und Berater.
