Digital Education ohne Medienbrüche
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Digital Education ohne Medienbrüche

Es herrscht kaum Einigkeit, was die Begriffe Digital Education, Digitale Schule und Digitales Klassenzimmer wirklich bedeuten. Hardware ist dabei nur der Anfang – sowohl Unterricht wie auch die Schuladministration müssen frei von Medienbrüchen sein.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/11

     

Es ist ein Unterschied, Bildungseinrichtungen mit digitaler Infrastruktur auszurüsten, einen Schulbetrieb zu digitalisieren (Administration) oder den Unterricht (Didaktik, Pädagogik, Methodik, Curriculum) und Lehrmittel (praktische Eignung) digital anzupassen. Die Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern, zwischen Schülern und Lehrern oder Schülern untereinander muss funktional und datenschutzkonform gewährleistet sein. Wo digital gearbeitet wird, muss das frei von Medienbrüchen passieren – hinzu kommen Fragen etwa zum Umgang mit KI und freiem Content. Zudem variieren die Anforderungen bei den unterschiedlichen Bildungsstufen.


Die bisher genannten Kriterien sind nur eine Meta-Ebene. Das lässt erahnen, wie detailliert konkrete Erwartungen und Bedürfnisse der Nutzerebene von IT-Projektplanern in Anforderungen übersetzt werden müssen. Nachfolgend eine gedankliche Reise, die Klarheit schaffen soll, was Digital Education und damit auch medienbruchfreies Arbeiten genau bedeutet.

Digitale Medien als Basis

Die Nutzung digitaler Geräte im Unterricht nimmt Jahr für Jahr zu. Laut der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung ist der Zugang zum Internet für Schüler in der Deutschschweiz praktisch Standard, rund 90 Prozent nutzen Computer in der Schule. Daneben werden Smartphones von über 60 Prozent der Schüler täglich genutzt. Fast 80 Prozent arbeiten mit Suchmaschinen, immerhin noch über 70 Prozent mit diversen Lernplattformen. Die Zahlen betreffen Schüler bis und mit Sekundarstufe.

Auch die Schulen rüsten auf, aus Kostengründen auf unterschiedliche Art. AV-Technik, also Präsentationslösungen wie grosse Touch-Displays oder ausgereifte digitale Tafeln, lösen Schritt für Schritt die traditionelle Wandtafel ab. Dabei sind die Unterschiede bei den Lösungen gross. Basierend auf Schätzungen von Distributionsexperten dürfte die Ausstattungsrate mit einer solchen Lösung in Schulen der Deutschschweiz bei über 80 Prozent liegen – was nicht impliziert, dass alle Klassenräume in allen Klassenstufen entsprechend ausgerüstet sind. Hier gibt es viel Nachholbedarf bei den Schulen.


Die genannten Zahlen zu den Gerätenutzungen betreffen private Geräte. Der anfängliche Ansatz, Endgeräte zentral von der Schule aus zu vergeben, wurde vielfach wegen der Kosten verworfen und ist praktisch nur in einigen Fällen aus Sicht der Nutzer durchsetzbar oder sinnvoll. Ein zentrales Device-Management ist daher in der Regel selten möglich. Anders ist das natürlich bei den von der Schule angeschafften AV-Systemen und Peripherie-Geräten – die zentral gemanagt werden sollten.

Bring your own Device (BYOD) ist die Regel und faktisch auch kein Problem im Orchester. Die Anbieter von AV-Systemen wissen das, ebenso wie Anbieter von Software und Peripherie-Geräten. Ob Windows, Apple oder Android; hier gibt es aus Gerätesicht faktisch keine Probleme mit Inkompatibilitäten.

Die Digitale Schule

Die Digitale Schule ist die rein administrative Seite von Digital Education. Hier geht es nur um Prozesse: digitale Kommunikation von Stundenplänen, Raumplänen, Vertretungen, die Interaktion zwischen allen Beteiligten oder die Verwaltung von Leistungsprofilen und -fortschritten. Diese Aufzählung ist beispielhaft, nicht erschöpfend. Hierfür gibt es mittlerweile diverse Tools: einerseits Gesamtlösungen, in der Regel aus der Cloud und modular aufgebaut, andererseits spezifische Lösungen wie beispielsweise Professional Secure Messaging. Messaging-Anwendungen dienen in der Regel einem Zweck, manchmal auch mehreren, beispielweise der Kommunikation zwischen Schule und Eltern oder Schülern untereinander. Eine professionelle Gesamtlösung ersetzen sie nicht.

Gesamtlösungen – oder auch Schul-Clouds – müssen eine funktionale Struktur für die Gestaltung der gewünschten administrativen Prozesse bieten, intuitiv anwendbar und möglichst individuell konfigurierbar sein. Basisanforderung an eine gute Gesamtlösung ist, dass jeder analoge Prozess auf digitale Anforderungen hin durchdacht ist und durchgehend digital implementiert wird – ohne Medien­bruch. Plakativ gesagt: Muss der Nutzer zwischendurch zum Griffel greifen, hat der Prozessdesigner versagt. Der klassische Fall eines Medienbruches ist das Ausdrucken einer Mail und die erneute manuelle Eingabe ihres Inhalts auf einem anderen Rechner.


Kern einer solchen Gesamtlösung ist ein zentrales Nutzer- und Rechte-­Management inklusive Customer Relation­ship Management (CRM), ein Kommunikations-, ein Auswertungs-Tool und ein Digitales Klassenzimmer.

Im CRM werden alle Daten verwaltet und gepflegt. Dazu zählen etwa Schüler- und Lehrerdaten, Abwesenheiten und Zensuren inklusive der zugrunde liegenden Leistungsnachweise (elektronisches Klassenbuch), Standortbestimmungen, Lehrpläne (Curriculum), Stunden- und Raumpläne; also alle Informationen, die auch im klassischen Lehralltag benötigt werden. Über dieses Tool lassen sich natürlich auch alle Funktionen und Rollen zuweisen oder verknüpfen, Zugriffsrechte definieren oder Kurse verwalten. Die Qualität des Designs des CRM, der Daten darin und ihrer Pflege sind die Basis für eine medienbruchfreie Funktionalität und eine einwandfreie Weiterverarbeitung und Auswertung.

Der Versand von internen oder externen Informationen wird über das Kommunikations-Tool gesteuert. Hier können nach Bedarf unterschiedliche Applikationen eingesetzt werden: Professional Secure Messaging, E-Mail, Newsletter – wichtig ist hier neben der Erfüllung des gewünschten Informationszwecks vor allem die Gewährleistung des gesetzlich vorgeschriebenen Datenschutzes. Über das Auswertungs-Tool können alle benötigten oder gewünschten Reports auf unterschiedlichen Ebenen erstellt werden: Ebene Schüler, Ebene Klasse, Ebene Lehrer, standardisierte Feedbacks, Ausfallstunden, entschuldigte/unentschuldigte Abwesenheiten, Leistungsprofile, Lernfortschritt – und natürlich Zeugnisse.

Nicht notwendigerweise Bestandteil der Digitalen Schule – aber ein gutes zusätzliches Instrument – sind digitale Schwarze Bretter; vielen bekannt aus öffentlichen Verkehrsmitteln oder Arztpraxen. Darüber werden nützliche Informationen verteilt, im Falle von Schulen können das beispielsweise Stunden- oder Vertretungspläne sein. Insbesondere interessant für höhere Klassen ist die Ausspielung aktueller Ausbildungs-, Praktika- oder Stellenangebote von regionalen und überregionalen Unternehmen sowie Jobmessen. Das erleichtert Schülern frühzeitig die Orientierung bei der Berufswahl.

Das digitale Klassenzimmer

Ein virtueller Raum, der über ein Netzwerk mit Lehrern, Schülern und anderen Mitgliedern der Schulgemeinschaft verbunden ist, wird als digitales Klassenzimmer bezeichnet. Dies ist das letzte Kerntool für die digitale Schule. In diesem digitalen Klassenzimmer können Lehrer online unterrichten und die Schüler haben Zugriff auf digitale Ressourcen und Inhalte. Es kann im Rahmen von Frontalunterricht genutzt werden, in diesem Zusammenhang besser Hybridunterricht, und natürlich für Fernunterricht. Dabei können Schüler und Lehrer Inhalte aus dem Unterricht bearbeiten und diskutieren, ohne sich an einem bestimmten Ort treffen zu müssen. Für die obligatorische Schule ist Fernunterricht – zumindest ­ausserhalb von Pandemiezeiten – die Ausnahme. Er ist aber durchaus für Schüler geeignet, die beispielsweise aufgrund eines vorübergehenden Handicaps physisch nicht die Schule besuchen können.

Ein Digitales Klassenzimmer muss alle Instrumente und Funktionen, die für erfolgreichen digitalen Unterricht notwendig sind, enthalten: Streaming, Chatfunktionen, Gruppenarbeiten, Leistungstests oder Möglichkeiten der Interaktion zwischen Schülern und Lehrern. Besonders nützlich ist ein Aufnahmesystem. Es ermöglicht die Archivierung des gesamten Unterrichts und dient Schülern später zur Repetition. Die Aufzeichnungen werden auf einer entsprechenden E-Learning-­Plattform geteilt, von der aus auch sonst alle Unterrichtsdokumente und -inhalte zur Verfügung gestellt werden; wie Skripts, Vorlesungsfolien, Aufgabenblätter, Musterlösungen, Multiple-Choice-­Fragen oder Prüfungen. Insbesondere beim Teilen von Unterrichtsaufzeichnungen muss dringend auf datenschutzrelevantes Vorgehen geachtet werden. Zugriff dürfen nur die Unterrichtsteilnehmer der Klasse oder Gruppe bekommen, für die diese Lehreinheit auch gedacht war.


Durchentwickelte digitale Schulen mit dem beschriebenen digitalen Klassenzimmer gibt es vereinzelt schon, insbesondere für höhere Klassenstufen oder Universitäten. Für die meisten obligatorischen Schulen dürfte das noch Zukunftsmusik sein, nicht zuletzt auch aus Kostengründen. Allerdings sind, wie oben schon geschrieben, geschätzte 80 Prozent der obligatorischen Schulen in der Deutschschweiz bereits mit, mehr oder weniger interaktiver, AV-Technik ausgerüstet. Auch damit lässt sich schon vorzeigbares medienbruchfreies Arbeiten gewährleisten.

Ein Unterrichtsszenario ist beispielweise das Abspielen eines Lehrvideos auf der digitalen Tafel. Während das Lehrvideo läuft, können Lehrer oder Schüler parallel dazu Notizen auf den freien Teil der Tafel schreiben – klassisch, wie bei einer herkömmlichen Wandtafel. Ist das Lehrvideo vorbei, werden die geschriebenen oder gezeichneten Inhalte weiter auf der digitalen Tafel angezeigt. Diese Inhalte lassen sich je nach Wunsch bearbeiten oder ergänzen. Das fertige Tafelbild muss von den Schülern natürlich nicht abgeschrieben oder abfotografiert werden. Ein Klick genügt und die Schüler erhalten es via QR-Code oder als PDF auf ihre mobilen Endgeräte.

Hybrides Denken fördern

Digitaler Unterricht erfordert ein Umdenken bei Lehrern und eine Anpassung der Lehrpläne, sodass auch «Digitale Grundbildung» vermittelt wird. Es ist nicht ausreichend, bisher analoge Lehrmittel einfach zu digitalisieren, beispielsweise aus einer Buchseite ein PDF zu machen. Vielmehr müssen die technischen – insbesondere interaktiven – Möglichkeiten bei der Anpassung von Lehrplänen und Dokumenten beachtet werden. Dabei stehen die Lehrer nicht allein. Mittlerweile gibt es hervorragende Online-Lehrmittel-Verlage, die sich genau darum kümmern. Hinzu kommen ganz neue Möglichkeiten, wie etwa die Integration von KI-Anwendungen in den Unterricht.

Der Unterricht im digitalen Raum verändert natürlich auch das Miteinander. Für das Lehrpersonal bedeutet das, dass ein Vertrauensvorschuss geleistet werden muss: Passen die Schüler auch wirklich auf? Kommen die Inhalte an? Bleiben Fragen offen? Je jünger die Schüler, desto sensibler ist dieser Punkt. Ohne zwischenmenschliche Interaktion fehlt schliesslich das direkte Feedback, Fingerspitzengefühl ist gefragt. Eine Idee sind zum Beispiel Sprechzeiten für Rückfragen – oder die Nutzung einer gemeinsamen digitalen Pinnwand mit häufigen Fragen und Antworten. Offene Kommunikation auf Augenhöhe ist, egal ob digital oder von Angesicht zu Angesicht, ein wesentlicher Erfolgsfaktor.


Die Kombination zwischen Hard Skills und Soft Skills ist zukünftig eine der grössten Herausforderungen für Lehrer. Der pädagogisch-didaktisch geschulte Umgang mit neuen Technologien ist auf jeden Fall unerlässlich. Dabei geht es nicht nur darum, ob Schüler die Grundlagen einzelner Programme beherrschen, sondern eben auch um den sicheren Umgang mit dem Internet. Lehrer wiederum müssen ihr hybrides Denken weiter ausbauen und natürlich entsprechend geschult werden.

Das Beste aus beiden Welten

Damit endet die Reise bezüglich der relevantesten Anforderungen zum Thema Digital Education. Wichtig ist die Kombination von digitaler Schule (Administration) und digitalem Klassenzimmer (Lehrbetrieb). Hinzu kommt der Umgang mit digitalen Methoden und Tools. Voraussetzung für eine angemessene digitale Bildung sind einerseits die ausreichende Ausrüstung der Schulen und durchgängiges, also medienbruchfreies, Arbeiten. Andererseits müssen die Lehrkräfte damit auch umgehen und das Potenzial ausschöpfen können.


Bezüglich dieser beiden Punkte gibt es aktuell in fast allen Bildungseinrichtungen noch Luft nach oben. Gerade im Bildungsbereich ist es dringend notwendig, die Online- und Offline-Welt besser und schneller miteinander zu verknüpfen. Es geht darum, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren.

Der Autor

Markus Doetsch ist Group-CEO der Heinekingmedia-Gruppe. Das Unternehmen ist in Deutschland ein Pionier und Marktführer in den Bereichen Digital Education, Digital Signage und Communication and Collaboration. Heinekingmedia entwickelt und vertreibt Hard-, Software- und Content-Lösungen für Bildschirmkommunikation, Professional Secure Messaging und weitere IT-Services. Zentral für den Vertrieb sind die Märkte Bildung und Unternehmen, aktuell mit Fokus auf die DACH-Region.


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