Freistrahl-Laser statt Tiefseekabel
Quelle: ETH Zürich

Freistrahl-Laser statt Tiefseekabel

Die ETH hat gemeinsam mit Forschungspartnern ein System für die Datenübertragung entwickelt, bei dem ein Laser das Glasfaserkabel ersetzt. Es ist durchaus denkbar, dass das Tiefseekabel damit ausgedient hat. Wir haben die ETH-Forscher zum Gespräch getroffen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/11

     

Im Juni 2023 veröffentlichte die ETH Zürich – genauer das Departement Informationstechnologie und Elek­trotechnik (D-ITET) – eine Pressemittelung zu einem geglückten Experiment, welches zu einem Durchbruch in der Datenübertragung führen könnte. Kurz gesagt: Das Forscherteam hat es geschafft, mit einem Freistrahl-Laser eine Datenübertragungsrate von 1 Terabit pro Sekunde in der Atmosphäre zu erreichen. Und dies über eine Freiraumstrecke von mehr als 50 Kilometern. Revolutionär sind die Forschungsergebnisse unter anderem, weil sich mit dem Laser unter Umständen Tiefseekabel, die für die Internetverbindung über den ganzen Erdball hinweg sorgen, ersetzen lassen könnten.


«Die Nachricht hat hohe Wellen geschlagen und wurde international von den Medien aufgegriffen», so Jürg Leuthold, Professor für Photonik und Kommunikation und Leiter des D-ITET an der ETH Zürich. Massgeblich beteiligt an der Forschungsarbeit war neben Leuthold vonseiten der ETH auch der leitende Autor der Studie Yannik Horst, dessen Doktorarbeit die Forschungsergebnisse dokumentiert. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem französisch-schweizerischen Raumfahrtunternehmen Thales Alenia Space sowie der ebenfalls französischen Luft- und Raumfahrtforschungsanstalt Onera umgesetzt.

Kosteneffizient und sicher

Das Projekt beschäftigt sich mit einer neuen Form der Datenübertragung, bei der das Glasfaserkabel durch einen Frei­strahl-Laser ersetzt wird. Die Lichtsignale, die normalerweise Informationen durch das Glasfaserkabel transportieren, werden in diesem Fall vereinfacht gesagt durch die offene Luft geschossen, am Zielort ausgelesen und dort wieder in elektrische 1- und 0-Signale übersetzt. Und der im Experiment erreichte Datendurchsatz von 1 Terabit pro Sekunde liesse sich laut den Forschern problemlos massgeblich skalieren.


Heute fliesst der Datenverkehr – wie erwähnt auch zwischen den Kontinenten – durch Glasfaser. Die Tiefseekabelinfrastruktur hat laut den Forschern aber zwei wesentliche Nachteile: Zum einen ist sie anfällig für Sabotage – vergleichbar mit Pipelines für Gas und Öl ist diese verhältnismässig einfach –, zum anderen ist sie teuer: Das Verlegen eines solchen Kabels kostet schnell hunderte Millionen Franken. Via Laserstrahl fiele die Abhängigkeit von Tiefseekabeln weg. «Der Laser ist letztlich auch effizienter», wie Leuthold anfügt. «Denn hoch in der Atmosphäre gibt es keine Dämpfung, man muss nur richtig zielen können.»

Problem #1: Punktgenau zielen

Hier spricht Leuthold denn auch schon eine der grössten Herausforderungen an, die im Rahmen der nun rund vier Jahre andauernden Forschungsarbeit überwunden werden konnten: das Zielen. Denn der Laserstrahl muss punktgenau ankommen, am Ende gar bei einem sich rasch bewegenden Satelliten. Das exakte Zielen des Lichtstrahls hat der Partner Thales Alenia Space gelöst und ins Projekt eingebracht.

Eine weitere Challenge: Licht kann nicht alles durchdringen. Ein Hindernis sind Störfaktoren (wie etwa Flimmern) in der Luft, ein zweites die Wetterlage – denn durch Wolken dringt der Lichtstrahl nicht. Die Lösung für das Wolkenproblem ist recht einfach, wie Leuthold ausführt: «Wir gehen gar nie durch die Wolke.» Stattdessen installiert man pro Kontinent mehrere Bodenstationen und sendet immer von dort, wo der Himmel frei ist. In Europa bräuchte es etwa zehn solcher Stationen, wie Yannik Horst ergänzt. «Diese sind dann alle mit dem regionalen Glasfasernetzwerk verknüpft. Eine Bodenstation würde also alle Daten aus einem Kontinent ins Satellitennetzwerk einspeisen.» Die erdnahen Satelliten (in ca. 2000 km Höhe) leiten die Information an weitere Satelliten weiter, die schliesslich wieder eine Bodenstation anzielen, von wo erneut die regionalen Glasfasernetze den Transport der Daten übernehmen.

Problem #2: Das Flimmern

Neben den Wolken sind die erwähnten Störfaktoren in der Atmosphäre eine Herausforderung. So kann etwa das natürliche Flimmern, welches im Sommer gut über Gewässern zu sehen ist, zu Abweichungen im Lasersignal führen. Im Experiment hat man diesbezüglich eine Ex­tremsituation geschaffen und mit dem Laser vom Jungfraujoch nach Bern (53 km) geschossen. Da die erdnahe Atmosphäre besonders viele solcher Störfaktoren bietet, sei dies deutlich widriger, als wenn man von einer Bodenstation ins All zielen würde, wie Horst betont.


Die verschiedenen Lichtteilchen (Photonen) im Laserstrahl nehmen durch diese Störungen leicht unterschiedliche Wege und haben damit Abweichungen, was das genaue Auslesen der Daten erschwert. «Der dritte Projektpartner, die Forschungsanstalt Onera, hat die Aufgabe übernommen, diese Abweichungen mit Hilfe von adaptiver Optik zu korrigieren», so Leuthold. «Hier handelt es sich um eine Art Kamera mit einem Grid aus 97 Spiegeln», wie Yannik Horst ergänzt. Auf diesem Grid werden die Photonen eingefangen und korrigiert, damit sie «gleichzeitig ankommen, weil die Photonen die gleiche Information tragen».

Problem #3: Die Power

«Aber selbst wenn das alles gelöst ist, haben wir – auch bei schönem Wetter – ein weiteres zu lösendes Problem: Die Dämpfung», so Jürg Leuthold. Der Laserstrahl, der einen Ausgangsdurchmesser von vier Zentimetern hat, kam im Fall des Experimentes mit einem Durchmesser von fünf Metern ans Ziel. Yannik Horst: «Da sich die Energie gleichmässig auf die Fläche verteilt, haben wir selbst mit dem erwähnten und von Onera korrigierten Atmosphären-Effekt noch ein Power-Problem.» Erschwerend kommt hinzu, dass der Satellit keine konstante Distanz zur Erde hat und zudem recht schnell unterwegs ist. Die Dämpfung ist also nicht konsistent.

Diesem Problem hat sich das Team um Leuthold und Horst von der ETH Zürich angenommen. «Die Lösung hat mit der Modulation des Lichtstrahls zu tun», wie der Professor erklärt. «Die Frage war: Wie korrigieren wir die Information, so dass diese trotz der Dämpfung korrekt erkannt wird? Wir haben dabei auf die modernsten Modulationstechniken gesetzt.» Anstatt nur die Intensität (Licht an/aus) zu messen, wurde das Lichtsignal doppelt codiert: Sowohl in der Amplitude (Höhe der Lichtwellen) als auch in der Phase (Verschiebung der Lichtwellen). «Wir sprechen hier von kohärenter Modulation. Wenn wir sowohl die Amplitude wie auch die Phase berücksichtigen und messen, kommen wir mit weniger Photonen im Empfänger aus.» Laut den ETH-Forschern konnte man damit das Power-Problem massgeblich entschärfen – die Energieeffizienz kann dank dieser doppelten Codierung gar vervierfacht werden.


Eine weitere Effizienzsteigerung wurde mit der Polarisation des Lichtes erreicht – genauer: mit dem codierten Wechsel der Polarisationsausrichtung der Lichtwellen. Für einen Laien wird es spätestens an dieser Stelle sehr kompliziert. «Weil man dabei im vierdimensionalen Raum arbeitet, ist es schwierig, sich das vorzustellen. Aber mathematisch kann man das durchführen», so Leuthold. Auch konnte man speziell schnelle und von der ETH entwickelte Modulatoren – also die Umwandler vom elektrischen auf das optische Signal – nutzen. «Weshalb wir schneller modulieren können als alle anderen», so Leuthold. «Hier sind viele ­Sachen zusammengekommen – die richtigen Firmen, unsere Technologien und unsere Modulation», wie er zusammenfassend sagt.

Surfen wir bald alle via Satellit?

Wie gross die Laserinfrastruktur sein müsste, um die bestehenden rund 500 Tiefseekabel auf der Welt zu ersetzen, ist schwer zu sagen. «Das sind Business-Kalkulationen, die die Firmen nun machen. Aber das teilen die uns natürlich nicht mit», so Leuthold. «Für den Anwender ist es aber interessant, weil es nun Wettbewerb gibt.» Und wie eingangs erwähnt, wäre eine solche Lösung zuträglich für die Versorgungssicherheit, weil sie weniger einfach zu sabotieren wäre.


Doch wie lange könnte es dauern, bis eine solche Architektur die ersten Tiefseekabel ersetzt? Leuthold: «Ich denke, dass das in ein paar Jahren sicher kommt, denn die Technologie funktioniert. Die Frage ist mehr: Wann kommt wie viel?» Einmal mehr muss man abwarten, wie die errechneten Business Cases der Unternehmen aussehen. «Dass das kommt, ist aber ohne Zweifel.» Yannik Horst ergänzt: «Schon heute gibt es Satelliten mit optischem Equipment. Wir rechnen zwischen 2025 bis 2030 mit der Marktreife für optische Satellitennetzwerke mit Up- und Downlink.»

Wer was davon hat – oder auch nicht

Natürlich sind die ETH und das Team von Leuthold und Horst stolz auf die Errungenschaften aus dieser Arbeit. Doch schon in der erwähnten Pressemitteilung hiess es, dass die praktische Umsetzung in ein marktfähiges Produkt nun von Industriepartnern übernommen werde. Man kommt nicht umhin sich zu fragen, was die ETH und die Forscher von diesem Durchbruch letztlich haben. «Was die ETH davon hat? Das ist eine gute Frage», kommentiert Leuthold mit einem Lächeln. «Als wir vor vier Jahren damit gestartet haben, war es noch nicht klar, dass es so gut klappt. Wenn es dann mal funktioniert, kommen die Firmen zum Einsatz. Und das passiert jetzt.» Grundsätzlich hätte man zwar ein Patent auf das erwähnte Modulationsformat gehabt und bei der folgenden Nutzung Lizenzkosten einstreichen können. «Hätte – denn das Patent wurde von der ETH nach zwei Jahren Forschung aufgegeben, weil man nicht länger warten wollte», wie der Professor lakonisch anfügt. «Die Patentabteilung der ETH will natürlich möglichst schnell Geld generieren. In der Pharmazeutik beispielsweise gehen solche Entwicklungen schneller. Bei uns dauert es aber unter Umständen Jahre, bis wir so etwas wie das hier beweisen können. Viele unserer Patente werden an dem Punkt, an dem wir beweisen können, dass sie funktionieren, leider nicht mehr gehalten.» Eine offensichtlich frustrierende Situation für den Professor. Für alle Forschungsfelder bei Patenten dasselbe Mass anzusetzen, funktioniert in seinen Augen schlicht nicht, wie er betont.

Es gibt zwar beispielsweise eine Halbleiter-Komponente aus dem gebauten System, welche von einem jungen ETH-Spin-off monetarisiert wird und bei deren Produktion die Wertschöpfung im Moment im Land bleibt. «Als Gesellschaft müssen wir nun aber darauf achten, dass diese Produktion auch wirklich in der Schweiz bleibt», so Leuthold. Die Modulationstechnik von Leuthold und Horst jedoch ist ungeschützt und kann damit kommerziell genutzt werden. Und sie könnte die Telekommunikation, wie wir sie heute kennen, grundlegend verändern, ohne dass die ETH oder die Forscher etwas davon hätten.


«Für uns ist es aber letztlich vor allem wichtig, dass wir den Leuten die Faszination für die Forschung vermitteln können. Es geht darum, junge Leute dafür zu begeistern, was wir hier machen», erklärt Leuthold abschliessend. Seine Nachricht an den Nachwuchs: «Es gibt viele interessante Dinge zu entdecken. Und Ihr könnt dabei sein.» (win)


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