Beide schreiben Kolumnen für «Swiss IT Magazine», sind dabei aber selten einer Meinung: Swisscom-Veteran Fritz Sutter und Telekom-Experte Luzi von Salis. Wir haben die beiden – die sich privat ebenso gut kennen wie schätzen – zum Streitgespräch über den Glasfaserausbau in der Schweiz und zur Institution
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«Swiss IT Magazine»: Gerade heraus – wer ist schuld daran, dass eine halbe Million Schweizer Haushalte zwar mit Glasfasern erschlossen wären, diese aber nicht in Betrieb genommen werden können?
Luzi von Salis: Ich möchte keine Schuldzuweisung machen. Fakt ist, dass Swisscom vor geraumer Zeit und nach Diskussionen mit ihren Lieferanten – namentlich mit Huawei – einen Technologieentscheid gefällt und sich für das sogenannte Point-to-Multipoint-Verfahren (P2MP) entschieden hat, das offenbar Kostenvorteile mit sich bringt. Vor rund drei Jahren, nach ersten erfolgreichen Pilotversuchen, hat Swisscom dann im P2MP-Verfahren zu bauen begonnen, was bei einigen anderen Providern allerdings auf wenig Begeisterung gestossen ist und letztlich dazu geführt hat, dass Init7 bei der Weko Klage wegen Benachteiligung einreichte. Diese Klage ging bis vor Bundesgericht und wurde dort gutgeheissen, was dazu führte, dass Swisscom ein Vermarktungsstopp für die P2MP-Zugänge auferlegt wurde. Das alles hat bei Swisscom zum Entscheid geführt, den P2MP-Ausbau zu stoppen und stattdessen im Point-to-Point-Verfahren (P2P) weiterzubauen – so wie das ursprünglich und in Absprache mit dem Bakom eigentlich vorgesehen war. Das ist kurz zusammengefasst der Grund, warum rund 500’000 Schweizer Haushalte keine Glasfasern nutzen können, obwohl der Anschluss eigentlich vorhanden wäre.
Das gilt pauschal für alle bereits erstellten Anschlüsse?
Luzi von Salis: Jein. Swisscom hat versucht, eine Sonderbewilligung bei der Weko einzuholen, so dass bei Neubauten, die bereits mittels P2MP erschlossen wurden, diese Anschlüsse auch genutzt werden können mit der Auflage, dass sie später umgebaut werden. Im März hat Swisscom seine Wholesale-Kunden dann darüber informiert, dass diese Anschlüsse, die heute nicht gesperrt und somit vermarktbar sind, ebenfalls in P2P-Architektur umgebaut werden.
Warum diese Sonderbewilligung?
Luzi von Salis: Weil diese Neubauten nur noch via Glasfaser erschlossen wurden und keine Kupferleitungen oder andere Infrastrukturen verlegt wurden. Mit der Sonderbewilligung wird also sichergestellt, dass diese Liegenschaften überhaupt ans Internet angeschlossen werden können, ohne dass im Sinne des Grundversorgungsauftrags noch alte Technologie verbaut werden muss.
Fritz Sutter vs. Luzi von Salis
Fritz Sutter verbrachte 32 Jahre seiner Karriere bei IBM – mehrheitlich im Verkauf. Am Tag nach seiner Frühpensionierung bei IBM im Alter von 55 Jahren wechselte er zu Swisscom respektive zur damaligen Telekom PTT, wo er für das Change-Projekt, den damaligen Monopolisten in ein wettbewerbsfähiges Unternehmen zu überführen, geholt wurde. Insgesamt blieb er noch sieben Jahre bei Swisscom, wo er sich nach dem Change-Projekt primär um Regulierungsfragen kümmerte. Fritz Sutter war ausserdem lange Jahre Präsident des Schweizerischen Telekommunikationsverbands Asut und engagierte sich in weiteren Verbänden wie ICTswitzerland, SwissICT oder ePower. Ausserdem ist er Initiator der renommierten ICT-Networkingparty.
Luzi von Salis ist Gründer, Inhaber und Geschäftsführer der Firma Von Salis Engineering und agiert dabei als Berater, Interim-Manager sowie als Business Troubleshooter im ICT-Sektor. Vor seiner Selbstständigkeit war er lange Jahre in Führungspositionen bei Colt Telecom tätig. Heute sitzt der diplomierte ETH-Elektroingenieur und Telekom-Landschaftskenner ausserdem im Verwaltungsrat von zahlreichen Unternehmen.
Sowohl Fritz Sutter als auch Luzi von Salis sind seit langen Jahren als Kolumnisten für «Swiss IT Magazine» tätig.
Doch wieso hat sich Swisscom für die P2MP-Erschliessung entschieden, obwohl man ahnen musste, dass dies Beschwerden und Klagen nach sich ziehen wird?
Luzi von Salis: Ich kann hier nur spekulieren, aber ich vermute, dass Swisscom gerechnet hat und die Kostenvorteile sah. Man muss schon sehen, P2MP ist technologisch gesehen in urbanen Zonen eine effiziente Erschliessungsmethode. Kein anderes Land erschliesst seine Bevölkerung mittels einer Vierfaser-P2P-Verbindung, das ist eine Luxuslösung. Ein grosser Vorteil dieser Lösung ist, dass der Kunde aus verschiedenen Providern auswählen kann und diese Provider ihre Angebote selbst nach eigenem Gusto gestalten können. Das resultiert in innovativen Angeboten.
Herr von Salis, Sie haben in einer Kolumne Anfang Jahr geschrieben, dass Swisscom dadurch, dass anstatt P2P- P2MP-Verbindungen gebaut wurden, Hunderte Millionen Franken versenkt hat. Können Sie das noch etwas ausführen?
Luzi von Salis: Mit dem Technologieentscheid für P2MP hat Swisscom ein Risiko auf sich genommen, und das vermutlich sehr bewusst. Nochmals: P2MP ist eine durchaus effiziente Erschliessungsmethode, funktioniert technologisch und ermöglicht auch einen selektiven Wettbewerb, denn die Provider können über die P2MP-Netze Kunden ähnlich wie mit BBCS (Broadband Connectivity Service) erreichen. Allerdings können sie die Angebote nicht so gestalten, wie sie möchten. Die Aussage, dass Hunderte Millionen Franken versenkt wurden, rührt aus den Erschliessungskosten für P2P-Verbindungen, wo man im urbanen Gebiet pro Nutzungseinheit mit Kosten von rund 2000 Franken rechnet. Eine P2MP-Anbindung kommt erfahrungsgemäss auf rund 1500 Franken zu stehen. Der Ausbau der 500’000 Nutzungseinheiten im P2MP-Verfahren hat also rund 750 Millionen Franken gekostet. Schätzungsweise die Hälfte der verbauten Infrastrukturkosten wird benötigt, um sie in P2P-Verbindungen umzubauen, was bedeutet, dass rund 375 Millionen Franken fehlinvestiert wurden.
Fritz Sutter, Sie haben in einer Replik auf Luzi von Salis’ Vorwurf an Swisscom, dass Millionen versenkt wurden, von – Zitat – «Jammern und Wehklagen» gesprochen. Haben Sie überhaupt kein Verständnis für die Vorwürfe an Swisscom?
Fritz Sutter: Es geht nicht um Verständnis. Ich sehe schlicht und ergreifend nicht ein, weshalb man beim Glasfaserausbau regulierend eingreifen muss. Man soll einfach den Markt spielen lassen. Als liberal denkender Mensch ist es mir schleierhaft, weshalb sich hier die Weko und das Bundesgericht einschalten müssen. Und ich wundere mich, dass Luzi, der sich ebenfalls als liberal bezeichnet, dieses Vorgehen akzeptiert und sogar noch begrüsst, anstatt den Wettbewerb und den Markt spielen zu lassen.
Luzi von Salis: Wenn aber das Bundesgericht ein Gesetz verletzt sieht, spielt es keine Rolle, wie liberal man eingestellt ist. Grundsätzlich bin ich bei Dir, Fritz, dass der Markt spielen soll. Doch Gesetz ist Gesetz. Und ob der Markt im P2MP-Verfahren gespielt hätte, werden wir nie wissen, weil die Anschlüsse gar nie vermarktet wurden.
Fritz Sutter: Auf welches Gesetz beziehst Du Dich denn? Es gibt meines Wissens kein Gesetz, das Glasfasern regelt. Ich frage mich schon, was für Personen im Bundesgericht und bei der Weko solche Entscheide fällen. Haben die wirklich eine Ahnung von der Materie? Ich zweifle daran, denn bei diesen Personen handelt es sich weder um Unternehmer noch um Techniker, sondern um Juristen, Professoren, Richter. Sind sie wirklich die Richtigen, um über ein hochwirtschaftliches Thema, um über Technologie zu entscheiden?
Luzi von Salis: Es ist nun mal, wie es ist, das Bundesgericht hat entschieden, dass der Umbau passieren muss, und daran muss sich Swisscom halten.
Was nicht so richtig einleuchten will, ist die Frage, weshalb Drittprovider wie beispielsweise Init7 Swisscom vorschreiben können, wie sie ihr Geld investieren muss respektive wie sie ihr Netz bauen muss, damit ebendiese Provider dieses Netz auf die für sie passende Art nutzen können. Theoretisch könnte jeder Provider auch selbst Glasfaserinfrastruktur bauen, oder sehe ich das falsch?
Luzi von Salis: Die Frage ist durchaus berechtigt.
Fritz Sutter: Und die Antwort ist einfach – es gibt schlicht keinen Grund dafür. Ich weiss beim besten Willen nicht, warum Swisscom hier Vorschriften gemacht werden. Es gibt auch kein Gesetz, das dieses Vorgehen, die Forderungen legitimieren würde. Darum habe ich manchmal das Gefühl, dass diejenigen, die diese Entscheidungen treffen, in einer anderen Welt leben.
Luzi von Salis: Ganz so einfach ist es nicht. Letztlich geht es darum, Wettbewerbsgleichheit zu schaffen. Das war auch der Ursprung der Klage. Es geht darum, eine technologische Gleichstellung zu erreichen, was bei der P2MP-Erschliessung offenbar nicht möglich ist. So wäre es Swisscom mit dem P2MP-Verfahren beispielsweise möglich, für sich grössere Bandbreiten zu beanspruchen, während die alternativen Provider weniger Bandbreite zugesprochen erhalten hätten.
Letztlich ist es aber auch Swisscom, die die Investitionen tätigt. Es ist ihr Netz, gebaut mit ihrem Geld. Ist es dann nicht ihr gutes Recht, sich gewisse Privilegien zu verschaffen?
Luzi von Salis: Dann müsste allerdings das ganze Fernmeldegesetz angepasst werden. Weil darin ist klar geregelt, dass alle Provider gleich behandelt werden müssen und der Wettbewerb spielen muss. Darum wurden in den Nullerjahren auch die Kupferleitungen entbündelt.
Fritz Sutter: Mich erinnert das ganze Vorgehen an Planwirtschaft. Selbst Begriffe wie «Enteignung» gehen mir durch den Kopf – denn am Ende des Tages zwingt man eine Firma, einen Teil ihres Eigentums an andere abzutreten. Der Schweizer Telekommarkt ist seit 1998 liberalisiert, doch wirklich liberal ist der Markt bis heute nicht, und Institutionen wie die Weko und das Bundesgericht tragen ihren Anteil dazu bei. Swisscom hat keinen Auftrag, in der Schweiz ein Glasfasernetz für die Allgemeinheit zu bauen – das geschieht alles auf freiwilliger Basis. Der Grundversorgungsauftrag sieht lediglich vor, dass jede Liegenschaft mit mindestens 100 Mbit/s erschlossen werden muss. Mit welcher Technologie das geschehen muss, ist nicht definiert.
Luzi von Salis: Ich glaube es ist auch richtig, dass man Swisscom nicht vorschreibt, wie die Grundversorgung erbracht werden muss. Es kann nicht das Ziel sein, dass jede noch so abgeschiedene Liegenschaft mit Glasfasern erschlossen werden muss. Das geht allein aus Kostengründen nicht. Ein Totalausbau der Schweiz mit Glasfasern würde schätzungsweise 14 Milliarden Franken kosten, und Swisscom investiert jährlich 600 Millionen Franken in den Ausbau des Festnetzes. Die Rechnung ist also schnell gemacht.
Swisscom ist aber nicht das einzige Unternehmen in der Schweiz, das Glasfasern baut, richtig?
Luzi von Salis: In Vergangenheit haben noch die Energieversorger gebaut, doch diese Tätigkeiten wurden in der Zwischenzeit mehrheitlich auf Eis gelegt, denn die Energiebranche hat aktuell andere Herausforderungen. Andere Provider wie beispielsweise Sunrise bauen höchstens punktuell, etwa zur Erschliessung ihrer Mobile-Base-Stationen oder gewisser Geschäftskunden.
Wenn Swisscom nun im günstigeren P2MP-Verfahren hätte bauen dürfen, wäre damit nicht auch der Wholesale-Preis gesunken, den die anderen Provider für die Nutzung der Glasfasern bezahlen müssen?
Luzi von Salis: Das weiss man nicht, da Swisscom die im P2MP-Verfahren gebauten Leitungen nie angeboten hat und bekanntlich nicht vermarkten darf. Für die Nutzung einer Dark Fibre im P2P-Verfahren verlangt Swisscom den sogenannten ALO-Preis, der mit rund 24 Franken in etwa gleich hoch ist wie vor 20 Jahren eine entbündelte Teilnehmeranschlussleitung (TAL) auf Kupferbasis im Wholesale-Modell. Doch der Preis von P2MP und P2P wäre ohnehin nicht vergleichbar, denn im P2P-Verfahren stellt Swisscom eine Infrastruktur zur Verfügung, und im P2MP-Verfahren wären es vordefinierte Dienste respektive Bandbreiten.
Was muss in Ihren Augen geschehen, dass der Glasfaserausbau in der Schweiz im Sinne der Konsumenten vorwärts kommt?
Fritz Sutter: Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Man muss einfach aufhören mit Regulierung und den Wettbewerb spielen lassen. Punkt. Dann kommt der Ausbau voran oder auch nicht, aber dann entscheidet der Markt.
Luzi von Salis: Damit löst sich aber die Situation mit den aktuell 500’000 nicht beleuchteten Anschlüssen, die aktuell eingefroren sind, nicht. Ich bin der Meinung, dass hier eine Interimslösung gefunden werden müsste, so dass diese Anschlüsse nutzbar werden – wobei die Regeln sicher definiert werden müssten. Denn der Endkunde ärgert sich zu Recht, dass er keinen Service erhält, obwohl alles vorbereitet wäre.
Ist das Wunschdenken, oder gibt es Bestrebungen in diese Richtung?
Luzi von Salis: Ich gehe schwer davon aus, dass Gespräche zwischen der Weko, Swisscom und Dritten stattfinden. Ob diese zu Ergebnissen führen werden, kann ich allerdings nicht vorhersagen.
Dass aber die Regulierung ein Ende findet, wie Fritz Sutter dies fordert, ist Wunschdenken, oder?
Fritz Sutter: Das ist zu befürchten, ja!
P2P vs. P2MP
Bei der Vierfasermodell-Point-to-Point-Verbindung werden von der Ortszentrale der Swisscom bis in die Nutzungseinheit (sprich in die Wohnung oder ein Büro) zwei Fasern durchgespleisst. Vom sogenannten Muffenschacht aus, dem letzten Schacht vor dem Gebäude, werden dann zwei weitere Fasern bis zur Nutzungseinheit gezogen. Beim Point-to-Multipoint-Verfahren hingegen wird nur eine Faser von der Ortszentrale bis zum Muffenschacht gezogen. Dort wird das Glasfasersignal optisch mittels eines Spiegels gesplittet – es werden also nicht vier physische Fasern, sondern vier Farben bereitgestellt, die einzelne Serviceprovider nutzen können. Das hat zur Folge, dass alternative Provider im P2MP-Verfahren ihre Angebote und Services nicht für jeden Kunden frei gestalten und die Glasfasern selbst betreiben können, sondern lediglich die Dienste und Technologien offerieren können, die Swisscom auf der geteilten einen Faser vorgesehen hat – ähnlich wie man das aus xDSL-Zeiten kannte, als Swisscom die Bandbreiten vorgab, die die Provider weiterverkaufen konnten. Ausserdem kann im P2MP-Verfahren eine Wohnung oder ein Büro im Sinne der Redundanz nicht parallel Services von zwei verschiedenen Providern beziehen. Und nicht zuletzt wird auch die Bandbreite zwischen mehreren Nutzungseinheiten aufgeteilt.
Swisscom hat verlauten lassen, bis 2030 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung mit Glasfasern erschlossen zu haben. Ist dieses Ziel realistisch?
Luzi von Salis: Ich glaube nicht, dass das zu schaffen ist – keine Chance. Die Ressourcen dazu fehlen, Tiefbauspezialisten sind voll ausgelastet, Fibre-Spezialisten ebenso. Meine Prognose ist, dass die 70 bis 80 Prozent erst 2034 oder 2035 erreicht werden. Dazu müsste
Swisscom ihr jährliches Budget wesentlich erhöhen.
Hat Swisscom denn bereits mit dem Umbau von P2MP auf P2P begonnen?
Luzi von Salis: Ja, der Umbau hat begonnen – das Ganze läuft unter dem Programmnamen Feeder-Cleanup. Erste Gemeinden sind meines Wissens bereits umgebaut.
Mit Nachdruck oder widerwillig?
Luzi von Salis: Die Frage stellt sich nicht, denn der Umbau muss passieren – das Bundesgericht hat entschieden.
Ein anderes Thema noch – ebenfalls angestossen durch eine Kolumne von Luzi von Salis. Darin haben Sie sich daran gestört, dass die Marktanteile im B2B-Umfeld seit jeher festgefahren sind. Dasselbe gilt ja auch für das Privatkundenumfeld, wenn auch in geringerem Ausmass. Doch was kann Swisscom dafür, wenn Herr und Frau Schweizer beziehungsweise Schweizer Unternehmen wechselfaul sind? Es ist ja nicht so, dass es keine anderen Anbieter mit attraktiven Angeboten gäbe!
Luzi von Salis: Es ist tatsächlich so, Schweizer Kunden sind träge – bei den Privatkunden sowieso und auch bei den Unternehmen. Tatsache ist, dass bei alternativen Providern der Bruttopreis eines Triple-Play-Angebots bei 89 Franken liegt – ohne Promotionen wohlgemerkt. Bei Swisscom kostet dasselbe 114 Franken – ist also mindestens 30 Prozent teurer. Doch diese Mehrkosten scheinen Herr und Frau Schweizer nicht wehzutun. Das ist einerseits mit Trägheit zu erklären. Andererseits muss man schon auch festhalten, dass der Service und der Kundendienst bei Swisscom stimmen.
Fritz Sutter: Ich würde sogar sagen, dass dieser Punkt ausschlaggebend ist. Der Schweizer Kunde wechselt seinen Anbieter nicht, so lange er zufrieden ist. Das gilt für die Telekommunikation genauso wie für die Automarke und vieles andere. Die Geiz-ist-geil-Mentalität ist in der Schweiz kaum verbreitet, und davon profitiert Swisscom – ohne Zweifel.
Luzi von Salis: Und im Geschäftskundenumfeld ist es ähnlich. Ich habe viele Situationen erlebt, in denen sich Geschäftskunden massiv über den Kundendienst oder die Rechnungsstellung bei alternativen Anbietern geärgert haben. Und hier muss man festhalten, dass Swisscom einen guten Job macht – das zeigen auch all die Tests von Plattformen wie «Connect» und Co. Der Kundendienst bei Swisscom ist hervorragend und auch im europäischen Vergleich führend.
Also hat der höhere Preis bei Swisscom seine Berechtigung.
Fritz Sutter: Ob der in der Höhe berechtigt ist, sei dahingestellt, aber die Situation beweist, dass der Schweizer Kunde bereit ist, einen höheren Preis zu bezahlen, wenn er mit der Qualität zufrieden ist. Er kann es sich auch leisten.
Luzi von Salis: Und der internationale Vergleich zeigt, dass die Schweiz führend ist, etwa was die Dichte der Breitband-Abos angeht. Das beweist, dass die Kunden ein gutes Breitbandangebot haben, aus dem sie auswählen können – egal bei welchem Provider sie sind. Im Vergleich dazu ist bereits Deutschland eine digitale Internetwüste.
Angesichts dessen muss man doch festhalten: Trotz «Planwirtschaft», wie Fritz Sutter es nennt, trotz Beschwerden, Klagen und Bundesgerichtsurteilen, scheint in der Schweiz bezüglich Telekommunikation nicht alles falsch zu laufen. Wir haben ein gut ausgebautes Netz und attraktive Angebote verschiedener Provider – trotz staatlicher Regulierung. Was müsste denn in Ihren Augen geändert werden?
Luzi von Salis: Ich bin ein Befürworter einer horizontalen Aufteilung von
Swisscom. BT hat das in Grossbritannien gemacht – das Unternehmen wurde in einen Infrastruktur- und einen Service-Teil aufgetrennt. Der Infrastrukturteil wird nun entsprechend vergütet, und alle Parteien, welche die Infrastruktur nutzen möchten, partizipieren daran. Und es funktioniert, die beiden Firmen entwickeln sich nicht zuletzt betriebswirtschaftlich besser als zuvor. Auch in der Schweiz hat es immer wieder Stimmen gegeben, die eine solche Aufteilung fordern, und ich bin der Meinung, ein solcher Schritt wäre fair, weil alle dieselbe Infrastruktur zu denselben Konditionen zur Verfügung gestellt bekämen, was sich positiv auf den Wettbewerb auswirken würde.
Fritz Sutter: Ich verstehe dich also richtig – Du möchtest zuerst in den Wettbewerb eingreifen, um so für Wettbewerb zu sorgen und den Markt spielen zu lassen.
Luzi von Salis: Das muss ja nicht staatlich passieren. Eine solche Kabel & Schacht AG – um dem Kind einen Namen zu geben – muss nicht staatlich sein, ein solches Konstrukt kann mit staatlichem Auftrag auch privatisiert funktionieren.
Fritz Sutter: Aber warum denn dieser Drang nach Veränderung. Eben haben wir darüber gesprochen, dass die Schweiz bezüglich Telekommunikation bestens funktioniert, im internationalen Vergleich führend ist. Warum willst Du denn etwas ändern?
Luzi von Salis: Für Swisscom funktioniert der Markt vielleicht, für die alternativen Provider allerdings weniger.
Fritz Sutter: Swisscom ist allerdings nicht verantwortlich für das Wohlergehen der anderen Anbieter. Die Grundfrage lautet doch, ob man die Lage aus Wettbewerbssicht oder aus Sicht der Endkunden anschaut. Aus Sicht der Endkunden funktioniert der Markt bestens – meiner Meinung nach.
Gründet die Erwartungshaltung an Swisscom, ein Netz für Dritte bereitzustellen, nicht auch ein wenig auf der Historie des Unternehmens als ehemaliger Staatsbetrieb?
Fritz Sutter: Das ist wahrscheinlich schon so. Der durchschnittliche Schweizer Bürger hat irgendwo die Meinung, dass Swisscom zu Teilen auch ihm gehöre – und das stimmt ja auch, schliesslich gehören 51 Prozent nach wie vor dem Bund. Allerdings ist Swisscom seit 25 Jahren liberalisiert, und es läuft ja gut. Bezüglich Telekommunikation steht die Schweiz international mit an der Spitze – vom Preis vielleicht einmal abgesehen.
Luzi von Salis: Da gebe ich Dir schon recht, es läuft nicht alles schlecht – im Gegenteil. Und es stimmt, viele Kunden und Kundinnen von Swisscom haben eine emotionale Bindung zum Unternehmen und wechseln nicht, um ein paar Franken zu sparen.
Fritz Sutter: Allerdings muss man auch festhalten, dass die emotionale Beziehung zu Swisscom rückläufig ist – rein schon aus demografischen Gründen. Die jüngere Generation ist kaum aus emotionalen Gründen bei Swisscom.
Warum eigentlich die Staatsmehrheit an Swisscom? Geht es dem Bund darum, die Kontrolle über die Telekominfrastruktur zu halten?
Luzi von Salis: Ganz sicher, denn viele der kritischen Dienste dieses Landes basieren auf dem Netz von Swisscom. Und aus diesem Grund bin ich auch der Meinung, das Netz muss unter staatlicher Kontrolle sein und bedarfsgerecht ausgebaut werden, was wiederum für die Aufteilung des Unternehmens in einen Infrastruktur- und einen Services-Teil spricht.
Fritz Sutter: Aus diesem Grund denke ich auch nicht, dass die Reduktion der Aktienmehrheit von Swisscom im Parlament eine Chance hätte – zumindest nicht in absehbarer Zeit. Ich sehe nicht, was den Anstoss geben könnte, um die Besitzverhältnisse zu verändern.
Sind Sie denn ein Befürworter dessen, dass sich die Mehrheit von Swisscom im Staatsbesitzt befindet?
Fritz Sutter: Von meiner grundsätzlichen Haltung her eigentlich nicht, nein. Ich gestehe ein, dass ich mich hier in einem Zwiespalt befinde zwischen einer liberal denkenden Person, die möglichst wenig Einmischung des Staates befürwortet, und einem Status, der funktioniert. Ich wüsste nicht, wie ich entscheiden würde, wenn ich über die Staatsbeteiligung an Swisscom entscheiden müsste. Doch so lange Swisscom einen guten Job macht, wird es kaum Stimmen geben, die Veränderung fordern.
Herr Sutter, Herr von Salis, ich danke Ihnen beiden für das Gespräch!
(mw)