Es fällt bestimmt jedem auf Anhieb die eine oder andere Möglichkeit ein, wie man Ressourcen sparen und somit den Planeten schonen kann. Nicht zu heiss duschen, möglichst auf Fleisch verzichten, kein Auto besitzen – die Liste liesse sich endlos fortsetzen. An elektronische Geräte wie Smartphones, Tablets oder Notebooks dagegen denken wahrscheinlich die wenigsten. Wozu auch? Auf die paar Kilowatt, die ein solches Gerät im Verlauf seiner Lebensdauer verbraucht, kommt es wohl nicht an. Das stimmt, aber die problematischen Aspekte bezüglich solcher elektronischen Geräte liegen nicht beim Stromverbrauch, sondern bei ihrer Herstellung. Oder bei dem, was nach dem Gebrauch passiert.
Jährlich produziert alleine Europa rund 10 Millionen Tonnen an Elektroschrott, was einem Stapel an Smartphones entspricht, der die Distanz von der Erde zum Mond übersteigen würde. Tendenz steigend. Diese gigantische Menge kommt unter anderem deshalb zustande, weil die Geräte im Schnitt über zwei Jahre vor ihrer konzipierten Lebensdauer durch neue ersetzt werden. Auf die Mobilität umgemünzt würde das bedeuten, dass man nach ungefähr 70’000 gefahrenen Kilometern das «alte» Auto durch ein neues ersetzt. Eigentlich völlig absurd. Dies und weil der Herstellungsaufwand gemeinhin unterschätzt wird, haben zur Folge, dass der Erwerb, die Nutzung und die vorzeitige Ausmusterung von elektronischen Geräten zwischen 0,4 und 1,8 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen.
Anreiz durch Rückkauf
Die österreichische Firme Refurbed, die sich auf die Wiederaufbereitung von elektronischen Geräten spezialisiert hat, hat das Fraunhofer-Institut damit beauftragt, eine Studie zu erstellen, welche das Einsparungspotenzial vom Refurbishment beziffert. Darunter versteht man die professionelle Wiederaufbereitung von gebrauchten elektronischen Geräten für den Wiederverkauf – im Grunde nichts anderes als ein Occasionsmarkt für Elektronik. Der erste Schritt besteht für den Refurbishment-Dienstleister darin, an gebrauchte Geräte zu gelangen.
Dies wird durch ein Zurückkaufen der Geräte initiiert. Um einen Anreiz für die Verbraucher zu schaffen, können diese ihre Geräte, anstatt sie zu entsorgen oder zu Hause zu horten, für die Wiederaufbereitung zurückgeben – und erhalten erst noch einen Teil des Kaufpreises quasi zurückerstattet. Je jünger das Gerät und je besser sein Zustand, desto höher fällt auch der Preis aus. Weil ein zerkratztes Gerät mit verstaubten Anschlüssen wohl kaum jemals wieder einen Käufer finden würde, beginnt nun der eigentliche Prozess, der das Gerät wieder auf Vordermann bringt.
Mehrstufiger Prozess
Zuerst wird das Gerät auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt und der Speicher in einem mehrstufigen Durchlauf gelöscht. Als Nächstes wird ein zertifizierter, weil einheitlicher, Softwaretest durchgeführt. Dieser soll eine einwandfreie Funktionalität gewährleisten, indem er Schwachstellen aufdeckt. Erreicht die Displaybeleuchtung die volle Helligkeit? Erzielt der Bildschirm die erforderliche Wiederholungsrate? Und verfügt die Batterie noch über eine ausreichende Kapazität? Wird im Zuge des Softwaretests ein nicht optimales Resultat erzielt, so wird die entsprechende Komponente durch eine gleichwertige ersetzt, damit die erzielte Leistung zufriedenstellend ist.
Als Nächstes werden das Gehäuse sowie das Display aufgefrischt. Mittels Schleifen, Polieren, Reinigen sowie Grading durch Laser werden äussere Gebrauchsspuren so gut wie möglich entfernt oder kaschiert. Zu guter Letzt werden allenfalls noch Software-Updates aufgespielt. Bereits ältere und stark zerkratze Geräte erhalten durch diesen Prozess wieder ein ansehnliches Äusseres und ein voll funktionsfähiges Innenleben. Jüngere Produkte werden durch das Refurbishment sogar in den Zustand geführt, als würden sie direkt ab Werk kommen. Die nun wieder verkaufsfähigen Geräte warten mit einer erneuerten Garantie und zu attraktiven Preisen auf ihren nächsten Käufer.
Belegtes Einsparpotenzial
Das Ziel des Ganzen ist es, vom linearen Wirtschaftssystem (nehmen, produzieren, entsorgen) wegzukommen, hin zu einer sogenannten Kreislaufwirtschaft. Indem die bei der Herstellung verwendeten Ressourcen mehrmals wiederverwendet werden, verbessert sich die Ökobilanz pro Gerät massiv.
Ein neues iPhone 11 beispielsweise verfügt über einen CO₂-Fussabdruck von 72 Kilo und die Produktion erfordert einen Wasserverbrauch von 12’075 Liter. Wird dasselbe Gerät dagegen wiederaufbereitet, so sinken der CO₂-Fussabdruck auf 15,7 Kilo und der Wasserverbrauch auf 1695 Liter. Wortwörtlich mehr ins Gewicht fällt die Belastung bei einem grösseren Gerät, wie etwa einem Macbook Air. Ein Neugerät verursacht 339 Kilo CO₂ und bedarf einer Wassermenge von 56’385 Liter. Das wiederaufbereitete Gerät dagegen verursacht lediglich 57,7 Kilo an CO₂ und kommt mit einem Wasserverbrauch von 5385 Liter aus.
Detailliertere Zahlen zum iPhone und Macbook Air sowie die Diskrepanz zwischen neu und refurbished beim Samsung Galaxy S20 SE, iPad Pro 4 und dem Lenovo Thinkpad T460 sind der Tabelle zu entnehmen. Die Zahlen belegen eindeutig, wie viel nachhaltiger ein wiederaufbereitetes Gerät im Vergleich zu einem fabrikneuen Produkt ist.
(Quelle: Fraunhofer Institut / Refurbed)
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In vielen Firmen wird die EDV nach einem festgelegten Intervall ersetzt. Auch Geschäftshandys sind in der Regel Neuware. Aber muss es unbedingt das aktuellste Gerät sein? Werden die gebotene Rechenleistung und der jüngste technische Trend für geschäftliche Zwecke tatsächlich benötigt? Wiederaufbereitete Geräte sind nicht nur für Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben haben, lohnenswert. Werden sich bisher im Einsatz befindliche Geräte zurückverkauft und gleichzeitig ein wiederaufbereitetes Gerät als Ersatz erworben, spart man einen erheblichen Teil des Kaufpreises eines Neugeräts und trägt aktiv etwas gegen den Klimawandel bei.
Die wiederaufbereiteten Geräte werden genauso wie Neugeräte einer Qualitätskontrolle unterzogen. Technische Probleme oder versteckte Mängel sind ausgeschlossen, weshalb die Geräte in der Regel auch über eine Garantie verfügen und mit grösster Wahrscheinlichkeit über diesen Zeitraum hinaus einwandfrei funktionieren. Selbst wer auf Nummer sicher gehen möchte und das Smartphone jährlich durch ein «neues» refurbished Gerät ersetzt, ist immer noch deutlich ökologischer unterwegs, als wenn im Zweijahres-Takt ein fabrikneues Gerät erworben und das alte entsorgt wird.
Etwas schwieriger wird es bei Computern oder Notebooks. Als kleines KMU kann es noch möglich sein, eine grössere Anzahl desselben Produkts als Occasion zu finden. Gut möglich, dass bei einer Grossbestellung zudem der Rabatt noch erträglicher ausfällt. Als grösseres Unternehmen mit dem Anspruch auf einheitliche Geräte auf Refurbished zu setzen, ist mit dem aktuellen Marktangebot noch nicht möglich. Oft sind schlicht nicht die benötigten Stückzahlen auf dem Refurbished-Markt erhältlich. Eine Möglichkeit wäre, die EDV gestaffelt zu ersetzen, wodurch man auf dem Markt eher fündig werden könnte. Aus technischer Sicht lässt sich aber sagen, dass der Markt das einzige Hindernis darstellt. Bedenken bezüglich der Sicherheit sind laut der Studie unangebracht. Alle wiederaufbereiteten Geräte werden streng kontrolliert und sind frei von Daten der Vorbesitzer und jeglicher Dritt-Software, die nicht vom Hersteller vorgesehen ist. Es lässt sich festhalten, dass es sich trotz zusätzlichem Aufwand lohnt, alte Geräte durch wiederaufbereitete zu ersetzen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es interne Firmenrichtlinien gestatten, gebrauchte Hardware zu verkaufen.
Zahlreiche Vorteile, kaum Nachteile
Es gibt laut der Studie kaum Gründe, die gegen den Erwerb von Refurbished-Geräten sprechen. Wer beispielsweise beruflich oder hobbymässig Multimedia Producer ist und demzufolge auf eine sehr hohe Rechenleistung angewiesen ist, tut sich mit wiederaufbereiteten Produkten wohl eher schwer. Das liegt aber nicht an den Produkten selber, sondern schlicht daran, dass auf dem Refurbished-Markt bislang kaum High-End-Geräte verfügbar sind.
Für alle anderen Fälle lohnt sich ein gebrauchtes Gerät: Man spart zusammen mit dem Erlös des bisherigen Geräts ordentliche Geldbeträge. Je mehr Kratzer man bereit ist in Kauf zu nehmen, desto höher ist das Sparpotenzial. Unabhängig davon trägt man aktiv zu einem nachhaltigen Lebensstil bei. CO₂-Emissionen werden im Schnitt um 80 Prozent, der Wasserverbrauch um 90 Prozent und die Menge an Elektroschrott um 73 Prozent verringert. Der limitierende Faktor für Grosskunden sowie Kunden mit spezielleren Ansprüchen ist derzeit die Verfügbarkeit. Je mehr Leute und Firmen jedoch ihr altes Gerät zurückverkaufen und wiederaufbereiten lassen, desto grösser und attraktiver wird das Angebot für neue und bestehende Kunden des Refurbishment-Marktes.
(dok)