Swiss IT Magazine»: Wie neidisch sind Sie auf die IT-Budgets, die Ihre Berufskollegen bei der Migros oder bei Coop zur Verfügung haben?
Wolfgang Mähr: Grundsätzlich bin ich überhaupt nicht neidisch auf meine Berufskollegen, denn am Ende des Tages machen wir alle in etwa dasselbe. Der Auftrag, der an die IT von Spar gestellt wird, unterscheidet sich nicht vom Auftrag der IT bei anderen Retailern – einzig die Anzahl der Märkte und die Anzahl Warengruppen unterscheidet sich, da wir keine Mode, keine Heimwerkerartikel oder keine Elektronik verkaufen.
Und wie sieht dieser Auftrag aus, den Spar an die IT-Abteilung stellt? Welche Bedeutung hat die Informatik für Spar?Die Bedeutung der IT hat sich in den letzten drei Jahren sehr deutlich gezeigt – nicht nur bei Spar, sondern ganz grundsätzlich in der Wirtschaft. Ich denke, inzwischen hat wirklich jeder die Bedeutung der Informatik erkannt, weil sie inzwischen in sämtliche Bereiche vorgedrungen ist. Zu Ihrer Frage nach dem Auftrag: Bei Spar ist die IT verantwortlich für die Verfügbarkeit der Systeme, angefangen beim Grosshandel bis hinaus zu den einzelnen Spar- und TopCC-Märkten, die ebenfalls zu unserer Gruppe gehören. Dazu ist noch wichtig zu erwähnen, dass Spar ein Franchise-Unternehmen mit eigenen Filialen sowie mit selbständigen Partnern ist, welche die Mehrzahl ausmachen. Auch für diese Partner verantworten wir die gesamte IT und stellen die Systeme bereit. Gleichzeitig ist die Informatik bei Spar auch für Innovationen im technischen Bereich zuständig – von neuen SAP- und Microsoft-Releases bis hin zu unbemannten Stores.
Vielleicht tue ich Spar unrecht, doch wenn ich in einem Spar-Laden stehe, denke ich weniger an Digitalisierung und Innovation, sondern sehe vielmehr einen soliden Detailhändler, der auf Regionalität setzt. Täuscht mich mein Eindruck?Es mag sein, dass dieser Eindruck zumindest nach aussen hin entstehen kann. Im Hintergrund aber sind wir alles andere als bieder – im Gegenteil. Wir spielen technologisch absolut vorne mit, allein schon, wenn ich unsere ERP-Systeme mit SAP betrachte. In unseren Lagern setzen wir seit nunmehr über siebzehn Jahren schon auf Voice Picking. Das bedeutet, dass rund 150 Kommissionierer mit Headsets und Mikrofonen in der Kommissionierung arbeiten, wo sie ihre Aufträge gesprochen erhalten und mittels Stimme bestätigen. Hier findet ein hoher Grad an Automatisierung statt. Das beginnt schon in den Märkten, wo das System vorschlägt, was zu bestellen ist, und geht dann weiter in der Erstellung der Aufträge für die Kommissionierer abhängig vom Aufbau der Lager und der Routen, die die LKWs fahren. Als Nutzerinterface kommt dabei Topsystem zum Einsatz, unser Sprachsteuerungs- und Spracherkennungssystem.
Sie haben vorhin auch unbemannte Stores angesprochen.Richtig, auch in diesem Bereich findet viel Innovation statt, beispielsweise im Bereich Self Checkout, der bei uns genauso ein Thema ist wie bei unseren orangen Kollegen. Wir arbeiten aber auch an Läden, die nicht besetzt sind, die bei uns Spar Go24 heissen und zu denen man sich Zutritt via Smartphone verschafft, die Artikel aus den Regalen nimmt, sie mit dem Smartphone scannt und dann bezahlt. Unser erster solcher Markt wurde erst kürzlich im Februar in Zürich am Sihlquai eröffnet, und weitere Pilotmärkte werden folgen – nicht zuletzt auch als Proof of Concept für die Informatik.
Kann Spar hier technologisch auf Bausteine ab Stange zugreifen?Gewisse Elemente gibt es in der Tat ab Stange, hier arbeiten wir mit Partnern zusammen. Auch was die Infrastruktur angeht, arbeiten wir mit Partnern, das ist allein schon deshalb nötig, weil wir eine Verfügbarkeit 24/7 sicherstellen müssen, was wir mit unserer Manpower gar nicht könnten.
Ich möchte noch etwas beim Thema Innovation bleiben. Wie wichtig ist dieses Thema für die Informatik von Spar?Das Thema ist wichtig, denn nur dank Innovation sind solche Konzepte wie der unbemannte Store, der rund um die Uhr offen hat und dabei deutlich weniger Personalkosten generiert, überhaupt möglich. Doch unsere Kernaufgabe liegt nicht darin, Innovation voranzutreiben oder Prozesse zu optimieren.
Sondern?Wir sind für das Werkzeug verantwortlich – für SAP, die Kassen, die Hardware und die Software. Die Prozessoptimierung geschieht derweil in enger Zusammenarbeit mit dem Business – sprich der Logistikabteilung, dem Einkauf und dem Verkauf. Mit den Business-Abteilungen definieren wir die Anforderungen, die sie benötigen und wir setzen diese um. Rund um Innovationen wiederum ist häufig die Informatik der Treiber, allein schon darum, weil es oft so ist, dass Hersteller und Lieferanten mit innovativen Lösungen an uns herantreten und wir dann in Absprache mit dem Business prüfen, ob diese Lösungen eine spannende Option für Spar wären. Vor Jahren war dies zum Beispiel eine Firma mit neuartigen elektronischen Regaletiketten. Nach einem eingehenden Piloten haben wir uns entschieden, sämtliche neuen und erneuerten Märkte mit diesen ESL (Electronic Shelf Label) auszustatten. Somit hat auch unser Kunde den Vorteil der Preissicherheit zwischen Regal und Kasse.
Sie haben Manpower angesprochen. Können Sie mir etwas zur Grösse und zum Aufbau der Informatikabteilung bei Spar erzählen?Dazu muss ich ein wenig ausholen. Wir sind seit rund sechs Jahren Teil der Spar Group Ltd. – einer südafrikanischen Firma, die in Johannesburg börsenkotiert ist. Nebst Südafrika gehören zu dieser Gruppe auch Sri Lanka, Polen, Irland, Südwest-Grossbritannien und die Schweiz. Das führt dazu, dass es auch länderübergreifende Projekte gibt und dass wir mit Spar Südafrika einen grösseren Backbone im Hintergrund haben. Das zeigt sich beispielsweise im Bereich Security, wo Spar in Südafrika eine grosse Abteilung beschäftigt, von der auch wir profitieren und wohin wir gewisse Dinge auslagern können. Weitere Vorteile ergeben sich auch beim IT-Einkauf, wo wir mit sechs Ländern kein kleiner Fisch mehr sind, wenn es beispielsweise um Lizenzen geht. Doch um auf Ihre Frage zurückzukommen: Hier in der Schweiz beschäftigen wir aktuell 19 Mitarbeitende in der Informatik – so viele wie noch nie. Organisiert sind wir dabei in drei Abteilungen. Die Abteilung IT-Systems ist verantwortlich für die Netzwerke, die Server und die Hardware sowie den Support in den Büros von Spar. Eine zweite Abteilung kümmert sich um das Thema SAP, das bei uns seit über 20 Jahren im Einsatz ist. Rund sieben Mitarbeitende sind hier tätig und bilden das Bindeglied zwischen SAP und unseren Business-Abteilungen. Die dritte Abteilung mit sechs Leuten ist für die Spar- und TopCC-Märkte zuständig und kümmert sich um sämtliche IT-Belange in diesen Märkten – vom Back Office über Drucker und Software bis hin zu den Kassen und Bezahlterminals.
Diese Abteilung macht auch den Vor-Ort-Support?Den First Level Support ja, aber nicht vor Ort bei Hardware-Problemen. Dazu haben wir einen Partner.
Können Sie mir etwas über aktuelle IT-Projekte erzählen, die bei Spar in der Schweiz im Moment laufen?Da gibt es unzählige Projekte, ich konzentriere mich darum auf die grossen Geschichten. Dazu gehört sicherlich die Umstellung auf SAP S4/Hana, die aktuell ansteht und bei uns unter dem Projektnamen Ukhozi läuft, was auf Zulu Weisskopfadler bedeutet. Es handelt sich hierbei um ein länderübergreifendes Projekt – es geht um die Vereinheitlichung der SAP-Plattform. Das Projekt hat im Oktober 2020 begonnen und das erste Land ging vor rund einem Monat live. Die Schweiz folgt dann Anfang 2024, und bis Ende 2024 werden alle Länder ausgerollt sein. Dazu muss man wissen, dass die Schweiz bis anhin das einzige Land war, das bereits SAP einsetzte, für die anderen Länder ist SAP Neuland. Entsprechend können wir aus der Schweiz heraus viel beitragen, gleichzeitig ist das Projekt für uns auch eine grössere Herausforderung.
Weshalb?Die Vereinheitlichung bedeutet auch, dass möglichst viel Standardisierung stattfinden soll, dass die Best-Practice-Prozesse von SAP zur Anwendung kommen. Nun können Sie sich vorstellen, das wir in 20 Jahren SAP zahlreiche Erweiterungen und individuelle Verbesserungen am System vorgenommen haben, die im Standard so nicht vorgesehen sind. Für uns bedeutet die Umstellung also, dass wir – zumindest in der Anfangsphase – in gewissen Bereichen auf Standards zurückgreifen.
Gibt es bei Spar weitere erwähnenswerte Projekte?Wir haben eine Kassensoftware, die in die Jahre gekommen ist und die wir gerne ersetzen möchten. Dabei bietet es sich natürlich an, das gleich in sämtlichen Ländern der Gruppe zu machen, sodass länderübergreifend dieselbe Lösung zum Einsatz kommt, was die Herausforderung ein wenig grösser macht. Doch wir sind hier dran, führen konkrete Gespräche und haben bereits eine Shortlist mit drei möglichen Herstellern erstellt. Über das dritte wichtige Projekt haben wir bereits gesprochen – die unbemannten Stores. Als viertes grosses Thema erwähnen möchte ich noch unseren neuen Spar Onlineshop, den wir aktuell am entwickeln sind und der bis im Frühsommer – Mai oder Juni – online gehen soll.
Und was soll darüber verkauft werden?Das Sortiment der verschiedenen Spar-Einzelhändler, so wie man das von anderen Retailern auch kennt. Unsere Herausforderung dabei ist, dass wir die Kunden aus den Läden heraus beliefern wollen, die in ihrer Nähe sind. Denn wir möchten den Online-Umsatz den Franchise-Partnern zukommen lassen, die bei unserem Onlineshop mitmachen. Spannend dabei ist zum einen, das richtige Sortiment online zu bringen, zum anderen aber auch die Organisation der letzten Meile – also die Frage, wer die Ware ausliefert. In grossen Ortschaften wie Zürich ist das kein grosses Problem, da nutzen wir einen Dienstleister, das Angebot ist breit. In ländlichen Regionen wird es komplizierter. Hier müssen wir individuelle Lösungen finden, einen Fahrradkurier oder den Marktleiter, der die Ware selbst zum Kunden bringt. Das sind nicht unbedingt IT-Aufgaben, die Anbindung an die Systeme aber liegt wieder bei uns.
Sie haben angesprochen, dass Sie IT-seitig in vielen Bereichen mit externen Partnern arbeiten. Wo passiert das überall und warum setzen Sie stark auf Partner?Am längsten – nunmehr wohl seit 25 Jahren – setzen wir im Bereich Systeme auf einen Partner. Wir beschäftigen selbst keine System- oder Datenbankadministratoren, sondern haben das alles ausgelagert – ursprünglich an Visionone aus St. Gallen, nach deren Übernahme seit einigen Jahren nun an UMB. Egal welche Hardware wir beschafft haben oder die Datenbank gewechselt haben, unser Partner hat uns immer hervorragend unterstützt, ist jeden Weg mit uns gegangen. Das war aus meiner Sicht eine grosse Erleichterung in all den Jahren. Ebenfalls stark auf einen Partner – in diesem Fall Retailsolutions – setzen wir im Bereich SAP. Wie erwähnt beschäftigen wir zwar selbst ein SAP-Team, doch das tiefe SAP-Know-how holen wir uns von unserem Partner, der auch weitere grosse Retailer betreut. Dadurch, dass Retailsolutions nicht nur uns, sondern auch unsere Mitbewerber zu seinen Kunden zählt, findet abseits von Geschäftsgeheimnissen auch ein gewisser Know-how-Transfer zwischen uns Retailern statt, was sicherlich positiv ist.
Ist das Outsourcing an Partner angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels auch eine Notwenigkeit? Würden Sie gerne mehr selbst machen, wenn Sie die Leute finden würden?
In den beiden erwähnten Bereichen nicht, hier sind wir froh um unsere Partner und sind überzeugt vom Outsourcing-Entscheid. Ich wollte mich nie um diese Bereiche kümmern müssen, wir haben gute SLAs, justieren die Verträge immer wieder nach, sodass sie auf die aktuelle Situation passen, und wir haben die externen Spezialisten immer wieder auch eng an uns herangenommen, haben sie mit einbezogen, als wären sie unsere eigenen Leute. Wir haben unserem Partner zum Beispiel unser Lager gezeigt und ihm erklärt, dass hier Hunderte von Leuten Däumchen drehen, wenn die Systeme nicht laufen – so haben wir das Bewusstsein für die Bedeutung seiner Arbeit geschärft. Ich darf wirklich festhalten, dass wir sehr zufrieden mit unseren Partnern sind und aktuell sogar prüfen, ob es weitere Bereiche gibt, bei denen ein Auslagern Sinn machen könnte.
Ist der Fachkräftemangel eine Herausforderung für Spar? Hat das Unternehmen genügend Strahlkraft, um IT-Spezialisten anzulocken?
Der Fachkräftemangel ist ein grosses Thema auch bei uns, wobei die Herausforderung nicht in allen Bereichen gleich ist. Gerade im SAP-Bereich können wir sehr viel durch Fachkräfte aus dem deutschsprachigen Ausland abdecken. Wenn wir eine Stelle im SAP-Umfeld ausgeschrieben haben, bekommen wir zwar kaum Bewerbungen aus der Schweiz, doch regelmässig aus Deutschland. Diese Kandidaten zeigen Bereitschaft, in die Schweiz zu ziehen, an den Bodensee, nahe an die Berge. Für einen Kandidaten aus Deutschland ist auch der Lohn, den wir in der Ostschweiz zahlen können, attraktiv – im Gegensatz zu einem Bewerber aus dem Grossraum Zürich, wo die Löhne einfach höher sind, das lässt sich nicht von der Hand weisen. Schwieriger als im SAP-Umfeld ist es mit Spezialisten im Bereich Kassen. Hier ist es enorm schwierig, Fachkräfte zu finden, denn jemand, der in diesem Bereich tätig sein möchte, muss mehr als nur technisches Know-how rund um Windows und Active Directory mitbringen. Er muss Verständnis für Prozesse haben. Aus diesem Grund suchen wir auch innerhalb des eigenen Unternehmens Leute, die sich entsprechend weiterbilden wollen – Mitarbeitende, die in Märkten arbeiten und die entsprechenden Abläufe und Prozesse kennen beispielsweise. Im Bereich Technik mit Supportern und IT-Systemverantwortlichen ist es ebenfalls nicht einfach, hier sind wir deshalb am prüfen, ob wir hier nicht vermehrt auf die Unterstützung von Partnern setzen wollen.
Was kann Spar einem Informatiker denn bieten? Was macht Sie als Arbeitgeber attraktiv?
Neben einem zukunftssicheren Arbeitsplatz und einem tollen Klima in der Spar-Familie möchte ich an dieser Stelle sicherlich das Thema Aus- und Weiterbildung erwähnen. Wie bieten unseren Mitarbeitenden sämtliche Möglichkeiten, sind jederzeit gewillt, in die Ausbildung unserer Leute zu investieren. Daneben bieten wir in der Informatik von Spar eine grosse Bandbreite an Tätigkeiten an. Wenn jemand sich neu orientieren möchte, hat er bei uns intern viele Möglichkeiten. Ein Mitarbeiter, der vom technischen Bereich genug hat, kann sich beispielsweise in Richtung Kassensysteme entwickeln oder auch in Richtung SAP – wir unterstützen das alles nach Möglichkeit. Weiter ist unsere Internationalität sehr attraktiv. Und nicht zu vergessen: Wir sind eine relativ kleine Truppe, was doch auch viele Vorteile mit sich bringt. Man kennt einander, als Mitarbeitender ist man nicht einfach nur eine Nummer.
Wolfgang Mähr
Wolfgang Mähr ist Geschäftsleiter Informatik bei der Spar Gruppe Schweiz. Der gebürtige Vorarlberger wohnt in Bregenz und ist seit jeher im Retail tätig. Nach seiner Ausbildung arbeitete er im Einkauf eines österreichischen Lebensmittelgrosshändlers. Bereits in dieser Zeit begann Wolfgang Mähr, sich für das Thema Informatik zu begeistern, später bildete er sich in der IT auch weiter und arbeitete in der Informatik bei einem österreichischen Retailer. Für Spar in der Schweiz ist er seit 1997 als Informatikleiter tätig.
Zum Unternehmen
Die Spar Gruppe Schweiz gehört seit 2016 zur Spar Group Ltd., einer südafrikanischen Firma, die in Johannesburg börsenkotiert ist und nebst Märkten in der Schweiz und Südafrika auch solche in Sri Lanka, Polen, Irland und Südwest-Grossbritannien unterhält. Die Spar Group Ltd. wiederum ist Teil von Spar International mit Sitz in Amsterdam. Spar International ist die weltweit grösste freiwillige Lebensmittel-Einzelhandelskette mit rund 13’600 Märkten (u.a. Spar, Spar Express, Eurospar, Interspar) in 48 Ländern auf allen Kontinenten ausser Nordamerika. In der Schweiz gehört unter anderem auch TopCC zur Spar Gruppe. Alles in allem zählt die Gruppe hierzulande 250 Spar-Märkte und 11 TopCC-Grossmärkte. Die Spar Group Ltd. machte im Jahr 2022 einem Gesamtumsatz von 7,5 Milliarden Franken, Spar International kam auf einem Gesamtumsatz vin 41,2 Milliarden Euro. Spar bedeutet auf Holländisch Tanne.
(mw)