cnt
Ideenentwicklung in der Unendlichkeit
Quelle: Apple

Apple Freeform

Ideenentwicklung in der Unendlichkeit

Einem geschenkten Gaul soll man bekanntlich nicht ins Maul schauen. Wir haben es dennoch getan und Apples kostenlose neue Anwendung Freeform getestet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/01

     

Kurz vor Weihnachten hat Apple seine Kunden mit einer neuen App beschenkt. Eingefleischte Apple-Nutzer werden die Anwendung Freeform, die im Sommer 2022 angekündigt wurde, bereits sehnlichst erwartet haben. Die grosse Mehrheit der iPhone- und iPad-Besitzer wird sich nach dem Update auf iOS 16.2 respektive iPadOS 16.2 jedoch gefragt haben, was dieses neue Icon auf ihren Bildschirmen soll und was sich dahinter verbirgt.


Während viele User Freeform vermutlich, ohne mit der Wimper zu zucken, sofort gelöscht oder in einen Ordner mit dem Titel «Weitere Apps» entsorgt haben, so gab es bestimmt auch viele Neugierige, die die App wie wir einem Test unterzogen haben. Ob wir sie anschliessend doch entfernt oder ins Nirgendwo verschoben haben, das verraten wir am Ende des Artikels. Zuvor tauchen wir für ein paar Minuten in die im wahrsten Sinne des Wortes unendlichen Weiten von Freeform ein.

Nicht nur für iPhone und iPad

Apple preist Freeform als neue App für kreatives Brainstorming und Zusammenarbeiten an. Man könnte die Anwendung auch als Whiteboard-App oder aufgebohrte Notiz-App bezeichnen. Irgendwie trifft alles etwas zu. Und das macht Freeform interessant. Man erhält eine unendlich grosse, freie Arbeitsfläche, auf der man sich auf dem iPhone oder dem iPad mit seinen Fingern und/oder einem Stift austoben kann.

Freeform gibt es aber nicht nur für iPhone und iPad, sondern auch für Macs (ab MacOS Ventura 13.1). Hier erfolgt die Bedienung klassisch mit Maus und Tastatur. Das funktioniert, ist aber natürlich eine ganz andere Erfahrung als auf einem Smartphone oder Tablet, wohin die Mac-Variante gewisse Arbeiten wie beispielsweise das Zeichnen oder das Aufnehmen von Fotos auslagert. Grundsätzlich ein nettes Feature, das im Test allerdings den einen oder anderen Aussetzer hatte. Häufig wurden die Geräte erst nach mehrmaligem Suchen erkannt und die Synchronisation dauerte zum Teil etwas gar lang.


Was das Zeichnen betrifft, so stehen verschiedene Werkzeuge wie ein Blei-, Farb- oder Wachsmalstift, eine Farbtube für das Malen von Flächen, ein Radiergummi sowie ein Markierstift zur Verfügung. Dazu bietet Apple eine grosse Farb­auswahl inklusive einem Pipetten-Tool ähnlich dem in Photoshop, um ganze Stile zu kopieren. Mit einem Stift wie dem Apple Pencil, ein fast unverzichtbares Accessoire für Freeform-Nutzer, können ausserdem handschriftliche Notizen gemacht und direkt in getippte Texte umgewandelt werden. Eine OCR-Texterkennung gibt es hingegen noch nicht.

Importieren von Fotos, Videos, Dokumenten und Links

Neben Zeichnungen und handschriftlichen Texten lassen sich auf einem Freeform-Board auch Notizzettel und Formen sowie maschinelle Texte einfügen. Apple bietet Post-It-Zettel in verschiedenen Farben und Grössen, allerdings nur in quadratischer Form und nur mit getipptem Text. Dafür gibt es unzählige weitere Formen und Symbole wie Kreise oder Pfeile, aber auch Tiere, Pflanzen, Lebensmittel und vieles mehr, das man einsetzen, neu einfärben, verschieben, drehen, gruppieren, neu anordnen oder auseinanderbrechen kann. Letztere, in unseren Augen ziemlich einzigartige Funktion, dient dazu, komplexere Grafiken in ihre Einzelteile zu zerlegen. Diese lassen sich dann löschen oder neu arrangieren.

Weiter können in Freeform Inhalte wie Fotos importiert und nachträglich zugeschnitten werden. Videos lassen sich ebenfalls einfügen und sogar direkt auf dem Board abspielen. Auch der Import von PDF- oder Word-Dateien ist möglich, wobei es auf der Arbeitsfläche selbst leider noch keine mehrseitige Vorschau gibt, durch die man sich beispielsweise blättern könnte. Man kann die Dokumente aber dazu in der App öffnen. Schliesslich können auch Links zu Webseiten auf das Board gebracht werden, wobei sich diese nur extern in einem Browser öffnen lassen. Nett wäre auch hier eine kleine Vorschau direkt auf der Arbeitsfläche, in der das Scrollen oder andere Aktionen möglich wären.


Freeform lässt seine Nutzer aber nicht nur importieren, sondern auch exportieren. Gemeint ist der Export eines Boards in eine PDF-Datei, zum Beispiel zur Archivierung oder zum Teilen mit anderen Personen (dazu später mehr). Zu beachten ist dabei, dass die App die ganze Arbeitsfläche, auf der sich Zeichnungen, Texte, Bilder oder was auch immer befinden, nimmt und daraus ein einseitiges PDF generiert. Das Ergebnis kann so schnell sehr hoch und sehr breit werden. Drucken ist übrigens auch direkt aus der App heraus möglich.

Eingeschränkte Zusammenarbeit

Wie eingangs erwähnt, lässt sich Freeform nicht nur als persönliches visuelles Brainstorming-Werkzeug oder Notizbuch nutzen, sondern ermöglicht auch die Zusammenarbeit – zumindest mit Besitzern eines neueren iPhones, iPads oder Macs. Wer ein älteres oder anderes Apple-Gerät besitzt, kann sich ebenso nicht an den kreativen Ideenfindungsprozessen beteiligen wie Windows- oder Android-Nutzer. Das ist im Vergleich zu anderen Anwendungen wie beispielsweise Microsofts Whiteboard App momentan bestimmt ein Nachteil, insbesondere im Unternehmensumfeld. Schön wäre deshalb, wenn Apple Freeform in Zukunft zumindest auch als Web-App veröffentlichen würde.

Sind die genannten Voraussetzungen gegeben, so steht einer Zusammenarbeit nichts oder fast nichts mehr im Wege. Das Teilen eines Boards mit einer anderen Person funktionierte in unserem Test einwandfrei, per iMessage oder E-Mail. Man sollte aber unbedingt erst die Einstellungen aufrufen und dort kontrollieren, ob Freeform berechtigt ist, die iCloud zu nutzen. Zudem müssen alle Personen, mit denen man ein Board teilt, mit ihrer Apple-ID angemeldet sein, um das Board zu bearbeiten oder anzuzeigen.


Die eigentliche Zusammenarbeit klappte einwandfrei und unterschied sich nicht gross von anderen Zusammenarbeitserfahrungen, beispielsweise dem gemeinsamen Bearbeiten einer Präsentation in Powerpoint. Zum Teil gab es leichte Verzögerungen beim Synchronisieren, was auch während der persönlichen Nutzung und insbesondere während dem Wechsel von einem Gerät auf das andere ab und an vorkam. Funktioniert hat auch das Zuschalten der Mitarbeitenden per Facetime, in Ton und/oder Video.

Microsoft vs. Apple

Während der Zusammenarbeit, aber nicht nur da, machte uns die Mac-Variante von Freeform noch einen etwas unrunden Eindruck. Ein gutes Beispiel dafür ist die Navigation, die auf einem iPad oder iPhone sonnenklar ist. Wenn man auf den Mac wechselt, dann ist alles nicht mehr ganz so intuitiv, das Zoomen und Scrollen auf der Arbeitsfläche beispielsweise eher umständlich. Man sucht auch länger nach Funktionen wie beispielsweise dem PDF-Export, der sich aus irgendwelchen Gründen nicht direkt in der App sondern nur in der Menüleiste befindet.


Kommen wir damit zum Fazit und zur Auflösung der eingangs gestellten Frage, ob wir Freeform nach unserem Test noch nutzen. Sagen wir’s mal so: Gelöscht haben wir die App nicht, aber wirklich warm geworden sind wir auch noch nicht. Der Hauptgrund liegt darin, dass wir mit Onenote bereits ein mächtiges Notizwerkzeug einsetzen und bei Bedarf auf die in Teams integrierte Whiteboard-App von Microsoft zurückgreifen. Für Unternehmen und Private, die sich stärker in der Apple-Welt bewegen, ist Freeform aber definitiv ein sehr interessantes und praktisches Werkzeug für die visuelle Gestaltung und Organisation von Inhalten sowie die Zusammenarbeit, das mindestens auf die zweite Seite des Home-Bildschirms gehört.

Fazit

Freeform macht sich in der aktuellen, ersten Version bereits sehr gut. Die App bietet einen grossen Funktionsumfang mit einfach zu verwendenden Werkzeugen, der sicher noch weiter wachsen wird. An der einen oder anderen Stelle muss und wird Apple bestimmt noch nachbessern, beispielsweise bei der Mac-Variante. Die grösste Baustelle ist jedoch die Zusammenarbeit, für die Freeform laut Apple entwickelt wurde. Diese wird, insbesondere in Unternehmen, nur dann richtig zum Fliegen kommen, wenn man die Anwendung für andere Plattformen öffnet.

Positiv
+ kostenlose App mit grossem Funktions­umfang
+ intuitive, einfache Bedienung
+ nahtlose Zusammenarbeit (für Apple-­Nutzer)


Negativ
- im Apple-Ökosystem gefangen
- kleinere Synchronisationsprobleme
- Mac-Variante noch nicht ganz rund

Hersteller/Anbieter
Apple

Preis
kostenlos

Wertung
Funktionalität 5 von 6 Sternen
Bedienung 5,5 von 6 Sternen
Preis/Leistung 6 von 6 Sternen
Gesamt 5,5 von 6 Sternen (mv)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER