Das Genfer Internet-Unternehmen
Infomaniak hat sich aufgemacht, den Branchengrössen Microsoft und Google mit einer eigenen Collaboration-Plattform zu trotzen. Die Lösung nennt sich Ksuite, wurde von Infomaniak unter Zuhilfenahme verschiedener Open-Source-Technologien und der Office-Alternative von Onlyoffice entwickelt und wird in den Rechenzentren von Infomaniak mit Standort Schweiz betrieben. Infomaniak bezeichnet die Ksuite als «ethische kollaborative Lösung» und weist damit wohl auf diverse Massnahmen in Sachen Umweltschutz hin. So betreibt das Unternehmen die eigenen Rechenzentren zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien und ohne Klimatisierung, kompensiert die CO2-Emissionen gleich doppelt, nutzt die Server bis 15 Jahre lang und baut Solaranlagen.
Suite aus verschiedenen Komponenten
Die Ksuite setzt sich aus verschiedenen Diensten zusammen, die mehrheitlich auch separat abonniert werden können – was sich allerdings kaum lohnt, wie wir später anhand der Preise aufzeigen. Im Zentrum steht der Online-Speicherdienst Kdrive, den
Infomaniak schon seit Jahren anbietet. Zusätzlich enthält die Suite den E-Mail-, Kalender- und Kontaktverwaltungsservice Kmail, genauso wie den Video-Conferencing-Dienst Kmeet und die Produktivitäts-Anwendungen Docs, Grids und Points – entsprechend Word, Excel und Powerpoint –, die sich online im Browser oder für die Offline-Arbeit in Form von Desktop-Apps für Windows und MacOS, diverse Linux-Distributionen sowie als Tablet-App unter Android und iPadOS nutzen lassen.
Kmail mit Kalender und Kontaktverwaltung funktioniert wie erwartet, bietet aber neben einem guten Spam-, Malware- und Phishing-Schutz und der Möglichkeit, die Kalender verschiedener Teammitglieder gleichzeitig anzuzeigen und zu synchronisieren, keine erwähnenswerten über Standardfunktionen hinausgehenden Möglichkeiten. Bestehende Kontakte und Kalender kann man importieren. Dies erfordert aber einen mehrstufigen, etwas komplizierten Prozess, den Infomaniak allerdings anschaulich erläutert, und nimmt bei einer grossen Zahl von Kontakten einige Zeit in Anspruch.
Zu diesen Kernfunktionen kommen weitere Apps und Dienste hinzu. Mit Kpaste verschickt man vertrauliche, AES-256-verschlüsselte Daten wie Passwörter oder Kreditkartenangaben an ausgewählte Empfänger in Form von Links. Dabei lässt sich genau bestimmen, wie lange der Link gültig ist und ob sich die Benachrichtigung nach dem Lesen automatisch selbst löschen soll. Swisstransfer ist ein Dienst zum Versand bis zu 50 Gigabyte grosser Dateien im Stil des bekannten Service Wetransfer, der jedoch auch ohne Ksuite-Abo gratis zur Verfügung steht. Infomaniak arbeitet darüber hinaus an einem Instant-Messaging-Service mit öffentlichen und privaten Kanälen und persönlichen Nachrichten namens Kchat, der zum Zeitpunkt unseres Tests jedoch noch nicht verfügbar war. Und je nach gewählter Abo-Variante kann die Suite mit kundenspezifischem Branding und unter der eigenen Domain präsentiert werden.
Mit dem Large-File-Transfer-Dienst Swisstransfer verschickt man Dateien bis zu 50 Gigabyte Grösse im Stil von Wetransfer an beliebige Empfänger. (Quelle: Infomaniak)
Zentrale Drehscheibe Kdrive
Grundsätzlich setzt sich die Ksuite aus einzelnen Diensten zusammen, die nur locker miteinander verbunden sind. Jeder Service lässt sich eigenständig aufrufen – so erhält man etwa Zugang zum Conferencing-Dienst über kmeet.infomaniak.com oder zu Kmail unter mail.infomaniak.com. Zugriff auf die meisten Apps und Dienste bietet Kdrive (drive.infomaniak.com), und zwar über ein Aufklappmenü, das beim Klick auf das Gitter-Icon oben rechts in der Oberfläche erscheint. Kdrive bildet auch in anderer Hinsicht das Zentrum der Suite: Auf dem Online-Speicher werden die Dokumente abgelegt, die mit den Produktivitäts-Apps erstellt und gemeinsam von mehreren Nutzern bearbeitet werden können.
Der Zugriff auf die Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationssoftware erfolgt indes nicht über das erwähnte Aufklappmenü, sondern durch Erstellen eines neuen Dokuments per Klick auf den grossen blauen Button links oben – oder indem man ein bestehendes Dokument in der File-Übersicht von Kdrive öffnet. In beiden Fällen erscheint das Dokument dann in einem separaten Tab mitsamt der Web-Oberfläche der jeweiligen App.
Abgesehen davon bietet Kdrive die elementaren Funktionen vergleichbarer Dienste wie Onedrive, Google Drive oder Dropbox. Dokumente lassen sich erstellen, mit anderen Ksuite-Nutzern gemeinsam bearbeiten, per Link mit beliebigen Empfängern teilen und mit Kategorien taggen. Kdrive erlaubt auch den Datenimport aus anderen Speicherdiensten, namentlich Dropbox, Box, Google Drive, Onedrive, Owncloud, Nextcloud sowie generell von Webdav-Servern. Einzelne Dateien oder Ordner lädt man via Upload-Dialog oder per Drag&Drop vom Computer zu Kdrive hoch.
Der Autor hat dies bereits vor fast zwei Jahren erfolgreich durchgeführt und mehrere hundert Gigabyte an Daten ohne Probleme von seinem Dropbox-Konto importiert – einmal beim betreffenden Konto anmelden genügt, und der Transfer läuft im Hintergrund ab. Im Vergleich mit Dropbox, das ja immer mehr auf Collaboration setzt und diesbezüglich immer wieder neue Features einführt, offeriert Kdrive nur die grundlegenden Möglichkeiten des gemeinsamen Bearbeitens und Teilens von Dokumenten und Dateien. Dies dürfte für die meisten Nutzer jedoch vollauf genügen.
Was uns sehr gut gefällt ist die Oberfläche von Kdrive. Die Dateien des aktuell gewählten Verzeichnisses präsentiert Kdrive in Form einer Liste oder als Galerie mit einer Dateivorschau in drei wählbaren Grössen. Je nach Typ erscheint eine Datei mit einer visuellen Vorschau oder mit neutralem Hintergrund. In beiden Fällen verschafft die Vorschau bei Mausberührung Zugang zu einer grösseren Vorschaudarstellung – dies auch für Texte, Tabellen und Präsentationen –, zu den Sharing-Features und zu vielen weiteren Funktionen wie der Zuordnung von Kategorien.
Kdrive zeigt die gespeicherten Bilder mit einer Vorschau an. Per Rechtsklick lassen sich verschiedene Funktionen direkt aus dem Kontextmenü aufrufen. (Quelle: Infomaniak)
Über den New-Button in Kdrive lassen sich Textdokumente, Tabellen und Präsentationen anlegen. (Quelle: Infomaniak)
Docs, Grids, Points
Für das Erstellen und Bearbeiten von Textdokumenten, Tabellen und Präsentationen setzt die Ksuite auf die Technologie von Onlyoffice. Die drei Produktivitäts-Apps nennen sich Docs, Grids und Points und arbeiten per Default mit den Microsoft-Standardformaten .docx, .xlsx und .pptx. Bestehende Dokumente in diesen Formaten werden anstandslos geöffnet und korrekt dargestellt. Allerdings lassen sich solche Dokumente, die nicht schon auf Kdrive liegen, nicht direkt von den Apps aus aufrufen, sie müssen zuerst auf Kdrive hochgeladen werden und lassen sich dann via Kdrive-Oberfläche öffnen. Die drei Apps verstehen sich überdies auf viele weitere gängige Produktivitätsformate wie TXT, CSV, ODS, ODT etc., PDF und PDF/A, DOCXF, OFORM, HTML oder EPUB. Für die gemeinsame Arbeit an einem Dokument stellen die drei Apps neben den üblichen Review-Funktionen einen integrierten Text-Chat bereit, der links neben dem Inhalt des Dokuments erscheint.
Im Erscheinungsbild und in den Funktionen gleichen Docs, Grids und Points den Online-Versionen der entsprechenden Microsoft-Anwendungen, inklusive Ribbon-Interface, Kommentarfunktion und Änderungsverfolgung. Die Arbeit im Browser geht flüssig vor sich, im Test konnten wir keine Probleme feststellen. Änderungen werden unmittelbar auf Kdrive gesichert, und die editierten Dokumente erscheinen beim Öffnen in Microsoft Office in tadelloser Darstellung.
Online-Meetings in ausreichender Qualität
Infomaniaks Conferencing-Dienst Kmeet, der sich auch ohne Ksuite-Abo kostenlos nutzen lässt, basiert auf der Open-Source-Lösung Jitsi Meet und bietet, was den Bereich Online-Meetings angeht, vergleichbare Funktionen wie Microsoft Teams. Kmeet kann wahlweise im Browser oder in der Desktop-App genutzt werden, die Funktionen sind identisch. Die Oberfläche ist aufgeräumt und verzichtet auf unnötigen Schnickschnack, wirkt dadurch allerdings im Vergleich zu Teams eher simpel – vor allem auch, weil Kmeet sich auf geplante oder spontane Online-Meetings mit Video, Audio und Textchat sowie Screen Sharing beschränkt und auf Teams-Features wie eine integrierte Messaging-Plattform (dafür wird demnächst Kchat zuständig sein), die Unterteilung in verschiedene Teams, die direkte Integration der Dateiablage oder Telefoniefunktionen verzichtet. In diesem Sinn ist Kmeet eher mit Zoom zu vergleichen als mit Teams.
Die Audio- und Videoqualität von Kmeet ist nicht perfekt, aber weitgehend auch nicht schlechter als bei Teams – mit einer Ausnahme: Bei der Anzeige des Kamerabilds vor einem künstlichen Hintergrund, ob einer der mitgelieferten oder ein selbst hinzugefügtes Bild, erscheinen bei Bewegungen deutlich massivere Artefakte, die wirklich stören können (siehe Bild). Hier muss das Jitsi-Projekt beim Pseudo-Greenscreen-Algorithmus wohl noch nachbessern.
Der Videokonferenzdienst Kmeet basiert auf der freien Software Jitsi Meet und funktioniert gut. Nur beim Freistellen stören die doch ziemlich vernehmlichen Artefakte. (Quelle: Infomaniak)
Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugt
Die Möglichkeiten der Ksuite dürften die meisten Zusammenarbeitsbedürfnisse eines kleineren oder mittleren Unternehmens abdecken.
Infomaniak positioniert die Ksuite-Angebote für bis zu 300 Nutzer. Ksuite ist in drei Versionen erhältlich. Die Standardversion ist für einen User kostenlos, liefert jedoch nur 15 GB Online-Speicherplatz – genug, um alle Funktionen auszuprobieren, aber in der Praxis wohl für die meisten Anwender zu wenig.
Die Pro-Version wartet mit 3 TB Speicher für jeden Nutzer auf und kostet pro User und Monat bei jährlicher Bezahlung 7.33 Franken (im ersten Jahr gibt es 50 Prozent Rabatt). Und die Variante Unternehmen bietet pro User für monatlich 13.83 Franken (erstes Jahr auch hier mit 50 Prozent Rabatt) 6 TB Storage und erlaubt Custom Branding mit individueller Anpassung des Domainnamens, eigenem Logo und eigenen Farben in den Ksuite-Apps. Dazu kommen bei Pro fünf und bei Unternehmen zehn freigegebene E-Mail Adressen ohne weitere Kosten, worunter Infomaniak «eine von einem oder mehreren Benutzern verwendete E-Mail-Adresse» versteht.
Mit diesen Preisen ist die Ksuite absolut konkurrenzfähig, sowohl gegenüber Mitbewerbern als auch im Vergleich zu Kdrive allein. So gibt es zum Beispiel bei Google Workspace keine Gratis-Variante, und das günstigste Abo mit 30 GB Storage kostet 6 US-Dollar pro Monat und User. Für 12 Dollar monatlich gibt es 2 TB pro User, und 5 TB schlagen mit 18 Dollar pro Monat zu Buche. Dabei ist jedoch zu erwähnen, dass bei den höherpreisigen Varianten erweiterte Sicherheits- und Management-Features inklusive sind.
Infomaniak-intern kostet ein reines Kdrive-Abo mit insgesamt 3 TB Speicherplatz 10 Franken pro Monat für maximal sechs User, die sich den Speicherplatz aufteilen. Die Variante mit mindestens 6 TB ist für 6.66 Franken pro Monat und User zu haben und muss für mindestens drei User gebucht werden. Ein Ksuite-Abo erweist sich also in vielen Fällen als sinnvollere Alternative. Es gibt aber einen Pferdefuss: Wer bereits ein Kdrive-Konto hat, kann dieses momentan nicht zur Ksuite aufrüsten, wie Infomaniak einräumt. Auch die Anmeldung mit einer bestehenden E-Mail-Adresse mit eigenem Domainnamen ist derzeit nicht möglich. Die Ksuite lässt sich aktuell nur nutzen, wenn ein neues Angebot gebucht wird, wozu auch ein Domainname gehört, der bei der Anmeldung gleich mitgebucht wird. Infomaniak will entsprechende Upgrade-Möglichkeiten demnächst noch nachreichen.
Kpaste dient dem verschlüsselten Versand von vertraulichen Kurzinformationen wie Passwörtern oder finanzrelevanten Angaben samt Kontrolle über die Gültigkeitsdauer des generierten Links. (Quelle: Infomaniak)
Infomaniak Ksuite
Die Ksuite macht einen durchwegs erfreulichen Eindruck und bietet alle grundlegenden Funktionen und Apps für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Team, aber auch für Einzelnutzer, die gerne geräteunabhängig online arbeiten. Allein der zur Verfügung stehende Online-Speicher ist im Vergleich zu Mitbewerbern preislich attraktiv, und die geringen Mehrkosten zum blossen Kdrive machen ein Ksuite-Abo zum No-Brainer. Etwas ärgerlich ist, dass sich aktuell ein bestehender Kdrive-Account nicht zur Ksuite upgraden lässt. Dazu kommen einige Missliebigkeiten wie die schlechte Freistellungsqualität bei Online-Videomeetings oder die Tatsache, dass die Produktivitäts-Apps nur beim Anlegen eines neuen oder beim Öffnen eines auf Kdrive abgelegten Dokuments zugänglich sind und sich nicht über einen eigenen Button starten lassen. Die Vorteile überwiegen jedoch eindeutig.
Positiv+ grosser, günstiger Online-Speicher
+ Produktivitäts-Apps im vertrauten Stil
+ unkomplizierte Online-Meetings
+ Datenstandort Schweiz
+ umweltfreundliches Hosting
Negativ- Instant Messaging noch nicht verfügbar
- Qualitätsprobleme beim Video-Freistellen
- Zugriff auf Office-Dokumente nur, wenn sie auf Kdrive liegen
Hersteller/AnbieterInfomaniakPreisGratisversion (1 User, 15 GB) oder ab Fr. 7.33/Monat/User (3 TB/User)
WertungFunktionalität 5 von 6 Sternen
Bedienung 4,5 von 6 Sternen
Preis/Leistung 6 von 6 Sternen
Gesamt 5 von 6 Sternen
(ubi)