Genau; Löcher bohren können wir bestens: zum Beispiel in Käse, am liebsten in Emmentaler, oder in Berge, am liebsten in grosse wie den Gotthard. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeitet seit 2010 ein illustres Gremium daran, die Schweiz zu untertunneln.
Damals sprachen Migros und Manor etwas Geld für eine erste Machbarkeitsstudie, die 2015 fertiggestellt und Bundesrätin Leuthard vorgestellt wurde. 2016 sicherte der Bund seine Unterstützung zu und 2017 wurde die Cargo sous Terrain AG gegründet. Seitdem geht’s flott vorwärts; technisch, finanziell und natürlich auch politisch. Im Dezember 2021 gab das Parlament dann grünes Licht, das Gesetz für Transport im Untergrund wurde bewilligt (UGüTG - welch Name). Das heisst, dass das Projektteam nun «tangible» Planungsmassnahmen zur Umsetzung der ersten Strecke vornehmen darf.
2031 soll die Tunnelstrecke Härkingen - Zürich fertig sein, bis dann wird 20 bis 40 Meter unter der Erdoberfläche ein Loch gebohrt; entlang dieser Strecke sind zehn Hubs geplant, an denen ein- und ausgeladen werden kann. Selbstverständlich läuft der ganze Transport autonom, ohne Fahrer oder Fahrerinnen. Mit etwas Glück hat’s dann auf der Autobahn auf dieser Strecke deutlich weniger Lastwagen. Stattdessen werden putzige Wägeli das Mittelland mit 30 km/h unterirdisch durchqueren und Fracht transportieren. Kleines Stückgut fräst direkt unter dem Dach des Tunnels auf der Expressspur mit 60 km/h von A nach B. Der Cargo-sous-Terrain-Tunnel wird natürlich an städtische Logistik-Lösungen angedockt.
Billig wird’s nicht, lohnen wird’s sich wohl schon. Die initiale Kostenschätzung ging von 3 Milliarden Franken aus, mittlerweile sind wir für das gesamte Netz von 500 Kilometern bei einer Schätzung von 30 bis 35 Milliarden Franken angelangt. Für die erste Ausbaustufe Härkingen - Zürich sind nun 3,55 Milliarden Franken veranschlagt. Zum Vergleich: Der Gotthardtunnel kostete 12,2 Millionen Franken. Der Unterschied: Im Gegensatz zum Gotthardtunnel wird Cargo sous Terrain privat finanziert.
Wird das denn was? Ich denke schon, die Idee ist gut und breit abgestützt, das Steuerungskomitee liest sich wie das Who is Who der Schweizer Wirtschaft, neben den üblichen Verdächtigen sitzen auch Leute drin, die inhaltlich was vom Thema verstehen. Das Aktionariat der AG besteht aus mehr als 80 Firmen und Organisationen aus allen Branchen.
Nun, wir werden sehen, ob sich ab 2031 unsere dann autonomen Autos und deren Passagiere über weniger Verkehr auf der A1 freuen können. Der weitere Ausbau, primär von Westen bis Osten, mit Abzweigern nach Basel, Thun und Luzern soll bis 2045 fertig sein. Wenn Sie sich über den Fortgang des Projekts informieren wollen, können Sie das auf
www.cst.ch bestens.
Ach, übrigens: ich bin mit keinem der Projektbeteiligten und/oder -Finanzierern verwandt, verschwägert oder sonstwie verbandelt. Ich finde das Projekt schlicht und einfach spannend und bin bass erstaunt, dass es nicht schon bekannter ist.
Urs Bucher
Urs Bucher ist seit Dezember 2020 Chief Marketing Officer bei Netcentric. Er ist in der Schweizer IT-, Online- und Start-up-Szene bestens vernetzt. Mitte der 80er Jahre machte er erste Schritte in der Datenverarbeitung (so hiess das damals) und war seitdem auf Kunden-, Hersteller- und Dienstleisterseite tätig. Er ist immer noch fasziniert von neuen Technologien und Entwicklungen; in dieser Kolumne berichtet er über Merkwürdiges.
urs.bucher@gmail.com