Bei Googles Werbe-Tracking könnte sich in Zukunft einiges ändern, denn Anfang des Jahres gab der Konzern aus Mountain View bekannt, das eigentlich geplante Werbetracking-System Floc nun doch nicht einführen zu wollen. Das Federal Learning of Cohorts scheiterte, insbesondere in der Europäischen Union und auch in der Schweiz, vor allem an den strengen Datenschutzregeln, noch bevor es überhaupt international erprobt werden konnte. Wir erinnern uns: Geplant war bei dem datenschutzfreundlicheren Ersatz für Third-Party Cookies, die erfassten Daten der Nutzer mit jenen anderer Nutzer mit ähnlichen Interessen in Einklang zu bringen und zu clustern – und hieraus interessenbasierte Rückschlüsse für die Werbeauslieferung abzuleiten. Doch Datenschützer monierten bereits im Vorfeld, dass Einzelpersonen dennoch unter bestimmten Bedingungen hierüber identifiziert werden könnten. Hinzu kam die fehlende Zustimmung via Opt-in – ein ähnlicher Sachverhalt wie beim klassischen Third-Party Tracking.
Mehr Privatsphäre
Jetzt hat
Google mit dem Nachfolger Topics einen alternativen Ansatz vorgestellt, der mehr Privatsphäre unter den Nutzern sicherstellen soll. Ein weiterer Pluspunkt von Google Topics ist, dass etwaige Diskriminierungen basierend auf Geschlecht, Gesundheit oder ähnlichem ausgeschlossen werden können. Dabei ist Topics eine Weiterentwicklung des Weges, den Google schon seit 2019 unter der Bezeichnung Privacy Sandbox eingeschlagen hat. Die Google Chrome Privacy Sandbox ist eine Sammlung von Lösungen, die personalisierte und passgenaue Werbung im Web unter Berücksichtigung der Privatsphäre der Verbraucher ermöglichen soll und vor allem eine Alternative zu Third-Party Cookies darstellt. Ziel ist ein Spagat zwischen den Interessen der Nutzer und dem Wunsch der Werbetreibenden und Publisher, rentable Geschäftsmodelle auf der Basis von Werbefinanzierung zu realisieren.
Und so funktioniert Topics: Anstatt auf Clustering von Interessen und Nutzungsgewohnheiten zu setzen, analysiert Google im Rahmen des Topics-Programms den Browserverlauf der vergangenen Tage und schlägt dem Nutzer auf der Basis teilnehmender Websites individuelle Themen vor. Hat der Nutzer sich beispielsweise in der letzten Zeit für bestimmte Sportarten oder für neu vorgestellte Smartphones interessiert und regelmässig dazu passende Websites besucht, könnten diese ein Topic werden, wodurch hierzu passende Anzeigen ausgespielt werden. Insgesamt werden Themen allerdings nur drei Wochen lang für die Zuordnung von Anzeigenpräferenzen genutzt und jeweils auch nur drei Themenbereiche verwendet. Das könnte das Werbegeschäft und die Auslieferung von Anzeigen in Zukunft etwas kurzfristiger werden lassen.
All das findet – anders als bisher – im Google-eigenen Browser Chrome statt, sofern der Nutzer nicht ohnehin mit einem Google-Konto eingeloggt ist, über das er die Erlaubnis zum Tracken seiner Interessen für die Auslieferung von Werbung gegeben hat. Kommt allerdings Google Topics zum Einsatz, werden die ausgewählten Werbebotschaften nicht nur nutzerspezifisch variieren, sondern auch nach Endgerät. Auf dem Büro-PC werden somit folgerichtig andere Ads ausgewählt als auf dem privat genutzten Tablet. Ein kluger Ansatz, wenn man bedenkt, dass die Themen, auf die ein Nutzer beruflich zugreift, situativ andere sein werden als jene, die ihn am Wochenende oder abends interessieren. Dafür werden laut Google keine Daten auf externe Server übertragen, der gesamte Prozess findet, ähnlich wie bei den anderen Lösungen der Privacy Sandbox, auf dem eigenen Gerät statt.
Fünf Dinge, die man über Google Topics wissen sollte
1. Analyse des Browserverlaufs: Google Topics erstellt anhand besuchter Websites Themen-Cluster, insofern die besuchten Websites am Programm teilnehmen.
2. Nur 3 Themenbereiche gleichzeitig: Für die Anzeigenausspielung sollen nur drei Themencluster zeitgleich gebildet werden, mit einer Speicherdauer von drei Wochen.
3. Nur im Google Universum: Die Technologie funktioniert nur dann, wenn der Nutzer im Google-Konto eingeloggt ist oder den Chrome Browser nutzt.
4. Mehr Kontrolle über Daten: Nutzer entscheiden selber, ob Topics wie vorgeschlagen eingesetzt wird. Es besteht die Möglichkeit, einzelne Topics auszublenden oder die Methode komplett zu deaktivieren.
5. Kommt die grosse Umstellung? Noch ist unklar inwiefern Topics als Teil der von Google erstellten Initiative Privacy Sandbox wirklich ausgerollt wird.
Kontrolle über eigene Daten
Im Vergleich zu Cookie-basiertem Tracking oder alternativen Tracking-Lösungen wie Fingerprinting (das sich zur Wiedererkennung an Merkmalen des Endgeräts orientiert, etwa der Kombination aus Browserversion, Betriebssystem, Farbtiefe, installierten Plug-ins und Schriften) soll der Nutzer so mehr Kontrolle über die Weitergabe von Daten haben. Diese Kontrolle bedeutet, dass der Nutzer entweder Topics so verwenden kann, wie sie das System ermittelt hat, wahlweise einzelne ausgewählte Topics eliminieren oder die Personalisierung via Topics ganz deaktivieren kann und dann nichtpersonalisierte Werbung erhalten wird.
Doch das ist eigentlich nicht erstrebenswert, denn vor allem personalisierte Werbebotschaften kommen beim Nutzer an und werden vermehrt angeklickt. Somit ist, auch wenn dieser Zusammenhang vielen Nutzern nicht klar ist, gerade passgenau funktionierende Werbung eher ein Garant dafür, dass auf Websites nicht immer noch mehr Werbung ausgespielt werden muss. Denn langweilige, unpassende Werbung müsste in immer grösserer Dosis eingesetzt werden, um ein werbefinanziertes Medienangebot bewirtschaften zu können.
Targeting-Strategie schrittweise umstellen
Testphase für Entwickler bekannt, die sich zunächst nur auf die Werbeauslieferung innerhalb des Chrome-Browsers bezieht und neben Topics auch Fledge (für browserbasiertes Retargeting) und das Attribution Reporting einschliesst. Dabei adressiert
Google sowohl Branchenverbände als auch interessierte Agenturen, die zusammen mit Pilotkunden erste Erfahrungen sammeln können und dem Werberiesen dazu Feedback geben.
Was aber können oder müssen Unternehmen tun, um sich auf das neue Topics-System einzustellen? Zunächst gar nicht so viel. Denn ob und vor allem in welcher Form Topics als Teil der Privacy Sandbox kommt, ist noch unklar. Google Topics ist ein Mosaiksteinchen unter vielen – und langfristig müssen werbende Unternehmen von Technologien wegkommen, die auf Third-Party Cookies aufbauen. Denn diese verlieren im Hinblick auf Reichweite und Aussagekraft seit Jahren an Bedeutung, da immer mehr Browserhersteller von Apple bis Mozilla die Nutzung dieser Cookies beschneiden oder gänzlich unterbinden. Schon heute lässt sich bestenfalls die Hälfte der ausgespielten Werbemittel targeten und zuordnen – in Branchen mit technikaffinen und jungen Zielgruppen ist der Wert sogar noch niedriger.
Doch abgesehen von Google Topics, das den Fokus auf den eigenen Browser legt, könnte Google auch bei sämtlichen Android-Geräten in Zukunft auf Cookies, genauer auf die mobile Advertising ID von Android (AAID), verzichten. Das nämlich hat das Unternehmen kürzlich angekündigt, auch wenn der Schritt mit Rücksicht auf die App-Entwickler und deren Erlösmodelle erst in ein bis zwei Jahren endgültig anstehen wird. Dabei soll auch auf die Weitergabe von Nutzerdaten an Dritte verzichtet werden. Onlinemarketing-Agenturen und ihre Kunden werden zwar weiterhin die Conversions von Marketingkampagnen im Mobile-Bereich messen und ihre Ads personalisiert und verhaltens- oder interessenbasiert ausliefern können. Im Interesse der Privatsphäre der Nutzer soll es sich dabei aber um ein anonymisiertes Reporting handeln, das eher Simulationscharakter hat, ohne dass damit ein direkter Bezug zur Conversion möglich ist. Man darf gespannt sein, wie gut es Google hier schafft, valide und nachvollziehbare Daten bereit zu stellen.
Vertrauen muss erkämpft werden
Eine Agentur, die die Entwicklungen am Markt nicht nur verfolgt, sondern auch mitgestaltet, kann hier eine grosse Hilfe und der entscheidende Sparringpartner sein. Sie kann Unternehmen darin unterstützen, langfristige Trends zu erkennen und sich auf anstehende Veränderungen mit einer geeigneten, individuellen Strategie einzustellen. Werbetreibende Unternehmen sollten daher zunächst zusammen mit ihren Adtech-Dienstleistern und ihrer Agentur eine individuelle Strategie entwickeln und zweigleisig fahren.
Denn auch wenn Googles Timeline alles andere als verbindlich ist, hat das Unternehmen für Android damit einmal mehr die grundlegenden Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre abgesteckt. Die bisherige Targeting-Strategie kann so mittelfristig durch alternative Technologien unter Einhaltung der erhöhten Privacy-Ansprüche ihrer Nutzer ersetzt werden. Von einem auf den anderen Tag muss das zwar nicht erfolgen, die Strategie des langen Abwartens und Aufschiebens ist dagegen auch nicht die richtige.
Ob die Topics-Strategie funktioniert oder nicht, hängt auch davon ab, ob es der Werbewirtschaft und insbesondere
Google gelingt, Vertrauen dafür bei den Nutzern aufzubauen. Hinzu kommt die Frage, ob die Datenschützer mit der neuen Lösung einverstanden sind oder ob insbesondere die EU-Wettbewerbsbehörden Einwände dagegen haben. Unter dem Strich ist Topics durchaus ein begrüssenswerter Schritt in die richtige Richtung, auch wenn nicht klar ist, ob hierbei ausreichend Mitwirkung seitens der Nutzer zu erwarten ist. Das Beispiel von Apples Ad Tracking Transparency (ATP) hat gezeigt, dass Nutzer, die aktiv um Einwilligung zum Tracking gefragt werden und diese mit geringem Aufwand verweigern können, dies auch in nennenswertem Umfang tun. Auch wenn sich Google hier angesichts eines grossen Umsatzanteils im Werbegeschäft schwerer tut als etwa die Mitbewerber Apple und Microsoft, wird der Suchmaschinenkonzern nicht umhinkommen, einzusehen, dass ein Nutzer-Tracking nicht an den Wünschen der Kunden vorbei erfolgen kann.
Der Autor
Eric Hinzpeter ist Content-Marketing-Experte bei Smarketer, der grössten reinen Google-Ads- und Microsoft-Ads-Agentur in der DACH-Region. Smarketer zählt zu den wichtigsten Partnern von
Google und Microsoft in Europa. Die Berliner Agentur nimmt daher an den Topics-Tests teil und steht mit Google im regelmässigen und intensiven Austausch – mit dem Ziel, den rund 900 Kundenunternehmen aus verschiedenen Branchen zu gegebener Zeit passende Lösungen mit bestmöglicher Conversion bieten zu können.
Eric Hinzpeter ist Content-Marketing-Experte bei Smarketer (Quelle: Smarketer)