Huawei hat sich eine suboptimale Zeit ausgesucht, um seine 329 Franken teure
Huawei Watch GT Runner in der Schweiz zu lancieren. Draussen ist es Ende Januar auf 900 Meter über Meer nämlich schön, aber minus 3 Grad kalt und schneebedeckt – entsprechend hält sich die Lust, joggen zu gehen, in Grenzen. Handkehrum: Wer sich dieses Modell aus Huaweis Uhrenpalette kauft, der dürfte auch bei weit garstigeren Bedingungen noch laufen gehen, denn die Watch GT Runner, die auf der Huawei Watch GT 3 basiert, ist voll und ganz auf Läufer ausgerichtet. Wir haben die Uhr im Zusammenspiel mit einem iPhone – unserem Alltagshandy – rund zwei Wochen lang getestet.
Ohne Huawei ID geht nichts
in einer edlen Kartonbox geliefert, in der sich neben der Uhr auch ein Kunststoff-Sportarmband in zwei Längen findet, dessen Austausch einfach und selbsterklärend ist. Die Uhr ist trotz ihrer Grösse von 46 Millimeter (was für schmale Handgelenke recht gross ist) ein wahres Leichtgewicht, zusammen mit dem Armband messen wir ein Gewicht von 53 Gramm, was knapp 10 Gramm weniger sind als unsere Apple Watch SE Nike Series, die wir üblicherweise zur Aufzeichnung unserer sportlichen Aktivitäten nutzen. Durch das geringe Gewicht wirkt die Huwaei-Uhr beim ersten Anfassen beinahe etwas billig – ein Eindruck, der aber täuscht. Der Hersteller verbaut ein Gehäuse aus Polymerfasern, eine Keramikoberfläche und eine Krone aus einer Titanlegierung. Auch nach zwei Wochen Dauertragen finden wir noch keinen Kratzer an der Uhr.
Zur Inbetriebnahme: Nach dem Einschalten passiert erstmal gar nichts, denn die Uhr möchte zuerst mit der App
Huawei Health gekoppelt werden. Damit dieses Koppeln gelingt, verlangt Huawei Health eine Huawei ID – warum auch nicht, schliesslich haben wir ja noch nicht genügend Benutzerkonten. Die Huawei ID verlangt unter anderem auch Zugriff aufs Internet, unsere Nachrichten und Kontakte, den Speicher und die Kamera – reichlich viel, nur um eine Uhr in Betrieb zu nehmen. Naja!
Ist die ID einmal erstellt, kann man die Health App auf iOS noch mit Apple Health verbinden, um die Uhr dann via Bluetooth zu koppeln, was problemlos funktioniert. Danach verlangt die Uhr nach einer Software-Aktualisierung, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen beim ersten Versuch aber fehlschlägt, kurz darauf aber automatisch und erfolgreich nachgeholt wird.
Begrüsst wird man nach dem Einrichtungsprozedere von einem recht technisch wirkenden Watch-Face mit massenhaft Informationen drauf. Nebst der Zeit werden unter anderem das Wetter, der Zeitpunkt von Sonnenauf- und Sonnenuntergang, der Luftdruck, die Höhe über Meer plus ein paar Werte angezeigt, die einem auf den ersten Blick nichts sagen. Dazu gehört unter anderem ein RT-Wert in Stunden. Dabei handelt es sich um die Regenerationszeit, die einem die Uhr nach dem letzten Training empfehlt. Ein anderer Wert trägt das Kürzel WLT – gemeint ist damit die Trainingsbelastung. Ebenfalls angezeigt wird der RAI-Wert, der für Running Ability Index steht und die Ausdauer und Lauftechnik misst.
Das Standard-Watch-Face zeigt mit seiner Datenfülle die Stossrichtung der Uhr: Es geht um Sport, und es geht um eine Unmenge von Daten, die aufgezeichnet werden. (Quelle: Huawei)
Laufcoach mit KI
Allein dieses Watch-Face zeigt die Stossrichtung der ganzen Uhr – es geht um Sport und es geht um eine Unmenge an Daten, die aufgezeichnet und analysiert werden. Dies geschieht unter anderem über den Truseen-5.0-Sensor, der unter anderem eine permanente und deutlich präzisere Herzfrequenzmessung verspricht, sowie über weitere Sensoren wie einen Thermometer oder einen Sensor zur Messung der Sauerstoffsättigung. Analysiert werden die Daten von
Huawei Trusport, das als wissenschaftliches Laufprogramm angepriesen wird und das basierend auf den erfassten Daten nicht nur Vorschläge zur Trainingsintensität, zum Trainingsumfang sowie zur Erholung macht, sondern auch Prognosen zur Laufleistung abgibt.
Wir haben in der ersten Testwoche zwei relativ kurze Läufe absolviert – einmal über 5 und einmal über 7 Kilometer. Basierend auf diesen beiden Läufen hat Trusport eine Laufleistung (der erwähnte RAI) von 46,5 Punkten errechnet, was gemäss App über der Leistung von 85,2 Prozent der anderen Läufer liegt. Basierend darauf macht die Anwendung eine Leistungsvorhersage, die besagt, dass für eine 5-Kilometer-Strecke 21:21 Minuten benötigt wird, für 10 Kilometer 44:38 Minuten, für einen Halbmarathon 1:39:22 Stunden und für einen Marathon 3:30:48 Stunden. Das ist spannend, wohl aber etwas gar optimistisch – im Wissen darum, dass die persönliche Bestzeit für 10 Kilometer (an einem sehr guten Tag in einem sehr guten Sommer) bei 44:43 Minuten liegt (und in der aktuellen Verfassung eher um die 50 Minuten) und die schnellste Halbmarathonzeit bei 1:48:09. Aber: Gut möglich, dass diese Vorhersagen mit mehr als zwei kurzen Läufen als Datenbasis noch präziser würden.
Während der eigentlichen Läufe werden noch unzählige weitere Werte aufgezeichnet – etwa die durchschnittlichen Schrittzahl pro Minute, die Gesamtanzahl Schritte, die Schrittlänge, der Kalorienverbrauch, das Durchschnittstempo, die Herzfrequenz oder natürlich die Strecke, die man gerannt ist. Hier verspricht Huawei besonders genaue Ortung dank der Unterstützung von fünf Satellitensystemen. Im Vergleich mit der Strecke, die wir parallel mit der Apple Watch am anderen Handgelenk aufgezeichnet haben, weist die Watch GT Runner auf die 5 respektive 7 Kilometer Laufstrecke jeweils rund 150 bis 200 Meter mehr aus.
Basierend auf all den gemachten Aufzeichnungen lassen sich in der auf dem Smartphone installierten Health App dann diverse Leistungsdiagramme ablesen, etwa zur Laufkadenz oder zur maximalen Sauerstoffaufnahme respektive zur Aeroben und Anaeroben Trainingsbelastung. Für alle, die keinen Doktor in Sportmedizin haben, liefert die App jeweils einen kurzen Beschrieb dazu, was die Werte bedeuten.
Ebenfalls möglich ist es, mit der App Laufpläne zu erstellen, wobei laut Huawei Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Bei der Erstellung eines Plans gibt man zuerst sein Ziel an (z.B. einen Halbmarathon zu laufen) sowie die Distanz, die man in jüngerer Vergangenheit gelaufen ist und die Geschwindigkeit, die man dabei erreicht hat. Darauf folgen Angaben zu den Zielen, die man verfolgt (Wettkampf, Datum des Wettkampfs, anvisierte Zeit, Trainingshäufigkeit), um dann einen personalisierten Trainingsplan zu erhalten, um diese Ziele zu erreichen. Ein Laufcoach fürs Handgelenk.
Eine ganz kleine Auswahl dessen, was alles aufgezeichnet wird: Die Herzfrequenz während eines Laufs (links), der Schlaf während einer Nacht (mitte) und der Stresslevel (rechts). (Quelle: SITM)
Fürs Schwimmern, Skifahren, Beachen und mehr
Nebst Läufen lassen sich unzählige weitere Sportarten (laut
Huawei mehr als 100) aufzeichnen, die auf der Uhr voreingerichtet sind. Auf die Schnelle ist uns kein Sport eingefallen, der nicht abgedeckt würde. Ja nach Sportart werden dabei aber mehr oder weniger Trainingsdaten ausgegeben. Getestet haben wir nebst Laufen Beachvolleyball, Schwimmen und Skifahren. Beim Beachvolleyball etwa werden nur die Dauer, die verbrauchten Kalorien, die Herzfrequenz und die Arobe Trainingsbelastung aufgezeichnet. Beim Schwimmer erkennt die Uhr den Stil, die Beckenlänge, die Anzahl Züge, die durchschnittliche Zugrate und den SWOLF (dank Google haben wir herausgefunden, dass das ein Wert ist, um die Effizienz beim Schwimmen darzustellen). Beim Skifahren wiederum werden die gefahrene Strecke auf der Karte ausgegeben und jede Abfahrt wird inklusive Angaben zur zurückgelegten Distanz, zum Gefälle und zum Tempo wiedergegeben. Zudem lassen sich auch hier recht detaillierte Diagramme darstellen. Alles in allem sollte man mit der Huawei Watch GT Runner also unabhängig der Sportart mehr Informationen über die eigene Leistung kriegen, als einem lieb ist. Als Trainingskompagnon eignet sich die Uhr aber vor allem fürs Laufen.
Die Huawei Watch GT Runner gibt es lediglich in einer Grösse von 46 Millimeter – was für schmale Handgelenke recht gross ist. (Quelle: Huawei)
Beeindruckende Akku-Laufzeit
Ein paar Worte noch zur Bedienung der Uhr. Sie besitzt nebst einer Krone oben rechts, die gedrückt und gedreht werden kann, einen zusätzlichen Button unten rechts. Durch Drücken auf die Krone kommt man immer auf den Home-Screen, und mittels Drehen der Krone scrollt man in Menüs. Der untere Knopf ist primär dazu da, eine Trainingseinheit zu starten. Intuitiv hätten wir ihn auch gerne dazu benutzt, um in einem Menü eine Ebene zurückzugehen, dazu ist er aber nicht gedacht, dass erledigt man mittels Swipen nach rechts. Dieses Swipen funktioniert recht präzis, trotzdem wirkt die Bedienung nicht immer ganz intuitiv. Für einen Apple-Watch-User ungewohnt ist auch, dass das Display beim Berühren nicht einfach so aufleuchtet. Dies zumindest dann, wenn die Option Always-on Display nicht aktiviert ist, was per Voreinstellung der Fall ist. Dann muss man entweder das Handgelenk Richtung Gesicht drehen, um die Zeit abzulesen – was ebenfalls nicht ganz so geschmeidig beziehungsweise zuverlässig funktioniert wie bei Apple –, oder aber einen der beiden Knöpfe drücken. Das ist zumindest ungewohnt.
Man kann auch voreinstellen, dass das übrigens hervorragenden AMOLED-Display (Auflösung 466 x 466 Pixel) in einem abgespeckten Display-Modus permanent die Zeit und das Datum anzeigt – was allerdings zu Lasten der Akkulaufzeit geht. Dann funktioniert die Anzeige der Hauptdisplays aber nicht mehr durch Drehen des Handgelenks Richtung Gesicht, sondern durch das eben noch vermisste Berühren des Displays.
Die Default-Einstellung, dass das Display nicht permanent etwas anzeigt, kommt natürlich der Akkulaufzeit der Uhr zugute, und die ist – vor allem für einen Apple-Watch-Nutzer – schon recht beeindruckend, auch wenn die von
Huawei versprochenen 14 Tage wohl utopisch sind. Wir haben die Uhr initial exakt sieben Tage getestet, und nach sieben Tagen waren von ursprünglich 100 noch knapp 10 Prozent Akkuleistung übrig. In dieser Zeit und mit den verbrauchten 90 Prozent Akku haben wir die Uhr nicht nur intensiv genutzt, sondern auch einiges damit aufgezeichnet – die erwähnten zwei Joggingrunden à je rund 30 Minuten, drei Mal rund 100 Minuten Beachvolleyball, einen Kilometer Schwimmen (ca. 30 Minuten) und rund zweieinhalb Stunden Skifahren. Ebenfalls aufgezeichnet haben wir jeweils unseren Schlaf – auch das kann die Uhr, wobei auch hier massig Daten ausgespuckt und bewertet werden: Vom Anteil leichter Schlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf über die Tiefschlafqualität bis hin zur Atmungsqualität. Wer möchte, kann mit der Huawei Watch GT Runner ausserdem seinen Stresslevel messen. Oder die Sauerstoffsättigung im Blut. Oder sein Gewicht managen. Oder seine Laktatschwelle mittels eines 30-minütgen Tests in Erfahrung bringen. Da verkommen die übrigen Anwendungen wie Stoppuhr, Wecker oder der Kompass zur Nebensache.
Apropos Nebensache: Ein Musikplayer ist ebenfalls an Bord der Watch GT Runner – allerdings haben wir keinen Weg gefunden, um Musik von unserem iPhone auf den internen 4-GB-Speicher zu laden. Mittels Android-Gerät (oder noch besser mit einem Huawei-Handy) wäre dies relativ einfach. Auch sonst übernimmt die Uhr, auf der Huaweis hauseigenes Harmony OS 2.0 läuft, wenige typische Smartwatch-Funktionen – beispielsweise gibt es keine Nachrichten-App, stattdessen werden wie bei einem Fitness-Armband einfach die Nachrichten des Smartphones gespiegelt, wobei etwa Emojis nicht angezeigt werden können.
Geladen wird die Uhr übrigens kabellos auf dem mitgelieferten Lade-Puck. Nach rund 90 Minuten Ladezeit war die Uhr von den 10 Prozent aus wieder voll. Und wir schätzen, dass bei typischer Nutzung und vielleicht zwei Lauftrainings pro Woche eine Akku-Lauftzeit von elf bis zwölf Tagen (ohne Always-on Display) respektive acht bis neun Tagen (mit Always-on Display) realistisch sein dürften.
Der Truseen-5.0-Sensor, verpackt unter abgerundetem Glas, verspricht unter anderem permanente und präzise Herzfrequenzmessung. (Quelle: Huawei)
Watch Faces eher mau
Nebst den bereits erwähnten gibt auch noch weitere kleine Schwächen. Dazu gehört etwa die Höhenmessung. Obwohl wir diese in unserem Home Office auf 898 Meter kalibriert haben, stimmt die Angabe praktisch nie – zeigt zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen (in ebendiesem Home Office) beispielsweise 939 Meter an. Ebenfalls nicht so wirklich begeistern können die Watch Faces. Zwar gibt es unzählige davon und eine Handvoll schafft es auch, eine wahre Fülle von Daten anzuzeigen – optisch hingegen wissen die wenigsten zu überzeugen, ausser man steht auf fernöstlichen Charme. Innerhalb der Health App finden sich ab und an einige Unschönheiten – etwa Übersetzungsfehler oder gleich komplett fehlende Übersetzungen. Ansonsten aber ist die App soweit intuitiv bezüglich Bedienung. Was ebenfalls noch erwähnt werden sollte, wir aber nicht getestet haben: Mit der Sportuhr lassen sich weitere Sensoren koppeln, um noch detaillierter Einblick in die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten – für alle, denen die Datenflut, die die Uhr bereits für sich allein ausgibt, nicht reichen.
(mw)
Weniger überzeugen können die verfügbaren Watch Faces. Gewisse Beschreibungen sind zudem mangelhaft oder gar nicht übersetzt. (Quelle: Huawei)