Wer erinnert sich an das Seti-Programm? Leute, die schon etwas länger im Web unterwegs sind, wahrscheinlich schon. Damals, Ende der 1990er-Jahre, konnte man einer verteilten Anwendung (man sprach damals noch nicht von Cloud sondern von Grid Computing) freie Rechenkapazität zur Verfügung stellen und diese für einen guten Zweck arbeiten lassen: der Suche nach extraterrestrischem Leben.
Über zwanzig Jahre später kommt die Idee wieder, wenn auch ganz anders. Der gute Zweck ist die Übertragung von Daten mit hundertprozentigem Schutz der Privatsphäre. Und Leute, die dafür Bandbreite hergeben, tun dies nicht (nur) aus dem Glauben an die Sache, sondern weil sie sich davon (auch) einen handfesten Nutzen versprechen dürfen. Dieser kommt in Form einer Krypto-Währung daher und heisst Hopr.
Back to the Future
Willkommen beim jüngsten Zugang zur erfreulich wachsenden Swiss-Made-Software-Startup-Community: Hopr Services, gegründet von Sebastian Bürgel, Rik Krieger und Robert Kiel, welche im Auftrag des Vereins Hoprnet.org das Open-Souce-Protokoll Hopr entwickelt haben. Die Idee ist so simpel wie bestechend: Anstatt dass Daten über einen zentralen Hub gesendet werden, bricht das Hopr-Protokoll den Datentransfer in mehrere, nicht unterscheidbare Pakete auf und sendet diese über drei separate Knotenpunkte, um anschliessend beim Empfänger wieder zusammengesetzt zu werden. Selbstredend wissen die drei Nodes nichts voneinander und werden zufällig aus einem Netzwerk von tausenden von Knotenpunkten ausgewählt.
Doch wird damit im Grunde nicht wieder das Übertragungsprotokoll des Internets als solches imitiert? Und ist das nicht etwas paradox? Die Gründer schmunzeln. Ja, das habe was, meint Sebastian Bürgel, und es sei auch typisch für Web3-Anwendungen, dass sie Defizite auf dem Infrastruktur-Layer auszugleichen suchten: «HTTP wurde schlicht nicht für heutige Use Cases erfunden, was dann eben zu der Datenkonzentration geführt hat, wie sie heute von Big Tech getrieben wird und eben dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Und selbst wenn die Daten vor dem Zugriff Fremder geschützt und sicher gespeichert werden können, dann ist aufgrund der Bündelung der Datenströme deren Privatheit nicht mehr zu gewährleisten, sobald sie den Server in Richtung Internet verlassen.»
Kein Spekulations-Token
Doch das allein macht den Braten noch nicht fett. Den Speck am Knochen bekommt Hopr durch den hinzugefügten Krypto-Layer. «Was uns Crypto gelernt hat, ist, dass es über die Ausgabe eines Tokens möglich ist, innert kürzester Zeit ein Netzwerk zu bilden, das die kritische Grösse erreicht, um eine Applikation auch tatsächlich operativ zu stellen. Und genau diesen Effekt wollen wir ausnützen. In diesem Sinne ist Hopr kein Spekulations-, sondern ein Utility-Token.»
Somit haben wir dann alle Ingredienzen zusammen. 1000 Tokens zum Tauschwert von 0,2 Franken hat man bisher geprägt. Diese werden nun alloziert an Investoren, an die 18-köpfige Entwickler-Crew, an den Betrieb sowie natürlich an die künftige Kundschaft. Und so funktioniert es: Nodes-Betreiber installieren entweder die Software auf ihren Rechnern oder sie kaufen sich ein separates Device, das ans Modem angehängt wird. Der Rest ist zuschauen, wie sich das Crypto-Wallet mit Hoprs füllt, die jedesmal anfallen, wann immer ein bestimmter Datendurchsatz erfolgt ist. Der User dagegen ersteht die Hoprs gegen gutes Geld über die Plattform und berappt somit die Übertragung. Damit er Daten übertragen kann, muss der Anwender eine Software herunterladen, zudem könnte er das Protokoll direkt in eine Anwendung einbauen. Letzteres ist dann auch der nächste Schritt für die Hopr-Gründer. So wird man Anfang Februar am ETHDenver, dem weltweit grössten Ethereum Hack, präsent sein, um die Web3-Entwickler-Community davon zu überzeugen, neue Anwendungen auf dem Hopr-Protokoll zu bauen oder bestehende dafür fit zu machen.
Grosses Misstrauen, grosse Nachfrage
Bürgel und Krieger zweifeln keine Sekunde, dass ihre Lösung auf rege Nachfrage stösst. Und in der Tat, von Regierungen über Firmen bis zu Privatpersonen hat das blinde Vertrauen in die digitale Technologie in den vergangenen Jahren stark gelitten. Grund dafür sind nicht nur die zahlreichen Skandale rund um bedeutende Datenlecks, vielmehr hat die Wirtschaftsspionage auch deutlich zugenommen. Hopr präsentiert sich somit als gangbare Alternative zu proprietären Netzwerklösungen wie VPN, da das Protokoll eine wesentlich höhere Flexibilität zulässt.
Insbesondere auf Interesse stossen dürfte Hopr aber im Gesundheitsbereich, wo vielfach die Auflage herrscht, dass Daten das eigene, gesicherte Netzwerk nicht verlassen dürfen. So ist es denn auch kein Zufall, dass mit Sedimentum ein Health-Tech-Start-up als Pilotkunde fungiert. Dabei handelt es sich um einen kontaktlosen Sturzmelder, der jetzt dank Hopr-Protokoll sicherstellen kann, dass die übertragenen Daten nicht in falsche Hände geraten, schliesslich zeichnet die Lösung zu jedem Zeitpunkt genau auf, wo sich ihr Benutzer gerade befindet, was nicht nur Einbrecher interessieren könnte.
Dennoch bleibt eine Frage: Wie sinnvoll ist es, die Datenübertragung über eine limitierte Anzahl von Tokens abzurechnen und den Anwender damit den bei Cryptos üblichen Kursschwankungen auszusetzen? Dem entgegnen die Gründer, dass sich für den Anwendungsbetreiber Preisstabilität dadurch erreichen lässt, dass die Übertragungsmenge mit der Anzahl der Nodes-Betreiber mitwächst. Mit anderen Worten, Angebot und Nachfrage dürften sich gegenseitig empor schaukeln: kostet der Token mehr, dann bietet er auch höhere Durchsatzraten. (Von Thomas Brenzikofer, Swiss Made Software)