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Glasfaser-Infrastruktur: «Wir wollen mehrere ­hunderttausend Anschlüsse bauen»
Quelle: Swiss4net

Glasfaser-Infrastruktur: «Wir wollen mehrere ­hunderttausend Anschlüsse bauen»

Swiss4net hat bis heute Glasfasernetze in Ascona, Baden, Chiasso und Pully gebaut. Wie der Ausbau fortgesetzt werden soll, wie sich das Modell von Swiss4net von dem der Mitbewerber unterscheidet und wie Kunden davon profitieren, verrät CEO Roger Heggli im Gespräch.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/09

     

Swiss IT Magazine»: Swiss4net baut seit 10 Jahren Glasfasernetze, trotzdem ist das Unternehmen kaum bekannt. Weshalb ist das so?
Roger Heggli
: Wir haben nicht den Eindruck, kaum bekannt zu sein. Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) in der Schweiz kennen uns sehr gut, ebenfalls viele Gemeinden und Städte. Genauso kennen uns die Internet Service Provider (ISP) im Land, zahlreiche von ihnen haben wir bereits an Bord bei unseren vollständig betriebenen FTTH-Netzen. In der breiten Öffentlichkeit ist die Bekanntheit sicherlich geringer, da haben Sie recht. Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt vier Glasfasernetze gebaut, was von der Öffentlichkeit vielleicht noch nicht in der Breite wahrgenommen wurde. Doch dort, wo wir bekannt sein müssen, sind wir das auch.

Können Sie denn für all die, die Swiss4net noch nicht kennen, ausführen, was Ihr Unternehmen genau macht?
Swiss4net hat sich ganz klar dem Bau und dem Betrieb von Punkt-zu-­Punkt-Glasfasernetzen verschrieben. Dabei kümmern wir uns um den kompletten und flächendeckenden Ausbau bis zur Nutzungseinheit – sprich bis in die Wohnungen oder Unternehmen. Wir finanzieren den Bau der Netze selbstständig, unterhalten also weder mit EVUs noch mit ISPs oder mit Gemeinden Kooperationen. Wir sind vollkommen autonom unterwegs. Wichtig ist auch zu erwähnen: Wir sind kein ISP und wollen auch kein ISP werden, sondern bieten einzig Glasfasern auf Layer-1-Basis, die ISPs bei uns mieten können, um ihre Dienste darüber laufen zu lassen. Bis heute betreiben wir als Gruppe vier diskriminierungsfreie Glasfasernetze in der Schweiz, die als Betriebsgesellschaften in Form einer AG organisiert sind und durch uns finanziert werden. In den kommenden Jahren soll die Zahl auf mehrere hunderttausend Anschlüsse deutlich ausgebaut werden.


Sie haben es erwähnt: Swiss4net übernimmt sämtliche Kosten für den Glasfaser-Ausbau. Das ist bei anderen Unternehmen, die Glasfasernetze bauen, aber nicht anders, oder?
Doch, das ist es. Bei den Modellen unserer Mitbewerber tragen die EVU und Gemeinden einen Teil der Kosten mit. Wir nutzen für den Bau unserer offenen Glasfasernetze die bestehenden Rohre der EVU und Gemeinden und entschädigen diese fair für deren Nutzung. Die EVU und Gemeinden können damit sogar Geld verdienen – ohne dabei ein finanzielles Risiko eingehen zu müssen. Hinzu kommt der technische Unterschied bei unseren Glasfasernetzen: Bei den meisten Glasfasermodellen wird das Netz bis zum Gebäudeeinführungspunkt gebaut. Die Steigzone respektive die Anschlüsse in den Wohnungen oder Unternehmensräumlichkeiten muss der Eigentümer bezahlen. Wir hingegen finanzieren den kompletten Ausbau bis und mit Glas­faserdose.
Warum finanzieren Sie den kompletten Ausbau? Sind die Hauseigentümer denn nicht gewillt, den Ausbau innerhalb der Gebäude zu bezahlen?
Bei grossen neuen Mehrfamilienhäusern oder neuen Überbauungen wird der Ausbau vom BEP – dem Eingangspunkt im Gebäude – bis zur OTO – der Glasfasersteckdose in den Räumlichkeiten – durch die Eigentümer noch eher finanziert. Doch bei bestehender Gebäudeinfrastruktur sind die Hauseigentümer nicht bereit, den Ausbau mit Glasfasern bis in die Nutzungseinheiten zu finanzieren. Für uns ist aber klar, dass wir mit der Glasfasersteckdose bis in die Wohnungen und Unternehmen vordringen, um als neue Technologie wahrgenommen zu werden und eine sofortige Bestellmöglichkeit zu bieten. Dazu reicht es nicht, Glasfasern bis in den Keller zu ziehen. Denn dann bleiben sie meist auch dort. Unsere Anschlüsse sind sofort betriebsbereit und ein ISP respektive dessen neuer Kunde kann darauf innert 24 Stunden seine Dienste nutzen.

Lohnt sich das für Sie? Beziehungsweise wie lange dauert es denn, bis dieser Komplettausbau refinanziert ist?
Hierzu kann ich keine Details verraten. Ich kann Ihnen aber so viel sagen: Bei all unseren Kapitalgebern handelt es sich um langfristig denkende Unternehmen, die in Zeiträumen von zehn bis 20 Jahren rechnen. Ein Glasfaserausbau ist ein Infrastrukturausbau mit langfristiger Perspektive, und auch wir als Unternehmen denken langfristig. Unsere Netze sind Anlagevermögen und werden bis in zehn Jahren nicht an Wert einbüssen – im Gegenteil: Wir gehen davon aus, dass ein Glasfasernetz in zehn Jahren einiges mehr Wert sein wird als es das heute ist. Nehmen Sie ein Kupfernetz als Beispiel, das einst für die Telefonie gebaut wurde. Über dieses Netz werden heute hochwertige Dienste ausgeliefert zu Preisen, die vor einigen Jahrzehnten, als die Netze erstellt wurden, nicht denkbar waren. Und genauso wird auch das Glasfasernetz die Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg versorgen.


Ist das auch der Grund, weshalb Sie erklären, die Finanzierung von Fibre to the Home rechne sich auch in kleinen und mittelgrossen Gemeinden? Das wäre ja bei Swisscom und Co. nicht anders?
Ich kann nur für uns sprechen, und wir sind absolut der Meinung, dass sich der Glasfaserbau bis in die Nutzungseinheit auch ausserhalb der grossen Städte und Agglomerationen lohnt. Gerade die Bevölkerung in Gemeinden und kleineren und mittelgrossen Städten ist eigentlich am stärksten auf Glasfaser angewiesen, da die bestehenden Netze dort oft weniger leistungsfähig sind als die in grösseren städtischen Gebieten. Was uns sicherlich hilft, ist, dass wir als Organisation sehr schlank aufgestellt und wie bereits erklärt sehr autonom unterwegs sind. Das heisst, wir haben sehr wenige oder praktisch gar keine Schnittstellen und können dadurch hocheffizient arbeiten – viel effizienter, als wenn man ein Netz als Teil einer Kooperation baut, in der mehrere Parteien mitdiskutieren. Gleichzeitig ist unser Modell dadurch attraktiv, dass wir kein ISP sind. Wenn wir mit unseren Kunden, also den ISPs, zusammensitzen, tun wir das in einem Verhältnis Kunde/Lieferant. Bei anderen Netzanbietern hingegen sitzt der ISP als Kunde gleichzeitig mit dem Mitbewerber am Tisch. Jeder, der sich schon einmal mit Ökonomie beschäftigt hat, weiss, dass das nicht funktionieren kann.

Wie unterscheiden sich denn die Konditionen, zu denen ein ISP das Netz von Swiss4net nutzen kann, von den Konditionen Ihrer Mitbewerber?
Es gibt keinen Mitbewerber, der Netze nach demselben Modell baut wie wir – also als Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, die vom Start weg OTO-ready sind. Hinzu kommt der zuvor genannte Aspekt, dass wir von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb sämtliche Kosten übernehmen. Die Konditionen, zu denen wir unsere Anschlüsse anbieten, werden vom Markt bestimmt, sind von verschiedenen Faktoren abhängig und werden vertraulich mit den ISPs ausgehandelt.

Dann frage ich anders: Ist es einem ISP möglich, tiefere Preise anzubieten, indem er das Swiss4net-Netz anstelle des Netzes eines EVU oder von Swisscom nutzt?
Auch diese Frage kann man so nicht beantworten, denn an den Orten, an denen wir ein Glasfasernetz betreiben, gibt es kein paralleles Glasfasernetz eines anderen Netzbetreibers. In den Gemeinden, in denen wir ein Glasfasernetz gebaut haben, bieten wir dem ISP die beste Wahl, um seine Angebote zu den Business- und Residential-Kunden zu bringen – und zwar zu dem Preis, den er als angemessen betrachtet. Dank des diskriminierungsfreien Zugangs, den wir den ISPs bieten, spielt bei uns der Wettbewerb. Kein ISP hat Vorteile, weil er Netzbesitzer ist, sondern alle Anbieter haben dieselben Voraussetzungen auf der frei verfügbaren Glasfaser.


Letztlich sind aber die Angebote der ISPs an die Endkunden immer identisch, egal ob diese Angebote über das Glasfasernetz von Swiss4net zum Endkunden in Baden gelangen oder über das Netz von Swisscom oder eines EVU in Zürich. Daraus schliesse ich, dass einzig die Marge für den ISP eine andere ist, korrekt?
Das kann sein. Gleichzeitig müssen sie auch beachten, dass ein Endkunde, der ein Angebot über das Swiss4net-Netz bezieht, immer das Maximum an Leistung erhält, weil wir seine Glasfaser bis in die Wohnung ziehen. In Gemeinden, in denen die Glasfaser beispielsweise nur bis in die Strasse gezogen wurde (Fibre to the Street), was technologisch weit entfernt von FTTH ist, kann ein anderer Endkunde zwar dasselbe Angebot zum selben Preis beziehen, ohne aber dieselbe Leistung zu bekommen. Konkret bedeutet das, dass die ISPs ihren Kunden bei uns für denselben Preis die bessere Leistung anbieten und durchgängig eine einzelne, unterbruchsfreie Faser zur Verfügung stellen können.

Sie sagen einerseits, keine Parallelnetze zu bauen, anderseits wollen sie expandieren. Über kurz oder lang werden Sie damit auch in Regionen tätig werden, wo es bereits Glasfasernetze gibt.
Nein, wir werden nie in Regionen expandieren, wo es bereits ein Punkt-zu-­Punkt-Glasfasernetz gibt. Das würde keinen Sinn machen. Wir sind und bleiben ein Nischenplayer in der Schweiz. Es gibt in der Schweiz rund 2200 Gemeinden, davon handelt es sich bei rund 50 davon um Städte, wo der Glasfaserausbau in irgendeinem Modell eher fortgeschritten ist. Bleiben 2150 Gemeinden übrig, wo Swisscom bestenfalls mit FTTS präsent ist oder UPC mit dem Koax-Netz. Diese Netze sind für uns kein Hindernis, hier können wir Point-to-Point-Verbindungen bauen und diskriminierungsfreie Netze für alles ISPs betreiben. Wir sprechen hierbei von einem Marktpotenzial von einigen Millionen Anschlüssen.

Tatsache ist aber, dass Swiss4net bis jetzt ein Glasfasernetz in Ascona, Baden, Chiasso und Pully aufgebaut hat und damit nur einen Bruchteil der Schweizer Bevölkerung bedient. Wie sehen Ihre Ausbaupläne aus, und in welchem Zeithorizont wollen Sie weitere Netze bauen?
In den kommenden sieben Jahren wollen wir zusätzlich zu den 50ʼ000 Anschlüssen, die wir bereits haben, mehrere hunderttausend Anschlüsse bauen. Detaillierte Zahlen geben wir nicht bekannt.


Wovon hängt die Ausbaugeschwindigkeit denn ab? Vom vorhandenen Kapital?
Nein, vom Kapital her wäre mehr möglich. Wir müssen einerseits den Markt im Auge behalten, andererseits spielt beim Glasfaserausbau von Gemeinden das politische Element eine wesentliche Rolle. Dazu muss man verstehen, dass bei einem Glasfaserausbau in einer Gemeinde Verträge über mehrere Jahrzehnte abgeschlossen werden. Zudem ist die Situation, dass ein Anbieter auf Infrastruktur, die den Gemeinden oder den EVU gehört, einen vollflächigen Ausbau vornimmt, völlig neu. Entsprechend vielfältig sind die Anspruchsgruppen und Interessen innerhalb der Gemeinden, was die Prozesse in die Länge ziehen kann. Ich möchte aber festhalten, dass ich es richtig finde, dass sich eine Gemeinde gut überlegt, wie und mit wem ein solches Netz aufgebaut werden soll. Ein Glasfaserprojekt in der Form ist eine Heirat ohne Scheidungsmöglichkeit.

Können Sie verraten, mit welchen Gemeinden Sie Gespräche führen?
Leider nicht, diese Gespräche sind vertraulich. Doch wie gesagt führen wir mit Gemeinden Gespräche, die zusammengezählt ein Volumen von mehreren hunderttausend Anschlüssen aufweisen, und wir sind sehr zuversichtlich, in den kommenden Monaten auch weitere Gemeinden kommunizieren zu können.

Sie haben mehrmals gesagt, keine Absichten zu hegen, selbst als ISP zu agieren. Sind Sie denn zufrieden mit den Angeboten, die diese ISPs über Ihr Netz bereitstellen?
Ja, ich denke, die Schweizer ISPs sind durchaus innovativ und mit attraktiven Angeboten am Markt. Ich denke beispielsweise an Colt, einer unserer Partner, und seine Business-Angebote, die jegliches Bedürfnis abdecken, oder an Salt und sein Residential-Angebot für 39.95 Franken für einen 10-Gbit/s-Zugang, das die Schweiz regelrecht durchgeschüttelt hat.

Zum Unternehmen

Swiss4net ist seit 10 Jahren im Glasfaserbau in der Schweiz tätig und betreibt heute flächendeckende Punkt-zu-­Punkt-FTTH-Glasfasernetze in Ascona, Baden (Bild), Chiasso und in Pully. Das Unternehmen unterscheidet sich laut eigenen Angaben von anderen Anbietern einerseits dadurch, dass die Glasfasern bis in die Wohnungen beziehungsweise Unternehmen gezogen werden – sprich ein flächendeckender Vollausbau bis zu allen Gebäudeeinheiten erfolgt. Andererseits übernimmt Swisss4net sämtliche Kosten für den Ausbau – von der Vorstudie über die Planung bis zum Bau und den Betrieb des Glasfasernetzes. Für die Nutzung der bestehenden Rohranlagen werden die Gemeinden und Städte respektive die Energieversorger entschädigt, ohne dass sie finanzielle Risiken eingehen müssen.


Aktuell führt Swiss4net diverse Machbarkeitsstudien durch und steht mit zahlreichen weiteren Gemeinden und kleineren und mittleren Städten in der ganzen Schweiz vor der Unterzeichnung einer Absichtserklärung. Dabei fokussiert Swiss4net auf Gemeinden und kleinere und mittelgrosse Städte, wo bislang noch keine Glasfasernetze gebaut worden sind. Swiss4net mit Roger Heggli als CEO und Verwaltungsratsmitglied hat seinen Sitz in Zug und beschäftigt sieben Mitarbeitende.
(mw)


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