In der Studie Digital Switzerland aus dem Jahr 2018 bezeichneten sich noch 85 Prozent der Schweizer KMU als digitale Dinosaurier. Zwischenzeitlich hat sich bezüglich Digitalisierung auf staatlicher Ebene und im Zuge der Harmonisierung des Zahlungsverkehrs nach ISO-20022-Standard im Finanzwesen einiges getan. Gleichzeitig haben der letztjährige Lockdown und das monatelange Home Office die KMU sensibilisiert und vielerorts einen digitalen Umbruch ausgelöst.
Das grösste Potenzial zur Digitalisierung besteht aufgrund des hohen Standardisierungsgrades der Tätigkeiten im Finanz- und Rechnungswesen. Nachdem vielerorts die Ordner langsam aus den Regalen verschwinden und die Kunden- und Finanzdaten elektronisch erfasst sind, gilt der nächste Schritt der Digitalisierung der Prozesse und der Gestaltung automatisierter Workflows. Das bedeutet, dass statt durch die manuell gesteuerte Eingabe, die Software in der Lage ist, definierte Abläufe ganz oder teilweise selbstständig zu erledigen. Moderne Buchhaltungssysteme bieten heute die Voraussetzung, um das Zahlungswesen weitgehend zu automatisieren, den Daten- und Informationsaustausch mit den Behörden elektronisch zu regeln und unternehmerische Entscheidungen schnell und sicher basierend auf aktuellen Daten und Zahlen zu treffen. Doch was braucht es dafür?
Vollständig in die Prozesse integriert
Die Grundlage bildet eine Buchhaltungssoftware, die als Teil eines ERP-Systems eingesetzt oder an eine Branchen- oder Drittlösung angebunden wird. Das Herzstück ist eine vollständig in die Geschäftsprozesse integrierte Finanzbuchhaltung, wodurch alle finanzrelevanten Mutationen automatisch als Buchung übernommen werden. Ergänzend zur Fibu benötigt es eine Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung und je nach Mitarbeiterzahl eine Lohnbuchhaltung sowie die elektronische Anbindung zur Bank. Zeitgemässe ERP-Softwarehersteller stellen heute für eine Mehrheit der Schweizer Finanzinstitute eine Schnittstelle zur Verfügung, über die direkt aus der Finanzbuchhaltung auf das E-Banking zugegriffen werden kann. Dadurch können Datenaustausch und Transaktionen automatisiert geregelt werden.
Die Vorteile einer automatisierten Buchhaltung
- Einsparung von Zeit und Ressourcen (Papier, Druckmaterial und Versandkosten)
- Reduktion der CO2-Belastung dank elektronischer Rechnung
- präzise und schnellere Verrechnung von Waren und Dienstleistungen
- automatisierte Workflows im Rechnungs- und Zahlungswesen
- gesetzeskonforme elektronische Archivierung von Belegen
- korrekte Abrechnung mit Sozialversicherern und Steuerbehörden
- modernes digitalisiertes Personalwesen (elektronische Zeiterfassung, Lohnabrechnung und automatisiertes Lohnmeldeverfahren)
- gesetzlich korrekte Jahresabschlüsse und Unternehmensbesteuerung
- tagesaktuelle Zahlen und Daten für unternehmerische Entscheidungen
Workflows im Rechnungs- und Zahlungswesen
Viele Schweizer KMU handeln mit Waren und erbringen Dienstleistungen. Ein effizientes Zahlungswesen ist für sie wirtschaftlich essenziell und trägt gleichzeitig zu einem professionellen Kundenservice bei. Gerade in diesem Bereich sind jüngst die Voraussetzungen für vereinfachte Prozesse stark gestiegen.
Betrachten wir zuerst die Beschaffungsseite. Auf dem Weg vom Einkauf und der Bestellung von Waren und Dienstleistungen bis zur Bezahlung und Verbuchung von Lieferantenrechnungen (Kreditoren) gibt es verschiedene buchhalterische Schritte, die sich mithilfe moderner Buchhaltungssoftware und Workflows vereinfachen lassen. Dazu zählen der automatisierte Freigabeprozess von Rechnungen, die Generierung von automatischen Zahlungsvorschlägen sowie die automatische Verknüpfung einer eingehenden Kreditorenrechnung mit der entsprechenden Bestellnummer. Während KMU diese Prozesse selbst definieren und umsetzen können, standen sie bislang einer Vielzahl von Rechnungsformaten und Einzahlungsscheinen gegenüber. Ein wichtiger Schritt in Richtung Automatisierung im Zahlungswesen erfolgte vor einem Jahr mit der Einführung der QR-Rechnung. Sie ist der neue Einzahlungsschein und ersetzt nach einer Übergangsphase die bisherigen orangen und roten Einzahlungsscheine. Der maschinenlesbare, am Schweizerkreuz in der Mitte erkennbare Swiss-QR-Code enthält sämtliche zahlungsrelevanten Daten wie die international standardisierte IBAN oder QRIBAN des Rechnungsstellers, Adresse des Zahlungspflichtigen, Referenznummer und geschuldeter Betrag.
Die QR-Rechnung bietet die Voraussetzung, um die Verarbeitung und Verbuchung von Lieferantenrechnungen zu automatisieren. Damit Kreditorenrechnungen verarbeitet werden können, muss die Software auf QR-Rechnung vorbereitet und der SIX-Bankenstamm mit der QR-IBAN aktualisiert sein. Wird eine Buchhaltungssoftware eingesetzt, die alle QR-Funktionen vollständig integriert, wird die Rechnung eines erfassten Lieferanten direkt in die Kreditorenbuchhaltung gesendet, wo die Daten mit der Rechnung verglichen und unmittelbar verbucht werden. Für die Erfassung einer postalisch zugestellten QR-Rechnung bieten moderne Softwarehersteller kostenlos eine QR-Code-Scanner-App. Für Rechnungen, die per E-Mail versendet werden, bietet sich die Möglichkeit, die Rechnung aus dem E-Mail-Programm in die Buchhaltungssoftware einzulesen und zu verarbeiten. Die Zahlung erfolgt anschliessend via E-Banking gemäss den automatisierten Zahlungsvorschlägen direkt und ohne manuelle Bearbeitung zum gewünschten Termin.
Die Einführung der QR-Rechnung ist für Unternehmen auch der ideale Zeitpunkt, um auf elektronische Rechnungsstellung zu wechseln. Dadurch lässt sich der Ablauf vom Auftrag, über die Leistungserfassung bis zur Zahlung und Archivierung der Debitorenrechnung weitgehend automatisieren. Erforderlich ist eine Debitorensoftware, die QR-Rechnungen unterstützt und die in der Lage ist, automatisch einen QR-Code zu erzeugen. In ausgereiften Softwarelösungen wird dafür die Swico-Syntax mitgeliefert mit strukturierten Rechnungsinformationen wie Belegdatum, Rechnungsnummer oder Unternehmer-ID. Setzt der Kunde eine QR-fähige Buchhaltung ein, erkennt und verarbeitet das System die erhaltene Rechnung mit Swico-Syntax automatisch.
In einem vollautomatisierten Debitoren-Workflow können QR-Rechnungen (Ablösung von ESR) erstellt, als E-Rechnung, ZUGFerRD oder eBill versendet (siehe Kasten) und die Zahlungseingänge mit Hilfe der E-Banking-Schnittstelle automatisch eingelesen und verarbeitet werden. Die Rechnung ist somit von der Erstellung bis zur Verbuchung vollständig digitalisiert.
E-Rechnung: Spart Zeit & Ressourcen
Die QR-Rechnung schlägt eine wichtige Brücke zwischen der digitalen und der papierbasierten Welt. Sie enthält viele Informationen, welche elektronisch erkannt und verarbeitet werden können, und sie kann als E-Rechnung versendet werden. Bei jährlich rund 700 Millionen Rechnungen, die in der Schweiz ausgestellt werden, resultiert daraus für Rechnungssteller und -empfänger ein enormes Einsparpotenzial an Zeit und Kosten. Doch was genau ist eine elektronische Rechnung?
Eine elektronische Rechnung ist ein elektronisches Dokument, das die gleichen Inhalte und Rechtsfolgen hat wie eine Papierrechnung. Die Rechnungsdaten müssen in strukturierter Form vorliegen, damit diese vom Empfängersystem einlesbar und verwertbar sind. Elektronische Rechnungen werden in der Praxis häufig als PDF/A-Dateien online bereitgestellt. Eine MWST-konforme Rechnung erfordert zusätzlich, dass der Nachweis des Ursprungs und der Integrität erfüllt ist. Keine elektronischen Rechnungen sind gescannte Papierrechnungen oder unstrukturierte Rechnungsdaten wie E-Mails, PDF- oder Word-Dokumente.
Es gibt bereits verschiedene Methoden von elektronischen Rechnungen. So können moderne ERP-Systeme E-Rechnungen im B2B-Bereich mit strukturierten Daten erstellen und direkt via Schnittstelle an das Finanzinstitut übermitteln. Eine zweite Methode, die sich nach der Aufhebung der elektronischen Signaturpflicht für E-Rechnung in der Schweiz etabliert hat, ist das Datenformat ZUGFeRD (Akronym für Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland). Moderne Softwarenanbieter bieten bereits seit längerem die Möglichkeit, Rechnungen basierend auf dem ZUGFeRD-Format als PDF mit strukturierten Daten MWST-konform zu erstellen, sicher zu versenden und zu archivieren. Neu in der Schweiz im B2C-Bereich ist eBill. Mit eBill wird dem Empfänger die Rechnung direkt in sein E-Banking-Portal gestellt. Aktuell wird eBill von über 90 Finanzinstituten angeboten.
Gesetzeskonform archivieren
Der letzte logische Schritt eines grösstenteils automatisierten Zahlungswesens ist die elektronische Archivierung, wobei diese bei strukturierten E-Rechnungsformaten ebenfalls automatisch erfolgt. Anbieter von ERP- und Buchhaltungssoftware bieten dafür zu ihren Lösungen ein Dokumenten Management System (DMS) an, mit welchen sich eine gesetzeskonforme und sichere Ablage organisieren lässt. Diese erlauben einen schnellen Zugriff gemäss definierten Zugriffsrechten und die Möglichkeit der Volltextsuche. Rechnungen und Belege in Papierform lassen sich zudem via Scanner im DMS erfassen und nach deren buchhalterischen Verarbeitung entsprechend den Aufbewahrungspflichten ebenfalls elektronisch aufbewahren.
Vereinfachte Abrechnung mit den Behörden
Seien es die Abrechnung der Mehrwertsteuer, der Sozialleistungen oder der seit 2021 in Kraft getretenen neuen Quellenbesteuerung – eine moderne Buchhaltungssoftware unterstützt eine rechtlich korrekte Abrechnung von Sozialleistungen und Steuern und dies zunehmend elektronisch und automatisiert. So kann die MWST-Abrechnung seit einiger Zeit nur noch online eingereicht werden, wofür die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) das Portal ESTV Suisse Tax zur Verfügung stellt. Dafür bietet die Finanzbuchhaltung eine Exportfunktion, wodurch die Mehrwertsteuerabrechnungsdaten der entsprechenden Quartale als XML-Datei direkt auf das Portal hochgeladen werden können.
Je nach Unternehmensgrösse wird heute auch die Lohnbuchhaltung inhouse erledigt. Ist dies der Fall, lassen sich die Prozesse rund um die gesetzliche Arbeitszeiterfassung, die Ferienverwaltung, die Lohnabrechnung und das Lohnmeldeverfahren mit den Versicherungen ebenfalls effizient gestalten.
So bieten ERP-Systeme heute Zeiterfassungslösungen, womit die Mitarbeitenden via Desktop, Badge oder App ihre Arbeitszeit erfassen. Die geleisteten Arbeitsstunden sind gemäss der gesetzlichen Erfassungspflicht dokumentiert und lassen sich für Stundenabrechnungen direkt in die Lohnbuchhaltung übernehmen. Auch die Planung und der Genehmigungsprozess von Ferientagen sowie die Abrechnung und Verbuchung von Spesen können heute weitestgehend automatisiert werden. Ist die Lohnbuchhaltung Swissdec-zertifiziert, können Lohndaten wie zum Beispiel die Quellensteuerabrechnung mithilfe des einheitlichen Lohmeldeverfahrens (ELM) in elektronischer Form direkt aus der Software an die gewünschten Stellen übermittelt werden.
Zahlen und Daten als Führungsinstrument
Das Herzstück jeder Buchhaltung ist, wie eingangs bereits erwähnt, die Finanzbuchhaltung. Dank derer Integration in die Geschäftsprozesse lassen sich die Jahresabschlüsse in vielen Unternehmen heute selbstständig und mit wenig Aufwand erstellen. Abschlussbuchungen, Umsatzabgleiche für die Mehrwertsteuer, und transitorische Abgrenzungen erfolgen systemgesteuert und Bilanz und Erfolgsrechnung werden auf Knopfdruck erstellt. Während die Jahresrechnung aufgrund ihrer zurückschauenden Betrachtung des Geschäftsganges heute vornehmlich der korrekten Besteuerung dient, geht es in einer digitalisierten Wirtschaft zusehends darum, die erfassten Daten zur Steuerung des Unternehmens zu nutzen.
Big Data und Business Intelligence sind in diesem Zusammenhang häufig genannte Schlagworte. Die Praxis in kleineren Unternehmen zeigt jedoch, dass das Reporting auf Papier oder im PDF-Format nach wie vor dominiert. In einer automatisierten Buchhaltung mit elektronischer Rechnungsstellung, automatisierter Zahlungsverarbeitung und Verbuchung der Ein- und Ausgänge in der Finanzbuchhaltung verfügt ein Unternehmen bereits über einen grossen Schatz an tagesaktuellen Informationen wie Liquiditätsfluss, Zahlungsmoral, Kontostände und vieles mehr. Während eigentliche BI-Lösungen für kleinere Unternehmen oft zu komplex sind, bieten moderne Buchhaltungslösungen und ERP-Systeme integrierte Dashboards, welche die wichtigsten Kennzahlen in grafischer Form darstellen. Diese erlauben einen einfachen Einstieg in ein elektronisches und aussagekräftiges Reporting und ebnen den schrittweisen Einstieg in eine datengestützte Unternehmensführung.
Die Autorin
Eveline Kalberer ist Leiterin Produkt Management bei
Proffix Software. In ihrer Funktion hat sie wesentlich zur neuesten Version der Business Software Px5 beigetragen, die anlässlich des 20-Jahre-Jubiläums des Unternehmens entwickelt wurde und in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt kommt.
Eveline Kalberer ist Leiterin Produkt Management bei Proffix Software. (Quelle: Proffix)