Die letzten Monate haben die Wichtigkeit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur für Wirtschaft und Gesellschaft mehr denn je unter Beweis gestellt. Doch stetig wachsendes Datenaufkommen und immer mehr vernetzte Geräte sind nicht erst seit Corona ein allgegenwärtiger Trend: Studien prognostizieren für das Jahr 2025 zwischen 20 und 25 Milliarden vernetze Geräte, verglichen mit 3,6 Milliarden im Jahr 2013. Sie alle sorgen für deutlich mehr Verkehr auf der Datenautobahn. Ist der Datenkollaps also nur eine Frage der Zeit? Keineswegs, denn mit WiFi 6 und 5G stehen zwei Übertragungstechnologien bereit, die deutlich mehr PS auf die Strasse bringen. Für Unternehmen bedeutet dies einen doppelten Leistungsschub in Sachen Vernetzung und digitale Transformation, der zur Initialzündung für völlig neue Anwendungen und Geschäftsmodelle werden dürfte. Grund genug, die beiden Innovationstreiber einmal aus der Nähe zu betrachten.
WiFi 6 – Turbo für lokale Drahtlosnetze
Mit WiFi 6 hat der aktuelle WLAN-Standard IEEE 802.11ax analog zur neuen Nomenklatur einen griffigen Namen bekommen. Bezeichnet wird die jüngste WLAN-Generation ausserdem als High Efficiency Wireless (HEW). Denn die effizientere Nutzung von Kanälen und Frequenzbändern durch technische Neuerungen wie Multi-User MIMO (Multiple Input Multiple Output) im Up- und Downstream oder die aus dem LTE-Mobilfunk bekannte OFDMA-Technologie (Orthogonal Frequency-Division Multiple Access), die pro Zeiteinheit mehrere Frequenzblöcke unterstützt, sorgen selbst in stark beanspruchten Netzen mit hoher Endgerätedichte für Stabilität und kollisionsfreien, schnellen Datenverkehr mit drastisch verkürzten Latenzzeiten und Übertragungsraten von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde.
Geschwindigkeit, Performance und Robustheit machen WiFi 6 besonders für den professionellen Einsatz attraktiv. Als lizenzfreie und kostengünstige Querschnittstechnologie eignet sich WLAN grundsätzlich für alle kabellosen Anwendungen, die in einem räumlich klar begrenzten Gebiet realisiert werden. Das reicht von klassischer Bürovernetzung über die Digitalisierung von Schulen und Universitäten, eHealth-Szenarien in Kliniken bis hin zur Vernetzung von Grossereignissen mit hoher Nutzerdichte wie Konzerten oder Sportveranstaltungen. Potenzial bietet die neue WLAN-Generation auch für Use Cases in Fertigung und Logistik. So profitieren beispielsweise IoT-Anwendungen, bei denen nicht selten Hunderte vernetzte Sensoren und Steuerungsgeräte in einer Produktionsumgebung kontinuierlich Daten austauschen, ganz erheblich von der effizienteren Bandbreitennutzung durch WiFi 6 und dem damit verbundenen Kapazitätsgewinn.
Multi-User MIMO bezeichnet die simultane Aufteilung der verfügbaren Datenströme auf mehrere Endgeräte. Dies sorgt besonders im Upstream für Kapazitätsgewinn. (Quelle: Lancom)
Belastbar und energieeffizient
Boden gut machen kann der neue WLAN-Standard auch in Sachen Echtzeitfähigkeit. Bis zu acht Endgeräte kommunizieren gleichzeitig mit einem Access Point. Durch die parallele Verarbeitung mehrerer Datenströme ist eine wesentlich höhere Belastung des Netzwerks möglich, ohne dass es für die einzelnen Clients zu Verzögerungen kommt. Selbst bei latenzsensiblen Anwendungen ist somit eine deutlich zuverlässigere Übertragung möglich. Vollends echtzeitfähig wird WLAN dann mit der in Kürze geplanten Frequenzerweiterung. Dazu gleich mehr.
Weiterer Pluspunkt: Durch den neuen Target-Wake-Time-Mechanismus (TWT) verlängert sich die Akkulaufzeit der über WiFi 6 verbundenen Endgeräte. Sobald ein Client nicht mit dem Access Point kommuniziert, schaltet er in den stromsparenden Standby-Modus. Damit bietet WiFi 6 nicht nur in puncto Bandbreite, sondern auch beim Energieverbrauch wesentlich mehr Effizienz im Vergleich zu früheren Standards.
In den Startlöchern: WiFi 6E
Mit WiFi 6 gewinnt WLAN als stationäre Drahtlostechnologie massiv an Leistungsfähigkeit. In gänzlich neue Performance-Dimensionen vorstossen wird die Technologie jedoch mit der im Frühjahr 2021 geplanten Öffnung des 6-Gigahertz-Frequenzbands – ein Schritt, der seit langem überfällig ist. Angesichts der exponentiellen Zunahme WLAN-fähiger Geräte und datenintensiver Anwendungen wie Streaming oder Virtual Reality bieten die aktuell in Europa nutzbaren Frequenzbereiche im 2,4- und 5-Gigahertz-Band keinen ausreichenden Spielraum mehr. Das soll sich nun ändern: Rund 500 Megahertz des 6-Gigahertz-Spektrums wollen die nationalen Regulierungsbehörden in Europa für die lizenzfreie Nutzung durch WLAN freigegeben. Die USA haben es vorgemacht: Im April dieses Jahres gab es jenseits des Atlantiks sogar rund ein Gigahertz Extra-Spektrum für WLAN. Als 6 GHz WiFi oder WiFi 6E (Enhanced), so der Vermarktungsname des erweiterten Standards, zieht WLAN bei Übertragungsraten und Latenzzeiten mit dem Mobilfunkstandard 5G gleich.
5G: Mobile Vernetzung in Echtzeit
Einen vergleichbaren Leistungssprung, wie ihn WiFi 6 und WiFi 6E für die lokale Vernetzung bieten, verspricht die neue Mobilfunkgeneration 5G mit Blick auf ortsübergreifende oder gänzlich ortsungebundene, also buchstäblich «mobile» Szenarien. Datenraten von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde – das ist mindestens die zehnfache Spitzenleistung des bisherigen 4G-Standards – und Latenzzeiten von unter einer Millisekunde schaffen die Basis für innovative Anwendungen in Bereichen, in denen mobile Vernetzung in Echtzeit Voraussetzung ist. Denken wir beispielsweise an Autonomes Fahren, Smart City oder Smart Farming. Hier angesiedelte Einsatzszenarien sind ohne den flächendeckenden Ausbau von 5G nicht vorstellbar.
Durch die Weiterentwicklung von OVDM zu OFDMA kann WiFi 6 zeitgleich mehrere kleine Datenpakete pro Stream verarbeiten. Der neue Standard nutzt Funkkanäle effizienter und entlastet das ohnehin knappe WLAN-Spektrum. (Quelle: Lancom)
Statt Glasfaser
Mit der fünften Generation wird Mobilfunk darüber hinaus zur vollwertigen Alternative für die breitbandige Internet-Anbindung von Standorten in der Peripherie sowie überall dort, wo beispielsweise aus topografischen Gründen kein Glasfaseranschluss möglich ist. Provider sprechen in diesem Zusammenhang von Fixed Wireless Access. Auch für temporäre Lokationen wie etwa Pop-Up-Stores oder Baustellen ist eine Online-Anbindung über 5G hochinteressant. Ebenso von Bedeutung ist der neue Mobilfunkstandard als leistungsstarke Back-up-Verbindung für geschäftskritische Prozesse im Rahmen von Redundanzkonzepten und Business Continuity Management.
Agile Standortvernetzung – 5G meets SD-WAN
Für Unternehmen, die über mehrere Niederlassungen oder eine Filialstruktur verfügen, bietet 5G in Kombination mit einem modernen Software-basierten Netzwerkmanagement (Software-defined Networking, SDN) neue Möglichkeiten für den hochautomatisierten Aufbau leitungsunabhängiger oder besonders ausfallsicherer Weitverkehrsnetze (WAN). Hierbei sorgt ein SD-WAN-Gateway mit integriertem 5G-Modem für die sichere und agile VPN-Anbindung von Standorten und smarten Ressourcen ohne leitungsgebundenen Internet-Zugang. Die Verbindung von SD-WAN-Technologie und 5G ermöglicht vor allem im Kontext von standortübergreifenden Echtzeitanwendungen und latenzsensitiven Diensten wie Voice, Video, Broadcasting und Virtual Reality völlig neue Einsatzszenarien. Dabei wird die Verfügbarkeit der Dienste durch intelligentes, anwendungsbasiertes Routing überwacht und sichergestellt. Die ersten 5G-fähigen Router dürften Anfang des kommenden Jahres auf den Markt kommen.
Sowohl WiFi 6 als auch 5G werden für einen immensen Leistungsschub sorgen, von dem Business-Netze künftig profitieren. Für Unternehmen wird es deshalb darum gehen, die Koexistenz beider Technologien zu gewährleisten, um die Potenziale aus beiden Welten bestmöglich als Treiber für die Digitalisierung und zukunftsfähige Gestaltung von Anwendungen und Prozessen zu nutzen. Ein Stau auf dem Daten-Highway ist dank WiFi 6 und 5G jedenfalls vorerst nicht zu befürchten.
Die Autoren
Michael Müller (links) und Tarik Erdemir verantworten für den deutschen Netzwerkhersteller
Lancom Systems die Produktentwicklung in den Bereichen WLAN & Switches sowie Routing und Weitverkehrsnetze.
Michael Müller (links) und Tarik Erdemir, Lancom (Quelle: Lancom)