Die Drohne AGv2, neudeutsch Sprühcopter, soll die Applikation von Pflanzenschutzmitteln für Winzer revolutionieren. Dank einer ausgeklügelten Kombination von Düsen und Software können Pflanzenschutzmittel direkt auf die Blätter der Weinreben gesprüht werden – sowohl Standard- wie auch Bio-Produkte.
Bislang wurden dafür Helikopter eingesetzt, die aber nur den Weinberg als Ganzes behandeln konnten. «Gegen Ende der Saison mussten die Winzer die unteren Blätter häufig sogar händisch nachbehandeln», erklärt Aero41-CEO Frédéric Hemmeler. Der viel präzisere Sprühcopter braucht deswegen auch viel weniger Pestizide. Dies wiederum reduziert das Risiko von Abdrift sowie Kontamination von Boden oder Menschen.
Hemmeler war ursprünglich Helikopterpilot, erkannte im Anschluss an seine Weiterbildung im Luftfahrtmanagement aber das Potenzial von Drohnen für die Landwirtschaft. Das war im Jahr 2015. In Folge reiste er nach China, um sich vor Ort beim Marktführer zu informieren. 2016 gelang ihm bereits die Erstzulassung einer Drohne auf dem Schweizer Markt. Doch leider musste er rasch feststellen, dass selbst die Marktführer aus China die Anforderungen der Schweizer Winzer nicht erfüllen konnten. «Unsere Bedürfnisse sind ganz anders. Um das zu erkennen, muss man aber vor Ort arbeiten», erklärt Hemmeler. «Zum einen werden Sprühkopter in Asien für grosse Felder auf ebener Erde eingesetzt, zum anderen für Pflanzen wie Reis, Soja oder Weizen.» Letzteres ist zentral, da die zu behandelnde Fläche aus praktischer Sicht zweidimensional ist. Weinreben jedoch sind 3D. Schlimmer noch – beide Blattseiten sollten behandelt werden können.
Ein eigenes Flugkontrollsystem
Um dieses Problem zu lösen, wurde das chinesische Flugkontrollsystem Stück für Stück abgelöst – sowohl was die Hard- wie auch die Software angeht. Die Software-Basis bildet heute das an der ETH Zürich entwickelte Open-Source-Betriebssystem PX4. Alle weiteren Features wurden in einem Companion-Raspberry installiert. Hier steckt das eigentliche Know-how. Features wie Automatisierung, automatisches Lernen und die angedachten Machine-Learning-Funktionen sitzen hier und wurden komplett im eigenen Haus entwickelt. Die Tüftelei hat sich gelohnt. «Mittlerweile sind wir doppelt so effizient wie die Konkurrenz», meint Hemmeler. Das bestätigt eine Untersuchung von Syngenta. Der AGv2 kann eine Fläche von etwa 1700 Quadratmetern in sechs bis acht Minuten behandeln.
Drohnen ohne Papierkrieg
Neben Effizienzsteigerung steht vor allem die Automatisierung im Vordergrund: Wird ein Weinberg zum ersten Mal bestäubt, werden zuerst dessen GPS-Koordinaten erfasst. Vor Ort steuert der Bediener die Drohne und passt ihr Flugverhalten den lokalen Bedingungen an: Wo muss sie steiler ansteigen, wo flacher absinken, wo Hindernisse umgehen. Das alles merkt sich die Drohne und kann beim nächsten Einsatz automatisch arbeiten.
Aero41 hat die Testphase hinter sich und Drohnen können jetzt für die Saison 2021 bestellt werden. Neben der besseren Effizienz hat das Unternehmen noch einige weitere Vorteile im Gepäck. «Da wir eng mit den Winzern zusammenarbeiten, verstehen wir ihre Bedürfnisse besser», erklärt Hemmeler. Deshalb sind die Sprühkopter so schlüsselfertig wie ein Traktor. Das mag selbstverständlich klingen, ist aber in der neuen Drohnenwelt alles andere als normal. Die Anschaffung eines solchen Arbeitsgeräts geht heute noch mit mehreren Tagen Papierkrieg einher.
Aero41 liefert alle Genehmigungen gleich mit. Gleichzeitig schreibt sich das Unternehmen Flexibilität in Bezug auf Kundenwünsche gross auf die Fahne. Ein Beispiel: Normalerweise sprühen die Düsen kontinuierlich. Ein Kunde wünschte sich, diese Funktion manuell unterbrechen zu können, da eine Strasse durch seinen Weinberg führte. Binnen zwei Wochen war das Feature eingebaut.
Solche Dienstleistungen kann die Konkurrenz nicht bieten – schon allein deshalb, weil die Rechenpower ohne Companion-Computer begrenzt ist. «Wenn wir neue Funktionen entwickeln, spielen wir sie auch bei allen alten Kunden auf – selbst wenn die Drohne schon einige Jahre alt ist. Bei anderen Anbietern müssen sie erst ein neues Gerät kaufen», erklärt Hemmeler.