Lieferdienst à la Uber
Quelle: Annanow

Start-up Annanow

Lieferdienst à la Uber

Annanow hat das Uber-Prinzip auf einen Kurierdienst übersetzt und bietet zusätzlich zur eigentlichen Lieferung auch eine Versicherung für die Waren sowie einen Payment-Dienst an.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2019/06

     

"Wenn Sie nach Deutschland schauen, finden Sie Städte mit 100’000 Einwohnern, ohne eine Bäckerei, eine Apotheke und sonst einen Laden", sagt Daniel Gradenegger, Serial-Entrepreneur, Initiator und einer der vier Gründer des Crowd-Kurierdienstes Annanow, und fügt an: "Stattdessen machen einige wenige im Online-Handel gewaltige Umsätze. Dem wollen wir entgegenwirken, und zwar, indem wir etwas Nachhaltiges schaffen."


Nachhaltigkeit ist ein Begriff, den Gradenegger rund um Annanow immer wieder in den Mund nimmt. So etwa, wenn man ihn fragt, ob Annanow so etwas wie das Uber der Kurierbranche sei – schliesslich besitzt auch Annanow mit seinen rund 35 Mitarbeitern weder Fahrzeuge noch Lager oder eigene Kuriere, sondern tritt einzig als Plattform auf. Über den Vergleich mit dem Fahrdienst ist Daniel Gradenegger aber nur bedingt glücklich, denn: "Uber hat einen zweifelhaften Ruf, weil die Fahrer nicht sozialkonform entschädigt werden. Doch genau dieser Aspekt ist bei uns zentral." Denn eben, man müsse etwas Nachhaltiges schaffen, "und dazu gehört auch, Sozialabgaben für unsere Kuriere zu bezahlen, auch wenn die Kurierfahrten nur ein Nebenjob sind."

Lieferung, Versicherung, Bezahlung

Annanow ist allerdings mehr als nur ein Kurierdienst, sondern besteht im Wesentlichen aus drei voneinander unabhängigen Layern: dem Lieferdienst, einem Payment-Dienst und einer Versicherung. Darauf fusst auch die Idee von Visionär Gradenegger, der von sich selbst sagt, immer einige Jahre in die Zukunft zu denken und der in Vergangenheit bereits Unternehmen im Bereich Fintech sowie einen Versicherungsvergleichsdienst und einen Food-Lieferdienst gegründet hat. Bei diesen Unternehmen habe er Folgendes gelernt: Jedermann möchte ein bestelltes Produkt schnellstmöglich geliefert bekommen. Und: Sowohl Payment-Dienste als auch Versicherungen sind für sich losgelöst schwierig zu verkaufen. "Das Potential von Annanow liegt in der Kombination dieser drei Bereiche. Denn eine Lieferung beinhaltet nebst der physischen Logistikabwicklung immer auch zwei weitere Komponenten: Eine Versicherung, ohne die vertraut ihnen niemand ein Produkt an, sowie eine Finanztransaktion, da sowohl Produkt wie auch die Lieferung bezahlt werden ­wollen."


Annanow nun hat diese drei Layer – die übrigens jeweils auch separat angeboten werden, was vor allem rund um die Versicherung spannend sei – komplett digitalisiert, wie Gradenegger erklärt. Die Lieferung als solche wurde dabei komplett ausgelagert, die Versicherung so gestaltet, dass sie auf jedes Produkt individuell angepasst werden kann, und bei der Payment-Lösung ist vorgesehen, dass beispielsweise der Kurier unmittelbar nach Auftragserfüllung sein Geld erhält.

Upselling für Kleinhändler

Annanow hat selbst die Mission ausgegeben, bestellte Produkte innerhalb von 60 Minuten beim Kunden zu haben. "Aktuell treffen Lieferungen, die durch uns durchgeführt werden, im Schnitt 32 Minuten nach Bestelleingang beim Kunden ein." Der Dienst wird flächendeckend in der Schweiz sowie in Teilen von Deutschland und Österreich angeboten. Über grosse Distanzen offeriert Annanow in naher Zukunft Next-Day-Delivery, wobei in solchen Fällen auf die Post zurückgegriffen wird.

Aktuell zählt Annanow laut eigenen Angaben 5000 Händler, die zusammen rund 10’000 Filialen unterhalten. Beim Gros dieser 5000 Händler handelt es sich um Kleinsthändler, dazu kommen aber noch 80 bis 90 grosse Retailer – Manor, Media Markt oder Jumbo beispielsweise. Zudem steht Annanow mit zahlreichen namhaften Ketten in Verhandlungen, und das Ziel sei, nach der nächsten Finanzierungsrunde 20’000 Händler zu haben.


Obwohl für Annanow die Volumina der grossen Ketten spannender sind, erwähnt Gradenegger immer wieder auch die Kleinsthändler – die Bäckerei um die Ecke zum Beispiel; Nachhaltigkeit eben. Deren Herausforderung sei es, von der ganzen Digitalisierungswelle nicht überrollt zu werden. "Durch Annanow ist sie nun plötzlich in der Lage, am Sonntagmorgen einen Zopf und Gipfeli zu liefern – wie ein Pizzakurier. Dadurch erschliessen sich ganz neue Kundensegmente, der Bäcker findet einen ein neuen Verkaufskanal." Dazu müsse er es allerdings schaffen, wie die grossen Player sein Angebot bekannt zu machen und dieses dann auch zum Kunden bringen zu können. "Sie muss sichtbar werden. Der Kunde muss wissen, dass er beim Laden in der Nähe ebenfalls online oder zumindest per Telefon bestellen kann, und dass er die Waren eine halbe Stunde später nach Hause geliefert kriegt. Bei all dem helfen wir."

Lieferung zum Taxitarif

Die Integration von Annanow soll gerade auch für kleine Händler ein Kinderspiel sein. Grundsätzlich braucht der Händler nicht einmal einen Onlineshop – er kann eine Bestellung wie die besagten Gipfeli und den Zopf telefonisch entgegennehmen und muss lediglich eine Annanow-App oder ein Web-Interface aufrufen. Der Kunde, der bestellt, bekommt daraufhin eine SMS mit der Aufforderung, seine Daten inklusive Kreditkarte oder einer anderen Zahlungsmethode einzugeben. Einmal eingegangen, erhält die Bäckerei wiederum Mitteilung, dass die Zahlung erfolgt ist, worauf innerhalb von 15 Minuten und automatisiert der Kurier vor Ort ist, um die Bestellung entgegenzunehmen und auszuliefern. Die Kuriere werden via App je nach Produkt und Vorgaben des Händlers durch Annanow über den Auftrag benachrichtigt – der erste Kurier, der den Auftrag annimmt, kann ihn ausführen. "Das Ganze funktioniert nicht anders als bei Uber", führt Gradenegger aus.

Zu den Kosten: Das ganze System ist grundsätzlich auf dem Taxipreis aufgebaut. Kurzdistanzen kosten bei Produkten, die in Autos passen, 9.90 Franken pro Lieferung. Davon bleiben 80 Prozent beim Kurier, 20 Prozent gehen an Annanow. Bezahlt wird die Gebühr vom Händler, ob er diese dem Endkunden belastet, ist ihm überlassen. "Angesichts dessen, dass ein A-Post-Paket über 2 Kilo bei der Post 10.60 Franken kostet, sind wir preislich absolut attraktiv. Ein Händler, der mit der Post Gratislieferung ab einem gewissen Betrag anbietet, kann dies mit uns also problemlos auch tun, und verdient bei grösseren und schweren Produkten sogar noch besser." Initial-­Kosten, um das System zu nutzen, gibt es keine. Einzig für die Payment-Lösung, die allerdings nicht zwingend ist, verlangt Annanow im Minimum 9.90 Franken pro Monat.


Grössere Händler haben zudem auch die Möglichkeit, Annanow über APIs an Kassen, ERPs und andere Systeme anzubinden, zudem gibt es Plug-ins für verschiedene Onlineshops wie Magento oder Hybris.

Mehr Kuriere als Lieferungen

Beim Gros der aktuell rund 100’000 Annanow-Kuriere handelt es sich um kommerzielle Anbieter – Taxiunternehmen zum Beispiel oder Velokuriere. Der Anteil an privaten Kurieren hält sich aktuell noch in Grenzen – man habe sich hier bislang auch bewusst zurückgehalten, um zuerst Erfahrungen mit professionellen Kurieren zu sammeln. "Nicht selten – bei ganz kurzen Distanzen – liefert auch ein Mitarbeiter des Händlers eine Lieferung aus." Spannend zudem: Der Verkäufer kann anhand verschiedener Kategorien auch definieren, wer die Lieferung übernehmen soll. Gradenegger macht ein Beispiel: "Will ein Verkäufer von Luxus­taschen zum Beispiel, dass eine Bestellung von einem uniformierten Chauffeur in der Limousine geliefert wird, kann er das so angeben."


Etwas schwierig sei derweil die Frage zu beantworten, wie viele Kunden man pro Monat beliefert. Die Zahl ist aber noch überschaubar – Gradenegger spricht von einer tiefen fünfstelligen Nummer. "Sobald aber ein spezieller Anlass wie Valentinstag oder Ostern ansteht, schnellt dieser Zahl nach oben. Und: Die Kunden, die wir heute in der Pipeline haben, machen zusammen weltweit 100 Millionen Lieferungen. Wenn nur ein Bruchteil davon künftig mit uns gemacht wird, sind das enorme Volumen. Angestrebt ist, dass 18 Monate nach abgeschlossener Series-­A-Finanzierung 250’000 Lieferungen pro Monat durch uns gemacht werden." Für diese Series-­A-Finanzierung ist Gradenegger aktuell am weibeln. Vier Millionen Franken sollen zusammenkommen, so das Ziel. (mw)


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