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Livingdocs mischt die Medien auf
Quelle: Livingdocs

Start-up

Livingdocs mischt die Medien auf

Medienhäuser rüsten sich für den digitalen Wandel und ­publizieren vermehrt online. Das Start-up Livingdocs will diese Entwicklung mit seiner gleichnamigen Lösung mitgestalten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2019/01

     

Im Zürcher Langstrassenquartier, un­weit der wohl schillerndsten Aus­gehmeile der Stadt, arbeitet das Start-up Livingdocs an seiner gleich­namigen Lösung zur Browser-basierten Erstellung und Verwaltung von Inhalten für das digitale Publikationswesen. Entstanden ist die Idee ursprünglich aus einem Prototypen, den die damalige Agentur Upfront für eigene Zwecke entwickelt hatte. Gabriel Hase, Mitbegründer von Livingdocs und zu der Zeit bei Upfront tätig, erinnert sich: "Wir hatten eine Software entwickelt, um Dokumente direkt online in einem Browser zu schreiben und sie als Webseiten anzuzeigen. Wir dachten damals jedoch nicht im Ent­ferntesten daran, damit in die Medienbranche einzusteigen. Im Rahmen eines Mandats bei der 'Neuen Zürcher Zeitung' wurde dann aber schnell klar, dass die Lösung, wenn sie weiter ausgebaut würde, auch als Content-Management-­System für Medienhäuser interessant sein könnte. Daraus entstand 2015 die Firma Livingdocs."

Die Medienbranche geht online

Die beiden Gründer von Livingdocs, Gabriel Hase und Lukas Peyer, verfügen beide über einen technischen Hintergrund, haben eine Ausbildung im Bereich der IT durchlaufen. Wie Hase erklärt, habe der Fortschritt in der Browser-­Technologie letztlich den Grundstein für Livingdocs gelegt: "Als wir den Prototypen entwickelt haben, geschah dies in einer Zeit, in der die Browser begannen, mehr zu können, und Javascript grössere Verbreitung fand." Die ursprüngliche Software war ein Browser-­basierter Editor, mit dem man Webseiten als Dokument direkt online kreieren konnte. "Die erste Version hatte nicht einmal eine Datenbank. Man schrieb direkt in den Browser und die Software generierte daraus eine JSON-Datei", führt Hase aus. Das Newsportal "Watson" fand das Konzept spannend und holte die Lösung an Bord, um den eigenen Journalisten zu ermöglichen, Inhalte schneller und effizienter zu erstellen und zu gestalten.


"Mit derselben Lösung sind wir dann auch zur 'NZZ', die sich bereits in der digitalen Transformation befand, weg vom Print und hin zum reinen Online-Journalismus. Und auch hier fand die Idee Anklang, jedoch kamen im Zuge des Projektes von den Verantwortlichen des Medienhauses auch immer mehr Ideen und vor allem Anforderungen auf uns zu. Andererseits ermöglichte dies die Weiterentwicklung der Software zu dem, was Livingdocs heute ist", fasst Hase die Entstehungsgeschichte des Start-ups zusammen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Content-Management-Systemen wie beispielsweise Wordpress oder Blogger, bei denen Frontend und Backend eine Einheit bilden, ist Livingdocs ein so genanntes Headless CMS, in dem das Frontend beziehungsweise die Besucherseite vom Backend entkoppelt wird.
Auch der Fokus ist ein anderer, denn während Lösungen wie Wordpress darauf ausgerichtet sind, Webseiten zu erstellen, geht Livingdocs weiter und stellt die Zusammenarbeit in den Mittelpunkt. "Livingdocs ist eine Lösung, die auf Medienhäuser zugeschnitten ist, die ihre Magazine und Zeitungen online publizieren wollen. Dabei brechen wir die herkömmliche Arbeitsweise der Branche auf. Die meisten Zeitungen haben bisher einfach ihre althergebrachten Workflows aus dem Print-Bereich beibehalten und aus den Seiten, die sie für die Print-Ausgabe produziert haben, eine Webseite für die Online-Ausgabe erstellt. Das ist jedoch viel zu umständlich", findet Hase. Wolle man wie bei der NZZ mit rund 800 Journalisten online publizieren, dann brauche es neue Workflows. Man müsse Collaboration Tools haben und die Möglichkeit, die Texte zu kommentieren, ausserdem müsse das System Browser-basiert sein und man müsse die verschiedenen Elemente der Webseite darin neu arrangieren können, führt Hase aus. Man arbeitet also direkt an den Inhalten, wie sie dann online erscheinen, wobei die Idee dahinter ist, dass die Journalisten nicht mehr in eng abgegrenzten Artikeln denken.

Ein Online Service für eine breitere Kundenbasis

Die Erfahrung mit der "NZZ" war für das Start-up sozusagen der Startschuss für die weitere Entwicklung der Software. Hase und seine Kollegen konnten daraufhin weitere Kunden von ihrer Lösung überzeugen: "Während wir uns beim Projekt mit der 'NZZ' auf die Bereitstellung der Tools für die Produktion beschränkt haben – die Webseite nach aus­sen wurde von der 'NZZ' selbst erstellt – haben wir bei einem weiteren Projekt für 'Bluewin.ch' alles beigesteuert, vom Editor bis hin zum Internet-Auftritt." In der Folge kam die Idee auf, Livingdocs auch als Online Service anzubieten. Diese Lösung ist nun seit Ende November 2018 über die Webseite des Start-ups als kostenlose Beta-Version abrufbar. Laut Gabriel Hase richtet sich der Online Service an ein breiteres Zielpublikum: "Im Fokus steht bei unserer Cloud-Lösung der Editor. Dieser ist modular aufgebaut und erlaubt die einfache Erstellung von Inhalten aus einzelnen Bausteinen, in etwa so, als würde man mit Lego spielen. Man hat beispielsweise ein Element für den Text, ein weiteres für Bilder oder aber noch eines für Videos. Diese kann man im Browser beliebig arrangieren." Mit dem Online Service könnten beispielsweise kleinere Verlage oder Kommunikationsabteilungen von Unternehmen viel schneller und flexibler Inhalte für ihre Webseiten produzieren, als mit einem herkömmlichen CMS, ist der Geschäftsführer von Livingdocs überzeugt.
Sobald die neue Cloud-Lösung im Frühling 2019 lanciert wird, soll sie ab ungefähr 30 Franken pro Nutzer und Monat erhältlich sein. Damit will Livingdocs auch Unternehmen ausserhalb der Medienbranche ansprechen, wie Hase erklärt: "Während Medienhäuser den Nutzen von Livingdocs erkennen und zur Enterprise-­Version greifen, sind andere Unternehmen zurückhaltender, denn sie nutzen meist seit vielen Jahren die gleichen Systeme, um Inhalte für ihre Webseiten zu produzieren und wollen sich nur ungern auf einen Wechsel einlassen." Der Online Service jedoch sei schlanker und einfacher zu nutzen, so Hase. Seine Hoffnung ist deshalb, dass einzelne Mitarbeitende in Unternehmen oder einzelne Abteilungen Livingdocs von sich aus testen und dann für ihre tägliche Arbeit einsetzen: "Auch Wordpress ist auf diese Weise in vielen Unternehmen sesshaft geworden, quasi durch die Hintertür, indem einzelne Mitarbeitende angefangen haben, damit herumzuspielen, und dann gemerkt haben, dass es einfacher zu handhaben ist als die bestehenden Systeme."


Um den Service zu entwickeln, musste die Software im Laufe des letzten Jahres grundlegend umgebaut werden, wie der CEO des Start-ups erzählt: "Davor konnten wir mit unserer Lösung zu einem Publisher gehen und die Software im Laufe weniger Wochen nach den Wünschen des Kunden selbst aufsetzen. Beim Service geht das nicht mehr, denn der Nutzer muss in der Lage sein, alles innert nützlicher Frist selbst zu konfigurieren, und zwar ohne dabei auf unsere Hilfe zurückgreifen zu müssen." Das Ziel sei, dass ein Unternehmen die Online-Version von Livingdocs innerhalb von ein bis zwei Stunden komplett nach den eigenen Bedürfnissen konfigurieren und dann sofort damit arbeiten könne. Um den Prozess zu beschleunigen soll es Vorlagen geben, beispielsweise für die Produktion eines Magazins, die der Nutzer dann anpassen kann, man wird aber auch von Grund auf alles selbst einstellen können.

Der Blick über die DACH-Region hinaus

Angesprochen auf die Finanzierung des Start-ups erklärt Gabriel Hase, dass dieses zu Beginn bootstrapped gewesen sei, bis Ende 2016 die "NZZ" in das Unternehmen investierte und einen Anteil von 15 Prozent erwarb. Seitdem sorgt eine wachsende Anzahl von Kunden für die nötigen Einnahmen. Livingdocs hat mit vier Mitarbeitenden begonnen, heute beschäftigt das Unternehmen in Zürich zwölf Festangestellte und dazu noch Freelancer, die dezentral arbeiten. "Wir haben seit Sommer letzten Jahres auch einen Mitarbeiter, der sich um das Marketing kümmert, davor haben wir diesen Bereich des Unternehmens vernachlässigt", grinst Gabriel Hase. Hierarchien gibt es unter den Mitarbeitenden keine, man denke ausschliesslich in Rollen, so der CEO. Man würdige ausserdem gute Leistungen. Wer beispielsweise ein Problem habe lösen können, habe später in einer ähnlichen Situation bei der Entscheidungsfindung mehr zu sagen.


Aktuell arbeitet man bei Livingdocs auch auf eine Expansion hin. "Bisher haben wir den deutschsprachigen Raum bedient, jetzt möchten wir als nächstes in die Benelux-Länder und nach Skandinavien expandieren", erklärt Hase, wobei man auf langsames, aber beständiges Wachstum setze. Eigentlich biete nur die "Washington Post" mit Arc eine vergleichbare Branchenlösung an, diese sei jedoch weitaus komplexer, und längst nicht jedes Unternehmen wolle sich an einen so grossen Anbieter binden, ist der Mitgründer des Start-ups überzeugt, weshalb er und seine Kollegen weiterhin zuversichtlich in die Zukunft blicken. (luc)


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