Die Best Practices und Standards, die sich in den letzten Jahren im Bereich Unified Communications (UC) entwickelt haben, verändern das tägliche Arbeitsumfeld und beeinflussen die Gewohnheiten von Arbeitskräften und die Prozesse in Firmen weltweit. "Swiss IT Magazine" hatte die Gelegenheit, im persönlichen Gespräch mit Jonathan Rosenberg, CTO für Collaboration bei
Cisco, auf die Trends und Technologien sowie den Einfluss von UC auf das tägliche Arbeitsleben tiefer einzugehen. In Rosenbergs Keynote im Rahmen der Cisco Live! 2018 widmete er sich in erster Linie dem Thema Video- und Konferenz-Calls, beziehungsweise Online-Meetings.
Angesprochen auf den Schwerpunkt seiner Präsentation antwortet Rosenberg: "Video-Technologie ist natürlich ein älteres Thema, hat in den vergangenen Jahren aber einen stetigen Aufwärtstrend erlebt." Besonderes Augenmerk legt er dabei darauf, dass der allergrösste Schub in diesem Bereich die Etablierung von Smartphones und Tablets war. "Anwendungen wie Facetime haben das Thema damals massentauglich gemacht und dazu geführt, dass Anwender diese Technologien in ihrer Rolle als Konsumenten nutzen. Das half, den Workplace für jüngere Generationen auszulegen, die mit der Video-Kommunikation vertraut sind, was eine schrittweise Akzeptanz zuliess."
Transformation für die Zukunft
Bei der genauen Betrachtung der vielen Trends in der Branche zieht Rosenberg aber den Schluss, dass der mit Abstand wichtigste Trend die Transformation von UC zu Software as a Service ist. "SaaS und Cloud-based Delivery ist aktuell klar die wichtigste Transformation in der Industrie, dabei entwickelt sich das Thema in verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Konferenz-Calls finden seit längerem grösstenteils in der Cloud statt. Andere Themen wie Anrufe, Video-Konferenzen und Messaging werden heute auch vermehrt in die Cloud verschoben. Das ist wahrscheinlich der wichtigste Trend in diesem Bereich."
Als zweite wichtige Entwicklung sieht Rosenberg einen Wechsel der Tools, die Endbenutzer für UC verwenden. Eine neue Art der Kollaborationswerkzeuge, sogenannte Team-Kollaborations-Tools, seien die moderne Generation von UC-Clients. "In der Vergangenheit nutzten Anwender zuhause die Messenger von Yahoo oder AOL. Diese Tools haben auf diesem Weg in die Büros Einzug gehalten." Als Beispiele für diese Entwicklung nennt er dabei etwa Skype for Business und Microsoft Lync. Diese wiederum wurden, so Rosenberg, später von Wechat, dem Facebook Messenger oder, vor allem in Europa, von Whatsapp abgelöst. Heute seien diese Tools mehr auf die Arbeit ausgerichtet, was zum heutigen Stand der Kollaborationswerkzeuge führt. Die Produkte haben sich verändert, so Rosenberg, sind konsistent Chat-basiert. Integrationen für Meetings und Anruf-Funktionalitäten sorgen für eine neue User Experience. SaaS und die Evolution der Produkte also: "Diese zwei Themen sehe ich als die wichtigsten Trends an, während Video-Technologie in UC nebenbei seinen stetigen Aufwärtstrend fortsetzt." Im Kontext der Cloud, so Rosenberg, führe der Trend im Markt zu einer harten Konkurrenzsituation, in dem kleine Anbieter, die nur einzelne Bereiche von UC abzudecken vermögen, einen schweren Stand hätten. Rosenberg: "Eine der goldenen Regeln von SaaS ist das richtige Verhältnis des Engineering-Aufwands zu den Kosten pro Benutzer und Monat, die der Kunde zahlt. Das führt zu mehr Konsolidierung der Dienste." Die einzigen Firmen, die in der Lage seien, ganze UC-Portfolios zu liefern, seien Microsoft und eben
Cisco. Gerade kleinere Anbieter hätten in dieser Situation Probleme und so könne man in der Folge aktuell einen Trend der Zusammenschlüsse und Übernahmen bei kleineren Marktteilnehmern beobachten.
Das lernende Meeting
Neben SaaS und Consumerization, also der Entwicklung von Business-Produkten die aus Consumer-Produkten hervorgehen, gäbe es jedoch weitere definierende Faktoren in UC: "Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning haben definitiv Einfluss auf die Kollaborationswerkzeuge im Business-Bereich. Diese finden meist im Hintergrund statt, wo Endbenutzer keinen wirklichen Einblick haben. Wir haben in unseren Video-Konferenz-Lösungen beispielsweise eine Funktion, um Gesichter zu erkennen. Mit diesen Informationen wird das Videobild automatisch zugeschnitten, damit alle Teilnehmer gut sichtbar sind. Diese Funktion basiert auf Machine Learning." Als Beispiel für eine solche Funktion, die für den Anwendern sichtbar ist, nennt Rosenberg KI-basierte digitale Assistenten wie Alexa und Google Assistant, die auch im Business-Kontext Einsatz finden. "Wir haben vor einigen Monaten mit dem Webex Assistant einen solchen Workplace-Assistenten angekündigt", wirbt Rosenberg und fügt an: "Dieser wird in unsere Video-Konferenz-Produkte integriert. Das kann man sich so vorstellen, als ob man seinen eigenen administrativen Assistenten hat, der Meetings koordiniert oder andere Teilnehmer einlädt. Dieser soll in Zukunft aber auch mit Anfragen umgehen können, wie beispielsweise das sprachgesteuerte Aufrufen der Folien aus dem letzten Meeting oder das Abrufen der Quartalszahlen. So, wie wenn man in jedem Meeting einen menschlichen Assistenten bei sich hätte." Viele Marktteilnehmer, von
Cisco über Microsoft bis hin zu zahlreichen Start-ups, würden sich aktuell mit diesem Thema beschäftigen, KI sei ein grosses Thema im Kampf um den Markt, ist sich Rosenberg sicher.
Die Anwendungen würden in Sachen KI jedoch noch darüber hinausgehen. Rosenberg führt das in einem weiteren Beispiel genauer aus: "Wir investieren aktuell auch in die spezifische Gesichtserkennung, um nicht nur zu erfassen, dass und wo im Bild ein Gesicht ist, sondern auch wessen Gesicht das ist. In einem Meeting erkennt die Software also die Person selbst und kann das Meeting dadurch smarter machen." So könnten bei Meetings, bei denen der Anwender nicht zwingend mit einem persönlichen Account teilnimmt, automatisch Namensschilder auf der Brust des Teilnehmers angezeigt und Teilnehmerlisten erstellt werden.
Immer online
Angesprochen auf den Kulturwandel, den UC im Arbeitsleben ausgelöst hat, meint Rosenberg: "In einem gewissen Sinn fördert es eine Kultur des ununterbrochenen Arbeitens." Viele Menschen würden das aber nicht zwingend ungern hinnehmen, was Rosenberg als eine Folge der grassierenden Smartphone-Anhängigkeit sieht. Selbst wenn man nicht müsse, fühle man sich doch irgendwie dazu gedrängt, die Nachrichten zu checken. Viele Anwender würden die ständige Erreichbarkeit also auch schätzen. Rosenberg stellt sich sogleich selbst die Frage: "Wird es eine Entwicklung zurück geben, werden sich die Menschen bewusst ausloggen?" und antwortet darauf: "Ehrlich gesagt sehe ich davon nicht viel und es ist auch schwer, sich davor zu verstecken. Selbst wenn ich nicht das Arbeits-Tool selbst nutze, so werde ich doch auch in meiner Freizeit von Arbeitskollegen angeschrieben", und spielt dabei auf die verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben an. Die meisten Menschen würden ihr Smartphone ganz einfach nicht mehr ausschalten. Das Thema sei daher, so Rosenberg, eher gesellschaftskultureller Natur. Es gäbe jedoch auch schon gesetzliche Ansätze zur Thematik. So würde in Europa derzeit an Gesetzen gearbeitet, um die Präsenzzeiten besser abzugrenzen. "Die Technologie dahinter ist vergleichsweise einfach und uninteressant, hier geht es einzig um kulturelle und juristische Fragen, die regional geregelt werden müssen. Die Angst, etwas zu verpassen, ist aber in der menschlichen Natur verankert, das lässt mich vermuten, dass die Entwicklung eher nicht zurückgehen wird." Rosenberg schliesst mit den Worten: "Dies ist die aufregendste Zeit für UC, die wir je hatten. Wir befinden uns in der dritten Phase der Technologie. Es begann mit der Stromkreisschaltung, das war der wichtigste Hardware-Teil. Dann die Paketübermittlung als wichtigste Software-Entwicklung und heute sind wir schliesslich bei SaaS, also in der Cloud gelandet. Das ist der dritte grosse Sprung in diesem Markt und wird nun mit Video-Technologie, KI, neuen User Experiences und Hardware-Formfaktoren kombiniert. Es ist unglaublich, wie schnell der Wandel heute ist. And that makes it fun."
(win)