Start-up Bitsaboutme

Fairtrade für Personendaten

Vom Online-Handel mit den eigenen Daten profitieren, das klingt nach Wunschdenken. Nicht, wenn man Bitsaboutme aus Bern fragt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2018/06

     

Eine kurze Recherche über Beamer – schon bekommt man Projektor-bewerbende E-Mails. Eine Suchanfrage nach dem Duoro-Gebiet, schon kann man sich vor Weinwerbung kaum mehr retten. Dieses etwas hässliche Phänomen des modernen Internet basiert auf einem speziellen Übel: Dem flächendeckenden Sammeln von und Handeln mit unseren persönlichen Daten. Und wenn Handel betrieben wird, macht in der Folge meist irgendjemand Profit damit. Die Profiteure hierbei sind mehrere Parteien: Zum Anfang verkauft der Datensammler selbst, also beispielsweise eine besuchte Webseite mit eingebauten Trackingpixeln, die Daten weiter, oft an Zwischenhändler. Weiter kaufen im Anschluss Firmen, die personalisierte Werbung betreiben wollen, von Datenhändlern Zielgruppengerichtete Datensätze ein. Die dritte profitierende Partei ist natürlich die werbetreibende Partei selbst, die dank den sortierten Daten Targeting betreiben, also auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Werbung senden kann. Das spart Kosten und treibt die Conversion Rate in die Höhe.


Das alles führt zu einer logischen Folgefrage: Warum ist der Konsument nicht auch Profiteur, obwohl er letztlich doch der Produzent der Ware, also der persönlichen Daten, ist? Christian Kunz, CEO von Bitsaboutme, schildert seine ersten Erfahrungen mit der Problematik: "Ich leitete die Werbevermarktung bei Ebay, als sich vor zehn Jahren eine neue Industrie entwickelte, die grosse Mengen von Nutzerdaten anonymisiert, verknüpft und verkauft ohne dass die Nutzer wirklich etwas davon mitbekommen hätten. Ich habe damals zwei Dinge gelernt: Zum einen wie viel Geld man mit diesen Daten verdienen kann und zum anderen, dass ich als Nutzer nicht gut finde, was hinter meinem Rücken mit meinen Daten passiert."

Ein Konzept für zeitgemässen Datenhandel

So entstand das Konzept eines Marktplatzes für Personendaten, erarbeitet von Christian Kunz und Christophe Legendre, die sich als CEO und CTO von Ricardo.ch kennenlernten, wo beide bis vor der Gründung von Bitsaboutme arbeiteten. Als die Europäische Union 2016 bekannt gab, dass, wann und in welcher Form die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wirksam werden würde, spross die Idee für das neuartige und ambitionierte Projekt: Ein Datenmarktplatz, auf dem private Benutzer ihre eigenen Daten für einen Gegenwert selbst an werbetreibende Player freigeben können. Kunz: "Die DSGVO ist eine gute Sache, welche die Welt verändern wird. Vor allem natürlich das Digital Advertising und die Tatsache, dass unsere Daten aktuell hinter unserem Rücken verscherbelt werden. Wir haben uns also darangemacht, den neuen Rechten, welche die Nutzer mit der DSGVO haben, ein Produkt zur Seite zu stellen, mit dem diese ausgeübt werden können. Und dabei entschieden, das alles muss möglichst einfach und ohne juristische Abhandlungen in der Form einer App zugänglich sein."


Auf Basis dieser Idee gründeten Kunz und Legendre das Start-up Bitsaboutme, welches auf der gleichnamigen Plattform genau diese Möglichkeiten anbietet. Mit Bitsaboutme können Unternehmen gezielt nach Daten suchen und Benutzer können die Übersicht und die Freigabe ihrer eigenen Daten granular steuern und schliesslich auch profitieren, falls sich ein Unternehmen für den eigenen Datensatz interessiert.

Alles an einem Ort

Zu Beginn loggt sich der Benutzer auf der Mobile-optimierten Web-App von Bitsaboutme ein und verknüpft anschliessend beliebig viele Online-Accounts mit der Plattform. Aktuell sind Schnittstellen zu Facebook, Instagram, Twitter, Google, Gmail, Migros und beliebigen Mail-Accounts vorhanden, mehr werden im Laufe der Weiterentwicklung folgen. Sind die Accounts erfasst, können die eigenen Daten auf dem Bitsaboutme-Profil in übersichtlichen Grafiken eingesehen werden. Dort finden sich beispielsweise eine Karte mit allen generierten GPS-Daten, eine Wortwolke der Google-Suchbegriffe oder eine Netzwerk-Darstellung der Facebook-Interaktionen wie etwa Likes. Alle Daten sind grundsätzlich in fünf Dimensionen dargestellt und behandeln den Zeitpunkt, Personen, mit denen interagiert wurde, Art und Ort der Interaktion sowie zusätzliche Details. "Das Sammeln und Visualisieren der Daten ist der erste wichtige Schritt. Der zweite und entscheidende Schritt für unser Businessmodell ist, dass wir einen Marktplatz bauen, auf dem der Nutzer mit seinen Daten Geld verdienen kann", erklärt Kunz und fügt an: "So wie die Datensammler sich heute beim Verkauf der Daten Geld in die Taschen stecken, so soll der Nutzer in Zukunft direkt davon profitieren."

Bares für Daten

Der Prozess verläuft wie folgt: Der Benutzer loggt sich ein, gibt seine Zugangsdaten zu den genutzten Services an und kann seine Daten einsehen. Der zweite Schritt ist die Konfiguration des Marktplatzes. Hier bestimmt der User in der Rolle des Datenverkäufers, welche Personendaten überhaupt in Frage kommen, um geteilt zu werden. Gleichzeitig konfigurieren Käufer – in der Regel Unternehmen – auf ihrer Seite des Marktplatzes ein Profil des gewünschten Users und senden ein Angebot. Beispielsweise bietet ein Onlinehändler einen Shopping-Voucher von 5 Franken als Gegenwert für das Zusenden von Newsletters über die Dauer von drei Monaten.


Wenn die eingeforderten Informationen auf einen Benutzer zutreffen und dieser grundsätzlich bereit ist, die Informationen freizugeben, bekommt er in der Bitsaboutme-App eine Offerte mit dem detaillierten Angebot. Stimmt der User zu, findet die Transaktion statt und der Käufer erhält die Daten, die er für den Newsletter benutzen darf. Die Entschädigung erfolgt aktuell mit Vouchers und Gutscheincodes, ein Bezahlsystem, mit welchem echtes Geld an Nutzer ausbezahlt werden kann, ist aber in Planung. Bitsaboutme selbst finanziert das Produkt durch kleine Anteile, die von den Transaktionen zwischen Käufer und Verkäufer abgezweigt werden. "Für den Endnutzer bleibt das Produkt immer kostenlos. Wenn ein Datenhandel stattfindet, der Nutzer beispielsweise für 10 Franken ein Jahr lang einen Newsletter abonniert, nehmen wir eine Kommission. Genauso, wie es bei Ebay oder Ricardo eben auch ist", erklärt Kunz.

Fokus: Sicherheit

Angesprochen auf die Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen wurden, um die gesammelten Daten ihrer User zu schützen, versichert Kunz: "Jeder Nutzer hat seine eigene verschlüsselte Datenbank, das System ist komplett dezentral aufgesetzt. Das individuelle Passwort des Benutzers verschlüsselt die Daten, wir haben das Passwort nie." Der Nachteil: Wenn es verloren geht, kann der Account also auch nicht wiederhergestellt werden. "Könnten wir das, hätten wir das Passwort auch irgendwo und das wollen wir nicht", kommentiert Kunz diesen eher unüblichen Schritt. Auch Privacy by Default ist bei der Entwicklung zentral: "Die erste Entscheidung, die der Nutzer treffen muss, ist die, ob er am Marktplatz teilnehmen will oder nicht". Dieser Punkt ist also freiwillig, der Service kann auch nur zur einfachen Einsicht der eigenen Daten genutzt werden und ist dabei vollumfänglich nach DSGVO-Normen designt: "Egal was im Profil passiert, der Nutzer hat stets das Opt-In, muss also aktiv zustimmen, ob er teilnehmen und seine Daten teilen will."

Partnersuche und Fahrplan

Da die wichtigsten Schnittstellen seit letztem Herbst bereitstehen, ist man bei Bitsaboutme in diesen Tagen darum bemüht, den Marktplatz fertig zu stellen. "Der Marktplatz wird in den nächsten Wochen live gehen, danach fokussieren wir uns wieder auf die Consumer-Seite", kommentiert Kunz. Dann werden auch weitere Schnittstellen hinzugefügt werden, um noch mehr Services abdecken zu können. Im Fokus steht aktuell aber vor allem die Akquise von Neukunden und Partnern, die Bitsaboutme natürlich benötigt, um zu wachsen.

Ebenfalls in der Entwicklung ist die Oberfläche für die Datenkäufer, welche die Bestellungen und Konfigurationen aus dem eigenen CRM-System bedienen können sollten. Dazu entwickelt die deutsche Firma Ec4u, die auch Standorte in der Schweiz hat, als strategischer Partner aktuell die Oberfläche für das CRM-System Salesforce. So können Käufer, die Salesforce einsetzen, mit überschaubarem Aufwand aus dem eigenen CRM-System Profile und Angebote konfigurieren, um diese als Anfragen an den Marktplatz zu schicken. Auch die Einbindung anderer CRM-Plattformen, die Zugang zum Marktplatz erhalten sollen, ist in Planung.


Seit der eigenfinanzierten Gründung wurde aus dem Duo Kunz und Legendre innerhalb von einem Jahr ein Team von sieben Spezialisten aus sechs Nationen, die in Bern in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof einquartiert sind. Die gleiche Anzahl von Entwicklern arbeitet beim Partner Ec4u an der Salesforce App für Unternehmen. Im vergangenen März wurde die erste Seed-Runde mit einem hohen sechsstelligen Betrag geschlossen, primär finanziert durch Business-Angels. Diese Tranche soll die Entwicklung bis Ende des Jahres noch tragen, Kunz rechnet aber schon dieses Jahr mit Umsätzen. Bis etwa 2020 plant das junge Unternehmen, den Break Even zu erreichen.

Ob das klappt, hängt wohl davon ab, wie gewillt die Benutzer sind, ihr eigenes Datenschicksal in die Hand zu nehmen. Wenn alles gut läuft, wird der nächste Wein-Newsletter vielleicht gleich mit der passenden Flasche zusammen im Briefkasten liegen. (win)


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