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Datenverkehr auf Schweizer Mobilfunknetzen explodiert
Quelle: istockPhoto

Datenverkehr auf Schweizer Mobilfunknetzen explodiert

Von Diego Oppenheim

Die mobile Kommunikation ist für die meisten Schweizerinnen und Schweizer längst zum Alltag geworden: Handys, Smartphones und Tablets sind heute unsere ständigen Begleiter und zuverlässigen Helfer im privaten wie im beruflichen Leben. Deshalb gibt es bedeutend mehr registrierte Mobilfunkanschlüsse, als die Schweiz an Einwohnern zählt. Mobilfunk bedeutet heute aber nicht mehr nur mobiles Telefonieren, sondern vielmehr auch mobiles Internet: Das Datenvolumen in den Schweizer Mobilfunknetzen wächst und wächst. Ein Ende dieses Trends ist kaum absehbar und hat Auswirkungen auf die Anforderungen an die Mobilfunkinfrastruktur.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/01

     


Verändertes Nutzungsverhalten

Das Mobiltelefon entwickelt sich mehr und mehr zu einem Multifunktionsgerät. In einer Studie von Gfs.bern von 2015 geben die Befragten an, durchschnittlich rund 17 Minuten pro Tag zu telefonieren. Bei der letzten Befragung im August 2010 ergab sich hierfür ein Wert von 29 Minuten. Gleichzeitig steigt die Nutzung von mobilen Internetanwendungen von durchschnittlich 7 Minuten (2010) auf heute knapp 50 Minuten pro Tag. 83 Prozent aller Befragten geben dabei an, über das Smartphone das mobile Internet zu verwenden. Vor vier Jahren waren dies gerade mal 24 Prozent.
Um der steigenden Nachfrage und vor allem dem veränderten Nutzungsverhalten gerecht zu werden, investieren die Anbieter hierzulande jährlich zwischen 500 und 600 Millionen Franken, um die Mobilfunknetzte zu modernisieren und auszubauen. Dafür wiederum sind flexible Rahmenbedingungen erforderlich, um dem Bedürfnis nach stabilen, leistungsfähigen und flächendeckenden Mobilfunknetzen gerecht zu werden.
Mobilfunkantennen haben eine vergleichsweise geringe Sendeleistung. Deswegen müssen sie dort stehen, wo Menschen mobil telefonieren und mobil im Internet unterwegs sind. Rund zwei Drittel der Telefongespräche und der mobilen Internetzugriffe werden zu Hause getätigt. Dieser Trend nimmt weiter zu. Weil immer weniger Privatpersonen einen Festnetzanschluss haben, ist ein Netzausbau besonders in Wohnzonen erforderlich.

Innovative Ansätze für mehr Kapazität


Die Mobilfunktechnologie hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Die in der Schweiz meist verbreiteten Funktechniken sind heute 3G (UMTS) und 4G (LTE). Diese sind darauf optimiert, mehr Nutzer mit höheren Datenraten zu versorgen als der Vorgänger 2G (GSM). Mit LTE Advanced entwickeln die Anbieter momentan die bestehende 4G/LTE-Technologie weiter, um mehr Kapazität und Geschwindigkeit bereitstellen zu können. Verschiedene Schweizer Städte sind bereits mit LTE Advanced ausgerüstet. Diese Technologie ermöglicht Geschwindigkeiten von bis zu 450 Mbit/s.
Gerade in Ballungszentren greifen viele Kunden gleichzeitig auf das mobile Internet zu. Um Kunden die notwendige Bandbreite zur Verfügung stellen zu können, verfolgen die Mobilfunkbetreiber hier neue, innovative Ansätze. So setzt beispielsweise die Swisscom auf eigens entwickelte Mobilfunkantennen und Mikrozellen, die in bestehende Festnetzschächte in der Strasse eingebaut werden und die dort vorhandene Strom- und Internetanbindung nutzen. Die Antenne muss dabei hohen Anforderungen standhalten, wie extremen Witterungsbedingungen oder dem Gewicht eines 40-Tonnen-Lastwagens. Zurzeit finden diese neuen
Antennen-Pilotversuche in verschiedenen Schweizer Grossstädten statt. Bei erfolgreichem Testverlauf ist eine breite Einführung noch in diesem Jahr denkbar.

Das Internet der Dinge


Maschinen und Systeme werden sich künftig immer mehr selbständig steuern und optimieren. Über die Mobilfunkinfrastrukturen und Cloud-Lösungen werden Maschinen und Geräte hochflexibel und weltweit miteinander kommunizieren. Heute geht man davon aus, dass bis 2020 weltweit rund 50 Milliarden Gegenstände, Geräte und Maschinen mit dem Internet in Verbindung stehen (Internet of Things, kurz IoT).
Zu den wichtigsten Anwendungen des IoT gehören die Fernüberwachung und -steuerung von Gebäuden, Maschinen und Anlagen. Aber auch der Kundendienst kann beispielsweise wesentlich gezielter weiterhelfen, wenn ihm Sensordaten aus Geräten direkt zur Verfügung stehen. Viele weitere, mögliche Geschäftsmodelle und Informationen zum Thema IoT finden Sie in der Ausgabe Nr. 11/2015 von «Swiss IT Magazine».
Mit dem Internet der Dinge werden die Mobilfunkinfrastrukturen weiter beansprucht, ein Netzausbau ist damit unumgänglich. Der Netzausbau und der damit verbundene Neu- oder Ausbau von Mobilfunkantennen ist jedoch ein komplexes Thema. Einerseits sind die Mobilfunkbetreiber daran interessiert, ein leistungsstarkes und bedürfnisgerechtes Netz zu wettbewerbsfähigen Preise anzubieten. Andererseits gilt es die Bedürfnisse von Behörden und Anwohnern weitgehend zu berücksichtigen.

Grenzwerte zum Schutz von Mensch und Natur

Anlagen wie Radar, Radio- und Fernsehstationen oder Funksender nutzen elektromagnetische Felder. Diese Felder transportieren Musik, Bilder oder Telefongespräche. Grundsätzlich erzeugen alle Geräte und Anlagen, bei denen elektrischer Strom fliesst, auch elektromagnetische Felder. Dies lässt sich aus physikalischen Gründen nicht verhindern. Diese Felder werden auch als nichtionisierende Strahlung oder als «Elektrosmog» bezeichnet. Es gibt auch natürliche Quellen von nichtionisierender Strahlung: die Sonne, das Erdmagnetfeld oder Gewitter. Um die Bevölkerung vor nichtionisierender Strahlung von Anlagen zu schützen, hat der Bundesrat bereits 1999 eine Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) erlassen. Danach gelten in der Schweiz weltweit einmalig strenge Vorschriften und Grenzwerte für Mobilfunkanlagen.
Die meisten Staaten folgen in ihren Grenzwertvorschriften den Empfehlungen der WHO (max. 61 V/m). Diese Grenzwerte tragen bereits dem vorsorglichen Gesundheitsschutz vollauf Rechnung, da wissenschaftlich klar nachgewiesene Auswirkungen elektromagnetischer Felder (Erwärmung von Gewebe) erst bei Stärken von über 500 Volt per Meter möglich sind. Dennoch hat die Schweiz die bereits hohe Marge in der NISV noch einmal um den Faktor 10 verschärft und zusätzlich mit strengen Ausführungsbestimmungen versehen.
Damit gehört der Mobilfunk zu den am stärksten regulierten Technologien hierzulande. Als Folge dieses Regelwerks braucht es in der Schweiz – im Verhältnis zum benachbarten Ausland – mehr Antennen für die Abdeckung eines bestimmten Gebietes als im Ausland.

5G-Netz bereits in Planung

Die Entwicklung des Mobilfunks und des mobilen Internets geht in der Schweiz trotz allem schnellen Schrittes voran. Bereits in vier Jahren wird hierzulande die nächste Mobilfunkgeneration eingeführt. Swisscom wird voraussichtlich 2020 ihr Netz mit 5G ergänzen. 5G bringt den Kunden nochmals massiv höhere Übertragungsgeschwindigkeiten und mehr Kapazitäten. Auch zeichnet sich die Technologie durch extrem niedrige Reaktionszeiten und deutlich tieferen Energieverbrauch im Betrieb und bei den Endgeräten aus.
Um genügend freie Frequenzen für den weiteren 4G/LTE-Ausbau und die Einführung von 5G zu haben, wird Swisscom per Ende 2020 die bereits über 20 Jahre alte Technologie 2G nicht mehr unterstützen. Auf dem 2G-Netz läuft heute lediglich 0,5 Prozent des mobilen Datenverkehrs, die Technologie belegt aber 30 Prozent der Antennenkapazität. Die Abschaltung betrifft Privatkunden mit reinen 2G-fähigen Endgeräten sowie Geschäftskunden mit 2G-Lösungen oder 2G-basierte M2M-Anwendungen. Grundsätzlich wird die Aggregation von immer mehr Frequenzen angestrebt, um der steigenden Nachfrage nach Geschwindigkeit und Kapazität gerecht zu werden.

Forum Mobil

Die Informationsplattform Forum Mobil vermittelt Fakten rund um die Themen Netzausbau, Antennentechnologie und -standorte sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen der Bewilligungsverfahren. Als Kompetenzzentrum richtet sich Forum Mobil mit diesem Angebot insbesondere an Gemeinden und Kantone sowie Medien und weitere interessierte Personen. Die Arbeit von Forum Mobil wird unterstützt von der Schweizer Mobilfunkbranche. Weitere Informationen unter:
www.forummobil.ch


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