Nahe dem Bahnhof Wallisellen liegt das Cisco-Schweiz-Büro in einem kastenförmigen Neubau. Steigen Mitarbeitende im dritten Stock aus dem Lift, führt sie ein Teppich, der eigentlich ein Display mit Lichteffekten ist, in den Eingangsbereich. Schon hier fallen elektronische Geräte ins Auge, ansonsten schicke Sessel, viel Glas. In Meeting-Räumen finden sich Videokonferenzanlagen, die ganze Wände bedecken, deren Kameras den Sprechenden automatisch heranzoomen und die Inhalte direkt aufs Smartphone spielen. Einer der Cisco-Mitarbeitenden in Hemd und Anzugshose ist Pascal Tscharner, Manager System Engineering bei Cisco Schweiz. Seit bald acht Jahren arbeitet er am Schweizer Sitz des amerikanischen IT-Unternehmens, mittlerweile in einer Führungsposition.
Im Büro verbringt der 42-Jährige nur die Hälfte seiner Zeit, ansonsten trifft er Kunden und Partner auswärts oder arbeitet von zu Hause aus. Wie bei allen Mitarbeitenden hat Cisco Tscharners Heim mit Firmen-WLAN, Telefon und Video-Terminal ausgestattet. «Spätestens seitdem man jedem Mitarbeiter hochauflösende Videosysteme zur Verfügung gestellt hat, schaut man intern schon fast komisch, wenn man nur ein Telefon ohne Bild nutzt», erzählt der vierfache Familienvater. Wo und wann man arbeitet, kontrolliere hier niemand. Tscharners Frau findet dennoch, ihr Mann arbeite manchmal zu viel – vor allem wenn um neun oder zehn Uhr abends noch Themen aus Amerika aufkommen. Der technikaffine Tscharner aber kann sich ein Arbeiten anderswo schwer vorstellen. Er wollte schon immer zu Cisco, hat auch schon lange mit Cisco zu tun. Zunächst half er als Werkstudent in den 1990ern dabei, die UBS an das Internet anzubinden, später dann machte er als Network Engineer Cisco-Zertifizierungen und lernte dabei Cisco-Mitarbeiter kennen. Als eine Stelle offen wurde, informierten sie Tscharner, er bewarb sich und konnte zunächst als System Engineer einsteigen.
Neue Ozeane erkunden
«Die Firma definiert sich ständig neu, sie sucht nach Möglichkeiten, in welche Bereiche man noch vorstossen könnte.» Tscharners Augen glänzen, wenn er das sagt. «Die Mitarbeiter ruhen sich nicht auf dem aus, was sie schon erreicht haben, sonst würde es die Firma wahrscheinlich schon lange nicht mehr geben.» Tatsächlich hat Tscharner seit seinem Start schon mehrmals Zuständigkeiten und Teams gewechselt. Wenn es neue Bereiche zu entdecken gilt, ist der Bündner vorne mit dabei. «Mich interessiert das einfach alles», erzählt Tscharner, «wohl wissend, dass es am Anfang einen Arbeitsberg geben kann, man am Schwimmen ist und vielleicht mal gegen eine Wand läuft.» Dass Tscharner es bei dem hohen Arbeitsvolumen nicht immer gelingt, abzuschalten, gibt er zwar zu. Das sei aber seiner persönlichen Arbeitseinstellung zuzuschreiben und nicht unbedingt der Firma, ist er überzeugt. Und dann erzählt er vom Internet of Everything und Smart Cities, von Abfallwägen, die signalisiert bekommen, ob ein Mülleimer schon voll ist und abgeholt werden will, von Parkplätzen, die sich reservieren lassen und je nach Nachfrage teurer oder günstiger werden, von Strassenlaternen mit Wireless-Access-Point. «Das finde ich eine höchst spannende Sache, in den Bereichen technologiemässig vorne mitzumischen und mitzugestalten, wie neue Geschäftsideen entstehen», meint Tscharner. «Die Telekommunikation wird immer breiter und betrifft nicht mehr nur die Rechenzentren im Keller.»
«Die Firma definiert sich ständig neu, sie sucht nach Möglichkeiten, in welche Bereiche man noch vorstossen könnte.» Pascal Tscharner, Manager System Engineering, Cisco (Quelle: Cisco)
Kultur der Begeisterung
Christian Martin, Geschäftsführer von Cisco Schweiz, sind begeisterte Mitarbeitende wichtig, die selbständig arbeiten und eigene Entscheidungen im Sinne des Unternehmens treffen. «Man liest in jedem Management-Buch, dass die Mitarbeiter motivierter sind, wenn sie an etwas Grösserem arbeiten können», erklärt der Herrliberger. «Dazu beizutragen, wie man Volkswirtschaften kompetitiver macht, in Städten Prozesse ändert und das Leben in der Schweiz vereinfacht, finde ich selbst absolut faszinierend.» Als der studierte Elektro-Ingenieur vor 16 Jahren noch nicht recht wusste, wo er beruflich Fuss fassen will und zunächst eine Reise nach Südamerika plante, traf er auf seinen späteren Cisco-Chef. Der stellte ein Absolventen-Programm vor und sagte: «Wir möchten Leute, die begeistert sind, für uns zu arbeiten, die voll motiviert sind. Und wenn es ihnen nicht gefällt, sind sie frei wieder zu gehen.» «Das ist ein Leitspruch, der mich heute noch begleitet», verrät der 42-Jährige. «Seitdem bin ich bei Cisco und war noch nie in Südamerika.»
Das Unternehmen ist mittlerweile rasant gewachsen, zählt heute weltweit 70’000 Mitarbeitende – und trotz der Grösse, findet Martin, hat Cisco es geschafft, die Kultur der Begeisterung zu halten. Dazu trägt die offene, transparente Kommunikation bei, die im Haus gepflegt wird, ist Martin überzeugt. Jeden Montag dreht entweder er selbst oder jemand aus dem Management-Team ein Video für die Mitarbeiter, in dem über aktuelle Zahlen, Highlights, Pläne und offene Punkte informiert wird; nicht selten wird auch um Input der Belegschaft gebeten. Für die Drehs hat man im Walliseller Büro eigens einen Green Room eingerichtet, der wie ein Wetterstudio daherkommt. Als Hintergrund können Firmenpräsentationen gewählt werden, oder auch das Matterhorn.
Vielfalt in der Belegschaft
«Ich glaube, wir haben sehr gute Mitarbeiter, wenn nicht die besten», erklärt Martin. «Darauf bin ich stolz und die muss man auch so behandeln.» Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen gehören dabei durchaus zur Tagesordnung: Wo investieren, worauf fokussieren, was wird sich durchsetzen – das alles will diskutiert werden. «Wenn wir keine Konflikte hätten, wäre ich sehr besorgt», meint Martin.
Obwohl der General Manager trotz Fachkräftemängel selbst selten Probleme hat, offene Stellen zu besetzen, und er seine Arbeitskollegen als Freunde bezeichnet, möchte er in der Belegschaft etwas ändern, mehr Vielfalt hineinbringen. Dazu hat Martin das 3G-Programm initiiert. Die Gs stehen für Gender, Geography und Generation. Martin wünscht sich in Teams einen Mix von Menschen aus den vier Sprachregionen der Schweiz, ausserdem engagiert sich Cisco an Universitäten, veranstaltet Womens und Girls Days, fährt Rekrutierungsprogramme und betreibt eine Networking-Academy. «Es ist mir ein Anliegen, unsere Branche attraktiv vorzustellen», erklärt der zweifache Familienvater. Und: «Ich würde gerne sofort mehr Frauen einstellen.»
Respektvoller, offener Umgang
Die bisher angestellten Mitarbeitenden aber scheinen mit ihren bisherigen Kollegen ganz zufrieden zu sein. Zumindest nennt Pascal Tscharner als ersten Punkt, warum Cisco für ihn ein Great Place to Work ist, die Menschen dahinter, seine Kollegen. «Was Cisco sucht und was Cisco attraktiv macht, zieht irgendwie die Sorte von Leuten an, mit denen ich gut auskomme», erklärt Tscharner. Man hilft sich gegenseitig, auch wenn alle viel zu tun haben, ist in Krisenzeiten sofort zur Stelle, etwa wenn bei einem Kunden etwas nicht reibungslos läuft und ist auch mal bereit, am Samstag anzupacken. Gedrückte Stimmung herrsche eigentlich nur, wenn die Zahlen nicht so gut sind wie gewünscht, findet Tscharner, oder wenn Umstrukturierungen von ganz oben anstehen, die Unsicherheiten verbreiten können. Vier an der Zahl waren das in den letzten Jahren. Trotzdem ist Cisco 2014 zum dritten Mal in Folge von seinen Mitarbeitenden zum Great Place to Work gewählt worden.
«Wir gehen respektvoll, aber sehr direkt und offen miteinander um», findet Tscharner. «Das ist wirklich ein Miteinander; kameradschaftlich und freundschaftlich.» Verbesserungspotential sieht Tscharner dennoch: Er wünscht sich, dass Cisco die Mitarbeitenden im operativen Geschäft mit Vor-Investitionen entlastet, um in neue Bereiche vorzustossen: «Wie ein Kletterer, der eine Hand loslassen muss, um den nächsten Vorsprung zu erreichen.» Vielleicht, könnte man mutmassen, klappt es ja dann auch besser, neben der Arbeit mal abzuschalten.
Ciscos Erfolgsfaktoren zum Nachahmen
- Offene Kommunikation: Das Management informiert regelmässig und frühzeitig über anstehende Projekte, Unternehmenszahlen und offene Punkte, auch und besonders in Krisenzeiten.
- Flexibilität auf Vertrauensbasis: Mitarbeitende haben die Wahl, wo, wann und wie sie arbeiten. Ein Beispiel sind HomeOffice-Modelle, für die das Unternehmen den Mitarbeitenden die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellt.
- Motivierende Kultur: Von ganz oben wird der Belegschaft Begeisterung für die tägliche Arbeit und die Zukunftsvisionen vorgelebt.
- Vielfalt unter den Mitarbeitenden: Ciscos Unternehmenssprache ist Englisch, man veranstaltet Programme für Studenten, Mädchen und Frauen.
So läuft es in «Great Place to Work»-Unternehmen
Die Schweizer Firmen Cisco, UMB und Q-Perior sind 2014 von ihren Mitarbeitenden als «Great Place to Work» ausgezeichnet worden. «Swiss IT Magazine» wirft in den kommenden Ausgaben einen Blick hinter die Kulissen des grossen, des mittleren und des kleinen Unternehmens: Was unterscheidet die Firmen von anderen, welche Philosophie leben die Führungskräfte vor, und fühlen sich die Mitarbeitenden tatsächlich einfach nur wohl? Zum Abschluss der Artikelreihe wird Michael Hermann, CEO von Great Place to Work, Tipps geben, wie auch andere Unternehmen zu einem Great Place to Work werden können.
Ausgabe Nr. 4, April 2015:
Cisco, der internationale Konzern
Ausgabe Nr. 5, Mai 2015:
UMB, das mittelständische Unternehmen
Ausgabe Nr. 6, Juni 2015:
Q-Perior, das kleine Unternehmen
Ausgabe Nr. 7/8, Juli 2015:
So wird ein Unternehmen ein Great Place to Work
(aks)