Über 200’000 Beschäftigte gibt es im ICT-Bereich in der Schweiz aktuell. Ganz genau waren es 2013, gemäss einer Untersuchung von Econlab, die im Auftrag von ICT-Berufsbildung Schweiz durchgeführt wurde, 197’600. Damit ist die Zahl im Vergleich zu 2011 um 21’000 Personen angewachsen. Gleichzeitig konnte die Zahl der Ausbildungsplätze für die berufliche Grundausbildung in der ICT von 2009 bis 2013 um 23 Prozent auf 8668 Plätze erhöht werden. Die verschiedenen Initiativen und Massnahmen, die in den vergangenen Jahren gestartet beziehungsweise umgesetzt wurden, scheinen also Früchte zu tragen.
Ist der ICT-Fachkräftemangel somit Schnee von gestern? Leider nicht. Der Bedarf an Fachkräften nimmt nämlich stärker zu als bisher erwartet. In Zahlen ausgedrückt braucht die Schweiz bis 2022 nicht weniger als 87’000 zusätzliche ICT-Fachkräfte. Bis dann soll das Berufsfeld ICT in der Schweiz nämlich voraussichtlich 238’200 Personen einen Arbeitsplatz bieten, rund 21 Prozent mehr als heute.
«Schuld» am zusätzlichen Rekrutierungsbedarf ist gemäss der Prognose von Econlab und ICT-Berufsbildung Schweiz, die im vergangenen Herbst, also noch vor der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank publiziert wurde, die positive, wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Neben dem Wirtschafswachstum spielen weiter auch Pensionierungen und Abwanderungen eine Rolle.
Bis zu 30’000 ICT-Fachkräfte fehlen bis 2022
Unter dem Strich fehlen der Schweiz bis in sieben Jahren 13’800 ICT-Fachkräfte. Ausgehend von den Bildungsszenarien des Bundes ist bis 2022 nämlich mit 33’700 Arbeitsmarkteintritten von Neuabsolventen aus dem Bildungssystem zu rechnen.
Die Zahl von knapp 14’000 ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen, sie gilt nämlich nur, wenn alles so weiter läuft wie bis anhin. Dahinter muss man nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative vom 9. Februar 2014 aber ein grosses Fragezeichen setzen. Noch ist die Umsetzung der Initiative unklar. Je nach Ausgestaltung der Kontingentierung – falls es überhaupt eine gibt – verdoppelt sich der Bildungsbedarf aber. Bei einem Nettokontingent von 40’000 Personen würden gemäss Angaben von Econlab und ICT-Berufsbildung Schweiz hierzulande auf einmal rund 30’000 Fachkräfte fehlen, wobei anzumerken ist, dass diese Zahlen noch vom Umstand profitieren, dass bis zur vom Bundesrat angekündigten Umsetzung am 1. Februar 2017 weiterhin eine überdurchschnittlich hohe Zuwanderung möglich ist.
Software-Entwickler und -Analytiker sind gefragt
Es gilt also weiter neue Ausbildungsplätze zu schaffen, trotz der bislang guten Arbeit, die gemäss ICT-Berufsbildung Schweiz geleistet wurde. Aufgrund der langen Bildungszyklen und der anstehenden Begrenzung der Zuwanderung rechnet man aber nicht damit, dass man den zusätzlichen Bildungsbedarf bis 2022 nur damit erreichen kann. Es müsse auch das bereits vorhandene Fachkräftepotential besser genutzt werden, heisst es. Unternehmen sollen bestehende Mitarbeiter fördern und mittels formalen Abschlüssen weiterqualifizieren. Und Arbeitgeber werden vermutlich in Zukunft noch vermehrt einen grossen Anteil an Quereinsteigern rekrutieren müssen.
Doch was für Berufsgruppen sind überhaupt gefragt? Anscheinend vor allem Software-Entwickler und -Analytiker. Hier wird der Zusatzbedarf mit 11’600 Personen angegeben. Sie sind damit für 39 Prozent des zusätzlichen Bildungsbedarfs verantwortlich. Auch bei den ICT-Führungskräften wird ein hoher Zusatzbedarf von 7500 Personen prognostiziert, genauso wie bei den Infrastrukturtechnikern mit 7200 Personen. Übrige ICT-Beschäftigte braucht es bis 2022 derweil 800, Grafik- und Multimediadesigner 2300 (siehe Grafik). Für letztere Berufsgruppe soll aber kein zusätzlicher Handlungsbedarf bestehen.
Gesucht werden weitere Ideen und Massnahmen
Es braucht also weitere Ideen und Massnahmen im Kampf gegen den Fachkräftemangel – und die gibt es. Eine davon ist das praxisintegrierte Bachelorstudium in Informatik der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS), das «Swiss IT Magazine» ab Seite 40 näher vorstellt und das diesen Herbst startet. Neben diesem neuen Ausbildungsweg, der nicht nur für Studenten, sondern auch für Unternehmen attraktiv sein soll, wird auf den folgenden Seiten ausserdem kurz die Schweizer ICT-Bildungslandschaft skizziert und das umfassende Weiterbildungsangebot im ICT-Bereich präsentiert, das aktuell zur Verfügung steht (ab Seite 38). Zudem gibt es Informationen für zukünftige Lehrbetriebe und eine kleine Übersicht mit Anbietern von Kursen für Ausbildende (Seite 43). Und schliesslich berichtet der Schweizer IT-Dienstleister Studcom, der letztjährige Gewinner des ICT Education and Training Award in der Kategorie KMU, was er in Sachen ICT-Aus- und Weiterbildung alles macht und mit welchen Schwierigkeiten er dabei konfrontiert ist (ab Seite 44).
(mv)