Hauptsache, jung – Technologie-Unternehmen waren lange Zeit dafür bekannt, neue Mitarbeitende fast nur direkt von der Hochschule einzustellen. Erfahrene Bewerber hatten bei der Jobsuche hingegen oft nur geringe Chancen. Doch das Bild ist überholt. Mittlerweile haben viele Unternehmen die Vorzüge dieser Arbeitnehmer erkannt.
Fachkräfte für alle Sektoren
Deutlich zeigt sich der Wandel in Branchen, in denen Fachkräftemangel herrscht – wie etwa in der Schweizer IT-Szene. Die kürzlich vom Bundesamt für Statistik (BfS) herausgegebenen Zahlen zum Arbeitsmarkt im ersten Quartal 2014 zeigen: IT-Fachkräfte sind in der Schweiz besonders gefragt. Beim Anteil der offenen Stellen im Verhältnis zur Arbeitsnachfrage, die besetzte und vakante Stellen zusammenfasst, liegt die IT-Branche mit 3,4 Prozent an der Spitze. Die Quote für die gesamte Schweizer Wirtschaft beträgt lediglich 1,3 Prozent. Der aktuelle «Adecco Swiss Job Market Index» der Universität Zürich offenbart im Bereich Technik und Informatik im Vergleich zum Vorjahr sogar eine Zunahme der Stellenangebote um 23 Prozent.
Das Interesse an IT-Fachkräften wächst dabei in allen Wirtschaftssektoren. Ein Grund für die verstärkte Nachfrage ist die zunehmende Digitalisierung im Industrie- und Dienstleistungsbereich. Hier spielen IT-Beratungen eine entscheidende Rolle, die ihre Kunden im Umgang mit der steigenden Technologie-Intensität unterstützen. Dabei gibt es zwei wesentliche Entwicklungen, welche als Treiber für die hohe Nachfrage nach IT-Beratern angesehen werden können. Zum einen wird ein Grossteil an Geschäftsprozessen mittlerweile digital verarbeitet, und zum anderen verändern bestimmte IT-Trends die Geschäftswelt, wie beispielsweise Mobile, Analytics und Cloud.
Die neue Offenheit von IT-Unternehmen für erfahrenere Mitarbeitende ist aber auch eine Auswirkung des demographischen Wandels, der den herrschenden Fachkräftemangel noch verstärkt. Im Verhältnis zum steigenden Fachkräftebedarf kommen derzeit zu wenig Kandidaten von den Hochschulen. Langsam führt dies zu einer neuen Personalpolitik – mehr Arbeitgeber suchen nun gezielt nach Bewerbern mit Berufserfahrung.
Weiterbildungen gehören dazu
Doch diese Entwicklung ist nicht nur eine Folge des demographischen Wandels – Erfahrung gilt als zunehmend wichtigeres Einstellungskriterium. Sie ist eine der Schlüsselqualifikationen der Stunde. Attribute wie «jung» und «dynamisch» sind auf dem Schweizer IT-Arbeitsmarkt nach wie vor gesucht. Zusätzlich gewinnen aber erfahrene IT-Experten an Bedeutung. Denn Kunden verlangen inzwischen vermehrt IT-Fachkräfte, die komplexe IT-Projekte bereits mehrfach realisiert haben. Zudem setzen einige offene Stellen in IT-Beratungen eine gewisse Seniorität voraus. So stehen IT-Projektleiter oftmals erfahrenen Managern aufseiten des Kunden gegenüber.
Darüber hinaus gibt es insbesondere im Arbeitsfeld von Software-Entwicklern und IT-Beratern verhältnismässig viele nicht standardisierte Aufgaben, bei denen Erfahrung einen erheblichen Vorteil bietet. Die Entwicklung einer Projektkonzeption sowie das Durchdenken von Prozessen fallen Mitarbeitenden, welche die operativen Prozesse bereits kennen, meist deutlich leichter.
Dafür wird von den berufserfahrenen Mitarbeitenden generell erwartet, dass sie sich offen zeigen und eine hohe Flexibilität mitbringen – Anforderungen, die für das Beratungsgeschäft ohnehin notwendig sind. Entscheidend ist, ob ein Arbeitnehmer berufliche Ziele hat und sich weiterentwickeln möchte, und das ist keine Frage des Alters. Das Wichtigste für einen erfahrenen IT-Berater ist folglich neben seinem Netzwerk und einer Spezialisierung in seinem Bereich, sich stetig weiterzubilden, da sich neue Technologien heutzutage deutlich schneller entwickeln als früher noch. Denn die tägliche Arbeit einer IT-Beratung sind technologische Entwicklungen, auf die sich die Mitarbeitenden stets neu einstellen müssen. Häufig sind es dabei gerade die Berufserfahrenen, die gelernt haben, sich den immer neuen Anforderungen zu
stellen.
Michel Ott ist Managing Director und Recruiting Coordinator Accenture Schweiz.
