Wie wäre es wohl, wären wir alle ins Zeitalter der Neandertaler geboren worden? Für die meisten von uns ein unvorstellbares Szenario – und doch gar nicht so abwegig für jemanden, der das Glück (oder eben das Pech) hatte, Zeuge einer IBM-Podiumsdiskussion zum Thema Cognitive Computing zu werden. Dabei philosophierten Gelehrte der Universität Zürich gemeinsam mit Forschern von IBM über die Zukunft der menschlichen Gattung. Müssen sich die Arbeitnehmer von heute davor fürchten, bald durch Systeme mit künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden? Gut möglich.
Bereits heute scheint es theoretisch möglich, von seinem Rechner besser zu einem technischen Problem beraten zu werden als von einem Callcenter-Mitarbeiter der betreffenden Unternehmung. Anders als beim Callcenter-Agenten muss man einem kognitiv arbeitenden System wie IBMs Watson nämlich keine lästigen Fragen zum Modell des fehlerhaften Produktes oder zu seiner Person machen. Denn bei Watson werden sämtliche relevanten Daten auf dem Rechner hinterlegt und in Bruchteilen von Sekunden bereitgestellt sowie auf Basis der darauffolgenden Analyse entsprechende Lösungsvorschläge erarbeitet.
Und die Profession des Callcenter-Angestellten ist längst nicht das einzige Berufsfeld, das sich durch kognitive Systeme bedroht sehen sollte. Natürlich lässt sich argumentieren, dass immer Menschen benötigt werden, welche die Systeme mit den notwendigen Informationen speisen und aufgrund der Analysen Entscheidungen fällen – doch wie viele von uns werden dadurch wohl im Arbeitsleben verbleiben?
Nach Meinung von Abraham Bernstein, Professor an der Universität Zürich, eröffnen sich für die Arbeitswelt somit zwei plausible Wege: Entweder es entstehen neue Berufsfelder oder wir Menschen haben künftig um einiges mehr Freizeit. Letzteres müsse ja nicht unbedingt schlecht sein, müsse man sich doch keine Gedanken mehr ums Geld machen. Doch genau hier tut sich – zumindest für mich – ein weiterer Abgrund auf: Wenn wir nicht mehr mit Geld bezahlen, welche Währung bleibt uns dann noch? Gegen Arbeit können wir nichts mehr eintauschen, da ja jetzt die Maschine alle Tätigkeiten für einen übernimmt. Und Waren wie Elektronikprodukte oder Kleidung sind beschränkte Güter, deren Kaufwert laufend sinkt.
Spinnt man diesen Gedanken weiter, so landet man doch unweigerlich wieder bei der anfangs gestellten Frage: Bewegen wir uns wieder zurück in die Steinzeit? Bleibt uns nichts anderes übrig, als wieder zum Selbstversorger, sprich zu Jägern und Sammlern, zu mutieren? Ist es tatsächlich möglich, dass wir uns gerade durch die von uns so wertgeschätzte Innovation in der Evolution wieder rückwärts bewegen?
Um eine fundierte Antwort auf all diese Fragen zu erhalten, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die Entwicklung im Bereich des Cognitive Computing weiter zu verfolgen. Allerdings kann man diese Entwicklung auch pragmatisch betrachten. Zu unserem Glück ist die Technologie in der Praxis noch nicht ganz so weit wie in der Theorie. Oder um es in anderen Worten auszudrücken: Rational betrachtet ist die Diskussion wohl eher unbegründet – handelt es sich in diesem Fall doch eher um ein Thema, das uns nicht mehr betreffen wird. Es wird an unseren Nachfahren sein, sich mit einer Lösung für dieses Problem zu beschäftigen.
(af)