Manager stehen heute fast täglich vor der Herausforderung, Veränderungsprozesse zu planen und zu steuern. Deshalb sollten sie in Sachen Change Management fit sein. Dabei gilt es einige Tipps zu beachten, wenn man vor ei-ner solchen Aufgabe steht.
1. Nicht jede Veränderung ist ein Change-Prozess. Der Begriff Change ist ein Modebegriff. Entsprechend inflationär wird er gebraucht. Ganz gleich, ob Unternehmen ihre Fassade streichen oder fusionieren, fast jede Veränderung wird heute als Change tituliert. Dies verursacht Verwirrung – und entwertet die Arbeit der Männer und Frauen, die echte Change-Prozesse managen müssen.
Tipp: Als Change-Prozess sollten nur Veränderungsvorhaben im Unternehmen bezeichnet werden, die auch einen kulturellen Wandel in der Organisation erfordern – also bei denen die Mitarbeiter gewohnte Denk- und Verhaltensweisen über Bord werfen und neue entwickeln müssen.
2. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Fast allen Menschen fällt es schwer, Denk- und Verhaltensgewohnheiten, also sogenannte Routinen, aufzugeben, denn diese vermitteln ihnen Sicherheit. Ausserdem sind sie oft Ausdruck ihrer Identität. Entsprechend langwierig sind zumeist Prozesse, bei denen ganze Mitarbeitergruppen ihr Verhalten ändern müssen. Von heute auf morgen geht das nicht.
Tipp: Dies gilt es beim Planen von Change-Projekten zu berücksichtigen, sonst definiert man unrealistische Ziele und Frust ist vorprogrammiert.
3. Struktur und Kultur beeinflussen sich. Auch wenn nicht jede Veränderung ein Change-Prozess ist, so finden in Unternehmen doch mehr Change-Prozesse statt als dies insbesondere deren Techniker häufig vermuten. Diese denken oft «Wir führen doch nur ein neues IT- und CRM-System ein» und übersehen dabei, dass sich hierdurch auch die Arbeitsinhalte und -beziehungen der Mitarbeiter verändern. Entsprechend überrascht sind sie, wenn die Mitarbeiter plötzlich mit – auch verdecktem – Widerstand reagieren.
Tipp: Wenn grössere Veränderungen anstehen, muss man deren Auswirkungen für die Mitarbeiter analysieren. Sonst ist die Gefahr gross, dass unverhofft ein Orkan über einen hinwegfegt, der das gesamte Projekt lahm legt.
4. Was beschlossen ist, ist noch nicht umgesetzt. Viele Unternehmensführer agieren bei Change-Projekten wie folgt: Sie treffen die erforderlichen Basisentscheidungen. Dann rufen sie eine Projektgruppe ins Leben, die ihre Beschlüsse realisieren soll, und anschliessend wenden sie sich neuen Aufgaben zu. Wenn man so vorgeht, ist das Projekt von vornherein gescheitert, denn Mitarbeiter orientieren ihr Verhalten an dem der oberen Führungskräfte. Nur wenn von ihnen immer wieder das Signal ausgeht, dass die Veränderung nötig ist und an ihr kein Weg vorbeiführt, lässt sich in Unternehmen die nötige Veränderungsenergie erzeugen.
Tipp: Deshalb gilt es, Präsenz zu markieren und immer wieder für die Veränderung zu werben – selbst wenn man die Verantwortung für das Umsetzen einer Projektgruppe überträgt.
5. Bei jeder Veränderung gibt es auch Verlierer. Unternehmen neigen dazu, alles in ein rosarotes Licht zu tauchen – auch Veränderungsvorhaben. Sie werden den Mitarbeitern meist so präsentiert, als gäbe es bei ihnen nur Gewinner. Doch Mitarbeiter sind nicht dumm. Sie wissen, dass dies so gut wie nie der Fall ist. Zumindest gibt es bei jedem Change-Projekt Mitarbeiter, die sich als Verlierer empfinden – zum Beispiel, weil sie Einfluss oder Privilegien verlieren. Oder weil sie neue Aufgaben wahrnehmen müssen.
Tipp: Man sollte daher mit den betroffenen Mitarbeitern offen und ehrlich darüber sprechen, was sich für sie ändern wird, und ihnen Raum geben, ihre Bedenken zu artikulieren, sonst verdichten sich diese zu massiven Widerständen.
6. «Lonely Heroes» stehen auf verlorenem Posten. Auch die Führungskräfte im Unternehmen sind nur Menschen und letztlich normale Arbeitnehmer. Deshalb sollte man es als Top-Manager oder als Projekt-Verantwortlicher nicht als selbstverständlich erachten, dass alle Führungskräfte die gewünschten Veränderungen mittragen. Zugleich ist man auf deren Unterstützung angewiesen, wenn es darum geht, die Veränderungen in ihren Bereichen umzusetzen.
Tipp: Bevor man ein Change-Projekt verkündet, sollte man daher versuchen, möglichst viele Führungskräfte als Mitstreiter zu gewinnen, zum Beispiel, indem man sie – und sei es nur formal – in die Entscheidungen einbindet oder sie in persönlichen Gesprächen ausführlich über die Gründe für die Entscheidungen und deren voraussichtlichen Konsequenzen informiert.
7. Projekt-Manager brauchen Rückgrat und Erfahrung. Unternehmen übertragen die Verantwortung für Change-Projekte oft jungen Führungskräften, als Chance, sich zu bewähren. Als Folge davon werden die Projekte oft von Personen gemanagt, die die Auswirkungen gewisser Entscheidungen und Handlungen auf die Organisation nur bedingt einschätzen können, und von Personen, die noch ein recht schwaches Standing in der Organisation haben. Entsprechend schwer fällt es ihnen, von den Bereichsfürsten die nötige Unterstützung zu erlangen – vor allem, wenn diese den ehrgeizigen Nachwuchs als Konkurrenz erfahren.
Tipp: Die Verantwortung für strategische (Change-)Projekte sollte man gestandenen Führungskräften oder erfahrenen Projekt-Managern übertragen. Man kann aber auch dem Youngster zumindest eine entsprechende Person als Mentor oder Coach zur Seite stellen, mit der er nicht nur seine strategische, sondern auch die taktische Marschroute erörtern kann.
8. Nach dem Aufbruch folgt der Marsch durch die Wüste. Oft starten Unternehmen ein Projekt voller Euphorie. Doch nach einiger Zeit beginnt das Jammern und Klagen darüber, dass alles nichts bringt oder sich sowieso nichts ändert. Das ist normal, weil sich kulturelle Veränderungen nur in kleinen Schritten vollziehen und sich neue Verhaltensmuster erst mit der Zeit einschleifen.
Tipp: Man sollte damit rechnen, dass es Probleme beim Umsetzen gibt. Gerade beim anstrengenden Marsch durch die Wüste sollte man stark für die Veränderung werben, sonst erlahmt die Veränderungsenergie und die Mitarbeiter fallen in ihre alten Verhaltensmuster zurück.
9. Neue Routinen zu entwickeln, dauert seine Zeit. Oft erlahmt die (Veränderungs-)Energie auch, weil die Mitarbeiter beim Ausprobieren der neuen Verfahren registrieren, dass es so, wie sie es früher gemacht haben, schneller oder einfacher ging. Auch das ist normal, denn sie haben noch keine neuen Denk- und Verhaltensroutinen entwickelt. Hinzu kommt: Bei jedem grösseren Veränderungsprojekt ist in einer Übergangszeit zunächst einmal Sand im Getriebe der Organisation, weshalb oft auch die Leistung vorübergehend sinkt.
Tipp: Gerade in dieser Übergangsphase ist es wichtig, dass die Führungskräfte ihre Mitarbeiter führen. Zudem kann man den Mitarbeitern Unterstützer zur Seite stellen, die diese unter anderem motivieren.
10. Zum Feiern gibt es fast immer einen Grund. Gerade weil der Weg zum grossen Ziel bei Change-Projekten oft so weit ist, dass die Beteiligten zuweilen das Gefühl haben, nie ans Ziel zu kommen, ist es wichtig, dass man Etappenziele formuliert und deren Erreichen feiert. Das macht den Beteiligten Mut.
Tipp: Als Chef gilt es daher, wenn es etwas zu feiern gibt, auch mal die Spendierhosen anzuziehen und zum Beispiel einen Umtrunk oder Ausflug zu organisieren. Denn nichts motiviert Mitarbeiter mehr, als wenn sie sehen, dass ihre Leistung wahrgenommen und honoriert wird.
11. Aus der Erfahrung für die Zukunft lernen. Wenn ein Projekt endlich abgeschlossen ist, fällt den Beteiligten beziehungsweise Verantwortlichen meist ein Stein vom Herzen. Das führt dazu, dass das Projekt in der Regel nicht sauber evaluiert wird – auch weil häufig bereits das nächste Projekt ansteht.
Tipp: Man sollte nach Projekten aber detailliert evaluieren was gut und was weniger gut lief oder was man künftig besser machen könnte, denn nur dann lernt die Organisation.
12. Change ist heute der Normalzustand. Man darf sich nichts vormachen: Das Umfeld des Unternehmens wird sich künftig immer schneller wandeln. Also wird man immer häufiger die Weichen neu stellen und tradierte Vorgehensweisen überdenken müssen. Zudem werden Change-Vorhaben aufgrund der immer vernetzteren Strukturen stets komplexer werden.
Tipp: Man muss dies sich selbst und den Mitarbeitern bewusst machen und im Unternehmen die Change-Management-Kompetenz gezielt ausbauen – zum Beispiel indem man Führungskräfte oder hierfür geeignete Mitarbeiter zu Change-Managern, -Beratern und -Unterstützern ausbildet. Dann ist die Organisation fit für die Zukunft und es müssen seltener externe (Change-)Berater als Unterstützer engagiert werden.
Der Autor
Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die fast 50 Trainer, Berater und Coaches arbeiten. Er ist Autor des Change Management Handbuch (Cornelsen Verlag, 2004) sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher.
www.kraus-und-partner.de
(Quelle: Kraus & Partner)