Swiss IT Magazine: Was macht eine mobile App in Ihren Augen zu einer guten mobilen App?
Andrew Vilcsak: Gute Frage. Wir verbringen Stunden damit, zu überlegen, wie wir die bestmögliche mobile Applikation bauen können. Und wir tun das unabhängig für jede Plattform – sprich für iOS und für Android. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Für eine einzelne Bildschirmdarstellung auf einem iPhone kreieren wir ungefähr 15 verschiedene Screen-Designs, implementieren rund die Hälfte davon in die eigentliche App und machen für drei oder vier der Designs Tests mit Usern. Erst dann entscheiden wir uns für den jeweiligen Screen. Unsere App besteht aus rund 60 Screens, Sie können sich ausrechnen, was das bedeutet. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Um eine gute mobile App zu bauen, braucht es einen sehr aufwendigen, gründlichen Design-Prozess.
Die Airbnb-App besteht aus 60 solcher Screens, wobei Android- und iOS-Version separat entwickelt werden und in gewissen Teilen auch recht unterschiedlich ausschauen. Die iOS-Ausführung der Airbnb-App wurde von Apple 2012 zur besten App des Jahres gekürt. (Quelle: Airbnb)
Die Airbnb-App besteht aus 60 solcher Screens, wobei Android- und iOS-Version separat entwickelt werden und in gewissen Teilen auch recht unterschiedlich ausschauen. Die iOS-Ausführung der Airbnb-App wurde von Apple 2012 zur besten App des Jahres gekürt. (Quelle: Airbnb)
Die Airbnb-App besteht aus 60 solcher Screens, wobei Android- und iOS-Version separat entwickelt werden und in gewissen Teilen auch recht unterschiedlich ausschauen. Die iOS-Ausführung der Airbnb-App wurde von Apple 2012 zur besten App des Jahres gekürt. (Quelle: Airbnb)
Die Airbnb-App besteht aus 60 solcher Screens, wobei Android- und iOS-Version separat entwickelt werden und in gewissen Teilen auch recht unterschiedlich ausschauen. Die iOS-Ausführung der Airbnb-App wurde von Apple 2012 zur besten App des Jahres gekürt. (Quelle: Airbnb)
Sie sagen, dass Sie für iOS und für Android völlig unabhängig entwickeln. War Cross-Plattform-Entwicklung nie ein Thema für Sie?Wir haben diese Option geprüft. Cross-Plattform-Werkzeuge sind optimal, um eine App zu 80 Prozent oder 90 Prozent perfekt zu entwickeln. Wir wollten aber auch diese letzten 10 Prozent ausschöpfen, um die bestmögliche App zu bauen. Und dazu muss man für jede Plattform separat entwickeln. Doch man kann mit Cross-Plattform-Werkzeugen bereits sehr gute Apps bauen.
Für jemanden mit limitierten Ressourcen ist die Cross-Plattform-Entwicklung also eine prüfenswerte Option?Absolut. Wenn die Ressourcen limitiert sind oder man lediglich ein Proof of Concept entwickeln will, sind solche Plattformen grossartig.
Gibt es in der Art und Weise, wie ein Android- und ein iOS-Nutzer seine App will, grundlegende Unterschiede?Ja, die gibt es. Ein iPhone-Nutzer beispielsweise ist an Icons am unteren Bildschirmrand (die sogenannte Tab Bar, Anm.d.R.) gewöhnt, die es ihm erlauben, zwischen verschiedenen Screens innerhalb der App zu wechseln. Android hat dazu kein Gegenstück, und Android-Nutzer mögen keine Tab Bars. Sie bevorzugen für die Navigation ein fundamentales Konzept auf dem untersten Level der App. Die Funktionalität der App – also das übergeordnete Ziel, beziehungsweise das, was die User mit der App machen können – ist bei Android und iOS sehr ähnlich. Nur die Mittel, mit denen wir dieses Ziel erreichen, sind unterschiedlich.
Auf mich wirkt die App sehr simpel – fast etwas zu simpel. War das Ihre Absicht?Es ist schon so – auf den ersten Blick hat man den Eindruck, die App bestehe lediglich aus acht bis zehn verschiedenen Screens. Doch wie erwähnt sind es in Tat und Wahrheit 60 verschiedene Screens, durch die der User navigiert und über die er seine Reservationen verwalten kann. Die App als solches ist also alles andere als simpel, aber wir haben versucht, sie auf der Oberfläche so einfach wie möglich zu halten, um die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen.
Die Airbnb-App wurde 2012 von Apple zur besten App des Jahres gekürt. Was hat in Ihren Augen den Ausschlag gegeben?Ich glaube, dass mehrere Gründe entscheidend waren – nicht zuletzt auch der Service von Airbnb als solcher, der von vielen Apple-Mitarbeitern aktiv genutzt wird. Ich glaube aber auch, dass unsere Design-Philosophie überzeugt hat. Diese Philosophie lautet: Respektiere die Regeln, die Apple definiert hat, erlaube dir aber auch, diese Regeln ein wenig zu dehnen. Was heisst das? Apple gibt Design-Paradigmen und Guidelines vor, wie Apps idealerweise auszusehen haben. Wir versuchen dann auf dieser Basis, diese Vorgaben auf die nächsthöhere Stufe zu bringen, um so etwas Besonderes zu kreieren. Ich glaube, Apple schätzt dieses Vorgehen, und auch die Tatsache, wie akribisch wir bei der Entwicklung vorgehen.
Aktuell findet man noch keine Airbnb-App für Windows Phone. Gibt es Pläne, das zu ändern?In erster Linie ist das eine Frage von Ressourcen. Der Windows-Phone-Markt ist aktuell noch ziemlich klein. Aber letztlich wollen wir dort präsent sein, wo unsere User präsent sind, und jeder Airbnb-User soll den Dienst auf dem Endgerät seiner Wahl nutzen können. Wenn Windows Phone also in Zukunft wächst, müssen wir sicher aktiv werden.
Wie viele Leute sind eigentlich in die Entwicklung der Airbnb-App involviert?
Wir sind ein Team von sechs Leuten. Drei Entwickler kümmern sich um die iOS-App, zwei um die Android-Version und einer um das Back-end. Wir entwickeln die Apps zu 100 Prozent inhouse.
Was für ein Skill- und Mindset sollte ein App-Entwickler mitbringen? Was unterscheidet einen App-Entwickler zum Beispiel von einem Web-Entwickler?
Im Web hat man grundsätzlich viel Platz und Spielraum. Man kann auch mal etwas ausprobieren, und der Nutzer ist toleranter. Als App-Entwickler hat man aufgrund der kleineren Bildschirme deutlich weniger Platz, man muss unglaublich präzise sein. Eine iPhone- oder Android-App zu bauen, setzt sorgfältiges Arbeiten voraus, und der Aufwand, um nur schon einen einzelnen Screen zu bauen, ist deutlich höher als im Web.
Denken Sie, dass Web-Apps basierend auf HTML5 die nativen Mobile-Apps dereinst ersetzen könnten?
Für uns liegt die Zukunft in den nativen Apps. Ich erkläre Ihnen, weshalb: Ein Punkt, der für uns absolut matchentscheidend ist, ist die Möglichkeit, Push-Nachrichten zu verschicken. Wenn ein Airbnb-Nutzer beispielsweise kein Smartphone hat, senden wir ihm Textnachrichten, um ihn über eine Buchung zu informieren. Textnachrichten aber sind langsam, schwierig zu übermitteln und teuer. Mit Push-Nachrichten via App hingegen können wir all unsere iOS- und Android-Nutzer einfach, schnell, zuverlässig und günstig erreichen. Wir haben festgestellt, dass ein Nutzer, der Push-Nachrichten erhält, drei Mal schneller antwortet. Und die Antwortzeit ist ein wichtiges Kriterium in unserem User-Bewertungssystem. Wenn ein Gastgeber und ein Gast Push-Nachrichten nutzen, kommt eine Buchung sogar acht Mal schneller zu Stande als wenn Nachrichten traditionell via SMS oder E-Mail versendet werden. Im Hinblick auf Last-Minute-Buchungen und darauf, Transaktionen für alle Beteiligten möglichst schnell abzuwickeln, ist es entscheidend, dass sowohl Gäste wie auch Gastgeber unsere Apps nutzen.
Und mit HTML5 und einer herkömmlichen Website könnte man diese Push-Funktion-alität nicht umsetzen?
Nein, denn es gibt keine Möglichkeit, Push-Nachrichten zu senden. Man hat lediglich die Optionen, E-Mails oder SMS zu senden – beides keine befriedigenden Möglichkeiten in unseren Augen.
Die iOS-App von Airbnb wurde im Apple Store annähernd zwei Millionen Mal heruntergeladen. Welche Tipps, um mit einer App erfolgreich zu sein, können Sie Unternehmen geben?
Ein ganz wichtiger Punkt, den man von Beginn weg beachten muss, ist der, dass man eine App nur dann veröffentlichen sollte, wenn diese wirklich fertig ist. Bei einer Website sind die Nutzer viel toleranter. Eine Website darf auch mal abstürzen oder nicht laden, die Nutzer kommen trotzdem zurück. Bei einer App hingegen hat man genau eine Chance, den Nutzer für sich zu gewinnen. Deshalb ist es entscheidend, dass eine App absolut stabil ist und funktional überzeugt. Das schlimmste, was einer App passieren kann, ist, dass die User sie herunterladen, ausprobieren und dann nie mehr zurückkommen.
Doch wie sorgt man dafür, dass die Nutzer die App immer wieder verwenden?
Wie gesagt, Zuverlässigkeit ist entscheidend. Hinzu kommt, dass die User Experience stimmen muss. Dazu ist es wichtig, dass man als Entwickler versucht, sich in den Kopf des Nutzers zu versetzen. Wichtig ist auch, dass man Zeit ins User-Testing investiert und dass man mit seinen Nutzern spricht. Wir bei Airbnb sind der Auffassung, dass wir unsere User ziemlich gut kennen. Doch wenn man so viel Zeit damit verbringt, an etwas zu arbeiten, kann es trotzdem rasch passieren, dass die Nutzer-Perspektive verloren geht. Damit das nicht passiert, be-obachten wir immer wieder, wie User mit unserer App umgehen.
Und mit wie vielen Usern führen Sie Tests durch? Mit einer Handvoll? Oder ein paar Hundert?
Man muss nicht mit Hunderten von Usern testen. Wenn wir zum Beispiel ein neues Feature in der App einführen, testen wir dieses Feature vielleicht mit einem Dutzend Gäste und einem Dutzend Gastgeber. Man sieht ziemlich schnell, ob die User sich mit einem Feature wohlfühlen, es verstehen und bedienen können.
Eine der heissesten Firmen im Web
Andrew Vilcsak ist als Mobile Platform Lead für die Entwicklung der iOS- und Android-App bei Airbnb verantwortlich. Airbnb (der Name setzt sich aus Airbed und Breakfast zusammen) vermittelt als Marktplatz Wohnungen und Zimmer von Privaten an Private. Allein 2012 haben via Airbnb drei Millionen Menschen eine Unterkunft gebucht, aktuell stehen 300’000 Unterkünfte in praktisch jedem Land der Erde zur Auswahl. Auch in der Schweiz wird Airbnb bereits rege genutzt. Im letzten Jahr schliefen jede Nacht im Schnitt 900 Schweizer in einem Airbnb-Bett. Das Unternehmen gilt aktuell als eine der
heissesten Firmen im Internet, mit einem geschätzten Wert jenseits von 2 Milliarden Dollar. Die Airbnb App wurde im Apple App Store auf Platz 1 der besten Apps 2012 gewählt und bis heute annähernd 2 Millionen Mal sowie über 33’000 Mal in der Schweiz heruntergeladen. Gut ein Drittel der Airbnb-Buchungen werden aktuell über ein Smartphone abgewickelt.
(mw)
Andrew Vilcsak (Quelle: Airbnb)