Swiss IT Magazine: Herr Wettstein, die BKW beschäftigt aktuell rund 2800 Mitarbeitende. Wie viele davon kümmern sich um die IT?
Thomas Wettstein: Wir sind in der zentralen Informatik aktuell etwa 150 Kolleginnen und Kollegen und haben jedes Jahr drei Lernende, die wir zu Informatikern ausbilden. Dieses Team stellt die zentrale Leistungserbringung sicher. Auf der anderen Seite haben wir eine dezentrale IT für spezifische Bereiche, wie beispielsweise den Handel. Eine Handelsapplikation mit allen Spezialitäten zentral zu erbringen ist nicht so effizient, man muss dazu eine gewisse Marktnähe haben. Wir arbeiten aber sehr eng mit diesen Stellen zusammen. Während sie für die Fachinformationen und Prozesse zuständig sind, sorgen wir für die Zulieferung der ganzen Infrastrukturen sowie für die Integration in die anderen Systeme. Das funktioniert gut.
Wie ist die zentrale IT organisatorisch aufgebaut?
Ganz klassisch mit einem Service Desk als Ansprechstelle für unsere Anwenderinnen und Anwender, einem Bereich, der Applikationen baut, integriert und betreibt, einem Bereich, der die ganzen Infrastrukturen bereitstellt und unterhält, und einem Bereich mit Querschnittfunktionen, in denen beispielsweise das Controlling, Architektur, Strategie oder Sicherheit zusammengefasst sind. Wir haben ausserdem eine Beratungstruppe mit Business Engineers und Projekt-Managern, die unseren Geschäftsbereichen zur Verfügung stehen, um Prozesse zu analysieren oder geeignete IT-Lösungen zu finden. Das ist sehr wichtig, denn viele IT-Projekte liefern zwar ein gutes IT-Produkt, aber am Ende trifft es nicht das, was der Kunde wollte, oder die Anforderungen haben sich in der Zwischenzeit verändert.
Was hat sich in der Zeit, seit der Sie bei der BKW sind, verändert?Eine ganze Menge. Als ich hier angefangen habe, hatten wir – etwas plakativ ausgedrückt – auf der einen Seite noch eine klassische Informatik, die kaufmännische Funktionen unterstützt hat. Auf der anderen Seite gab es die prozess- und leittechnische Informatik, die die Regelung und Steuerung unserer Kraftwerke sowie unserer Stromnetze verantwortet hat. Das waren proprietäre Welten mit Technologien, die sich stark unterschieden haben und die auch organisatorisch getrennt waren. Seitdem wurde einiges konvergiert und automatisiert. Wir können unsere Systeme heute dadurch zentraler führen und effizienter und schneller reagieren, zum Teil auch mit weniger Personal.
Arbeiten Sie auch mit externen Partnern zusammen?
Ja klar, heute lässt sich nicht mehr alles selbst machen. Das wäre auch nicht sinnvoll. Es gibt für uns dabei zwei Sichtweisen: In der Applikationsbereitstellung und anderen Themen verfolgen wir eine, wie ich sie gerne nenne, Buy-Before-Let-Make-Before-Make-Strategie. Das heisst: Lösungen, die wir kaufen können, die kaufen wir, bevor wir sie selber machen oder machen lassen. Insbesondere dort, wo Dinge Einmalcharakter haben oder nicht so spezifisch sind, müssen wir keine Lernkurve durchschreiten. Hier gibt es Anbieter, die mehr Erfahrung als wir haben. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was nicht eingekauft werden kann. Das sind beispielsweise die Integration oder das Wissen zum Business. Wenn wir von Infrastrukturthemen sprechen, dann sind es sehr streng wirtschaftliche Kriterien, die entscheiden, ob wir etwas selbst machen oder es extern geben. Meine Erfahrung ist, dass dort, wo etwas gut standardisiert ist, von Skaleneffekten profitiert werden kann. Da kaufen wir dann am Markt ein. Das sind ganz unterschiedliche Sachen, wie beispielsweise das ganze Dokumenten-Scanning oder die Druckerwartung und -installation.
Sie sprechen von standardisierten Lösungen und Outsourcing. Welche Rolle spielt dabei Cloud Computing?
Ich bin davon überzeugt, dass die Cloud Potential hat und immer mehr Potential haben wird. Wir beziehen heute bereits ganze Applikationen, die vertikal in sich geschlossenen und nicht so stark ins Umfeld integriert sind – zum Beispiel im HR-Bereich –, auf diesem Weg. Dabei gibt es neue Herausforderungen, denn es ist etwas anderes, ob etwas in der Cloud ist, oder ob man einfach einen Dienstleistungs- oder Servicevertrag mit einem Partner abschliesst. Die Integrationsthemen sind effizient zu lösen, beispielsweise das Nutzer- und Berechtigungs-Management. Wenn dies jedes Mal neu gemacht werden muss, dann macht man sich den Vorteil der Cloud kaputt.
Was ist mit rechtlichen Aspekten und dem Datenschutz?
Natürlich, es gibt im Zusammenhang mit der Cloud auch rechtliche Aspekte, die Verfügbarkeit über die Daten ist nicht mehr per se gegeben. Es muss sichergestellt werden, dass man jederzeit Zugriff auf seine Daten hat und geklärt werden, was ist, wenn man irgendwann vielleicht nicht mehr zufrieden mit seinem Anbieter ist und wechseln will. Die Lösung muss natürlich auch auditiert werden, bevor sie eingeführt wird. Und es muss sichergestellt sein, dass die Sicherheitsvorgaben, die intern definiert wurden, auch extern beim Partner eingehalten werden. Es ist so, dass sich die Anbieter von Cloud-Lösungen, gerade im HR-Bereich, dessen sehr bewusst sind, internationale Standards bereits erfüllen oder diese Themen zunehmend in den Griff bekommen. Trotzdem sind wir nicht die, die gerade gross nach Übersee in eine Cloud gehen. Wir nutzen gewisse Services, die man in der Schweiz oder etwas weiter beziehen kann, und hatten damit bisher keine Probleme. Insgesamt bietet uns die Cloud einige Vorteile, man kann viele schöne Sachen machen, aber auch die eigene Organisation entlasten.
Soweit zur Cloud. Wie sieht die aktuelle Client-Landschaft der BKW aus?
Wir haben momentan etwa 2500 klassische PC-Arbeitsplätze, die wir betreuen. Wir fahren hier einen Ansatz «ergänzendes BYOD». Das heisst, wir stellen heute noch jedem Mitarbeitenden einen Thin Client samt Bildschirm und Tastatur zur Verfügung. Er kann jedoch ergänzend ein beliebiges Endgerät mitbringen und in unser Netzwerk einbinden. Eine NAC-Lösung sorgt dafür, dass sicherheitsmässig alles im grünen Bereich bleibt.
Warum setzen Sie nicht voll auf BYOD?
Das hat mehr einen organisatorischen als einen technischen Hintergrund. Stellen Sie sich vor, dass einem Mitarbeiter übers Wochenende daheim sein Notebook herunterfällt und es nicht mehr funktioniert. Er kommt am Montag ins Büro und dann müssen wir ihm ein Ersatzgerät organisieren und zur Verfügung stellen, damit er arbeiten kann. Wir haben solche Szenarien durchgerechnet und dabei festgestellt, dass der Produktivitätsverlust für den Mitarbeiter und der Mehraufwand für uns, der durch solche Ad-hoc-Fälle entsteht, momentan noch höher sind als die Kosten für einen Thin Client, also einen fixen Arbeitsplatz für jedermann. Das ist heute für uns so, vielleicht ist das in ein paar Jahren anders. Aber aktuell gehen wir diesen Zwischenschritt, der übrigens bei vielen Anwendern Anklang findet.
Wie sind Ihre Thin Clients ausgestattet?
Unsere Clients kommen mit Windows 7 und werden entweder im Rahmen eines PDI- oder VDI-Konzepts als Thin Client oder bei mobilen oder speziellen Anforderungen als Fat Client genutzt und von uns je nach Anwendungsbereich und nach Wunsch des Anwenders provisioniert. Im Sinne von Green IT und grauer Energie nutzen wir, soweit möglich, auch ältere Geräte als Thin-PCs weiter. Sie vorzeitig zu ersetzen, macht keinen Sinn. Das hat einen kleinen Nachteil: Wir haben heute mehrere Hardware-Generationen nebeneinander zu betreuen.
Welche Art von Clients haben Sie neben den klassischen PCs sonst noch zu betreuen?
Wir sind ein Infrastrukturunternehmen und haben viele Mitarbeiter, die draussen arbeiten. Sie haben heute in der Regel alle auch ein IT-Gerät unter dem Arm. Da gibt es verschiedenste Spezialgeräte, wie Zählerableser oder Mobile-Workforce-Geräte. Weiter haben wir auch Überwachungssysteme im Sinne des Personenschutzes, beispielsweise in einem Kraftwerk oder einer Unterstation. Und dann gibt es natürlich auch noch die iPhone- und iPad-Welt, die immer wichtiger wird und mit der man, sofern man sie richtig einsetzt, die Produktivität steigern kann.
Sie setzen im Smartphone-Bereich also voll auf die Karte Apple?
Ja, was Smartphones betrifft, sind wir in der Apple-Welt zuhause. Das hat wie bereits beim Thema BYOD mehr praktische denn technische Gründe. Wenn man so ein Gerät mitbringt, erwartet man einen gewissen Support und ich denke, die Apple-Welt ist diesbezüglich verhältnismässig robust, und die Innovationszyklen sind überschaubar. Allerdings haben wir in letzter Zeit auch bei Apple das eine oder andere feststellen müssen, wie beispielsweise die kürzlich aufgetauchten Exchange-Probleme, die den Akku geleert haben. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, dass Sie für zehn, 20 oder 100 verschiedene Endgeräte und Betriebssysteme Support anbieten wollen. Der Aufwand würde ins Unermessliche steigen. Man kann schon sagen «Das ist BYOD, das geht mich nichts an», aber bei Problemen ist die IT am Ende eben doch betroffen. Das ist der Grund, weshalb wir uns auf Apple konzentrieren und das wird von einer überaus grossen Mehrheit so auch akzeptiert. Natürlich gibt es immer den einen oder anderen, der gerne ein anderes Gerät und das neueste Gadget hätte.
Wie sieht es hinter den Clients aus?
Recht klassisch. Wir haben zwei Data Center im Grossraum unseres Versorgungsgebiets mit über 1000 Servern, die wir betreiben, und zwar in unterschiedlichen Geländekammern, um die Ausfallsicherheit zu erhöhen. Die Server sind weitestgehend virtualisiert oder anders ausgedrückt: Wir haben fast alles virtualisiert, was technisch möglich ist. Es gibt immer ein paar spezifische Anwendungen und Systeme, die man aufgrund der technischen Voraussetzungen nicht virtualisieren kann. Aber wenn ein Unternehmen wie wir einen Virtualisierungsgrad von 70 bis 80 Prozent erreicht hat, dann hat es in meinen Augen seine Hausaufgaben gemacht.
Apropos Hausaufgaben: Im Zusammenhang mit der Energiewende gibt es für die BKW in den kommenden Monaten einiges zu tun. Dabei gibt es bestimmt auch Projekte, in die die IT involviert ist, oder nicht?
Es wird zurzeit viel über das Thema Energiewende und entsprechende Lösungen geschrieben und diskutiert. Von einem flächendeckenden Einsatz solcher Lösungen sind wir allerdings noch ein Stück entfernt. Es gilt erst noch zu definieren, was wirklich nützt und sinnvoll ist. Wir werden schrittweise mit einzelnen Lösungen an den Markt gehen, wenn diese reif sind. Darum laufen bei uns im Moment eine Reihe von Pilotprojekten, in denen wir Erfahrungen sammeln. Dazu gehören unter anderem die Feldversuche und Studien in der Pilotgemeinde Ittigen (Verein Inergie) mit intelligenten Stromzählern, die mit weiteren Geräten kommunizieren können, womit sie den Stromverbrauch visualisieren und das Verbraucherverhalten verändern können. Das geht soweit, dass wir mit Algorithmen feststellen können, ob ein Gerät läuft oder nicht oder dieses im Unternehmen oder Zuhause dediziert ansprechen und steuern können. Der Klassiker ist der Boiler, der nur solange laufen muss, dass Sie nicht kalt duschen oder baden müssen. Mit einem Algorithmus können wir diesen so steuern, dass er nur dann einsetzt, wenn ein Bedarf besteht und genug Strom da ist. Das ist nur eines von vielen Projekten, mit denen wir versuchen, einen Beitrag an der Energiewende zu leisten. Es gilt dabei aber auch zu beachten, dass ein klassischer Zähler, wie man ihn heute kennt und im Keller hat, zehn, ja vielleicht 30 Jahre hält. Wenn man ihn nun durch einen kleinen Computer ersetzt, dann braucht dieser einen anderen Unterhalt und der Lebenszyklus wird nicht mehr ganz derselbe sein. Es gibt also noch einige Herausforderungen, die es zu meistern gilt.
Da bekommt das Thema Green IT gleich eine neue Bedeutung. Was tut BKW in diesem Bereich sonst noch?
Ich pflege immer zu fragen «Green in IT oder Green by IT?». Im Zusammenhang mit «Green in IT» gibt es eine ganze Kette, begonnen im Data Center mit einer laufenden Optimierung der Kühlung bis zum Management der Clients und der Benutzersensibilisierung im Umgang mit Geräten. Wir hatten kürzlich ein Projekt, um den Druck-Output zu reduzieren. Es gibt weitere solche kleinen Sachen, die wir tun und die sich im Rahmen der Wirtschaftlichkeit rechtfertigen lassen. Grosse Gewinne generiert aber «Green by IT», und hier wollen wir wie bereits erwähnt unseren Beitrag leisten. Hier haben wir einen ganz anderen Multiplikator. BKW versorgt rund eine Million Menschen mit Strom. Wenn wir ihnen mit einer IT-Lösung helfen können, auch nur etwas weniger zu verbrauchen, dann ist das eine tolle Sache und hat natürlich deutlich grössere Auswirkungen, als wenn wir ein neues, stromsparendes Gerät kaufen. Aber: Man sollte das Eine tun und das Andere nicht lassen.
Zum Schluss möchte ich von Ihnen noch etwas zu einem anderen aktuell brandheissen Thema, dem Fachkräftemangel, wissen. Was ist Ihre Meinung dazu? Kriegen Sie noch die gewünschten Leute?
Beginnen wir bei der Quelle, und das ist die Ausbildung. Mir ist es ein grosses Anliegen, dass wir unseren Beitrag leisten und das ist auch der Grund, weshalb wir drei Informatik-Lehrlinge pro Jahr neu in die Ausbildung aufnehmen. Wir nehmen die Ausbildung ernst, die Lehrlinge kriegen bei uns viel vermittelt und sehen in alle Bereiche hinein. Davon können wir dann profitieren und ernten, obwohl unsere eigenen Lehrlinge nach ihrer Ausbildung oft auch ein paar Wanderjahre haben. Dann haben wir, wie andere Unternehmen unserer Grössenordnung auch, einen Anteil an Mitarbeitern, der aus dem Ausland kommt. Das ist gut so, es bereichert das Unternehmen. Und zur zweiten Frage: Ja, wir sind in der Lage, gute Leute zu finden und anzustellen. BKW ist als IT-Arbeitgeber attraktiv. Arbeitsplatz und SAP macht jeder, wir betreuen aber auch Kraftwerksteuerungen, betreiben Smartgrids oder moderne Anwendungen. Bei uns geht in diesem Bereich ziemlich die Post ab. Das sehen auch zukünftige Mitarbeiter. Der Job des Informatikers ist attraktiv, nicht nur bei uns, und das gilt es viel mehr zu zeigen.
(mv)