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Seitenblick: Wir müssen vor allem über uns reden
Quelle: Swiss ICT Magazin

Seitenblick: Wir müssen vor allem über uns reden

Von Thomas Flatt

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/03

     

Gretchenfrage: Wie viel Aufwand müssen Sie betreiben, um eine offene Stelle zu besetzen? Unweigerliche Antwort: Einen immer grösseren! Und das ändert sich in absehbarer Zeit nicht. Zumindest nicht von alleine.
Gegenwärtig scheiden pro Jahr zwischen 5‘000 und 7‘000 Informatiker und Informatikerinnen durch Pensionierungen aus oder weil sie sich umorientieren. Dem stehen weniger als 3‘000 Lehr- und Studienabgänger gegenüber. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach wie vor jährlich um rund 1‘000 an. Die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage vergrössert sich also Jahr für Jahr um rund 4‘000. Führt man diese Zahlenspielerei linear weiter, wird bis 2050 von den heute etwa 120‘000 Informatikern in der Schweiz keiner mehr übrig sein.
Das wird selbstverständlich nicht passieren. Der Markt findet immer Mittel und Wege, die Lücke aufzufüllen, sei es mit Quereinsteigern oder durch Immigration. Zu diesen Mitteln und Wegen gehört allerdings auch, dass wir als Branche die Ansprüche automatisch an die Realitäten des Arbeitsmarktes anpassen. Statt der optimalen Bewerberin finden wir uns mit dem Möglichen ab. Genau hier liegt meiner Meinung nach die grösste Gefahr des fehlenden Nachwuchses: Während wir die unmittelbaren Herausforderungen immer irgendwie bewältigen können, fehlen die fundiert ausgebildeten Jungen, welche die Informatik über ihre täglichen Aufgaben hinaus verstehen und in neue Gebiete vordringen können. Das wird nicht nur unser Wachstum bremsen, sondern sich negativ auf die Innovationsfähigkeit der ganzen Wirtschaft auswirken.

Persönlich habe ich die grösste Mühe, zu verstehen, wieso nicht mehr Junge in die Informatik einsteigen. Wer den Regenwald retten, das Börsengeschehen verstehen, Krebsmedikamente entwickeln oder Fussball-Spiele analysieren will, muss doch heute ganz einfach Informatik beherrschen. Und auch die Beschäftigungsaussichten sind in kaum einem anderen Gebiet besser. Offensichtlich ist dies aber noch nicht in der breiten Bevölkerung angekommen.
Wenn wir die Nachwuchsherausforderung meistern wollen, werden wir nicht darum herumkommen, eine gemeinsame Stimme zu finden. Nur so können wir die Jugendlichen, die Eltern und die Lehrpersonen wirkungsvoll erreichen. Wir müssen als Branche ein gezieltes und koordiniertes Eigenmarketing betreiben. Wir dürfen nicht nur Gutes tun, sondern müssen vor allem auch darüber reden.


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