Outsourcing und der Faktor Mitarbeiter

Von Hans-Jürg Schürch

Personalübernahmen sind fester Bestandteil der aller­meisten Outsourcing-Deals und haben mitentscheidenden Einfluss auf den Erfolg des Projekts.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/11

     

Bei Outsourcing-Deals liegt der Fokus in der Regel auf leicht messbaren Fakten und Zahlen – Volumen, Deadlines und Services. Die Übernahme von Personal bleibt dagegen oft im Hintergrund. Dabei sollten gerade die «weichen» Faktoren nicht unterschätzt werden. Denn die Ankündigung des bevorstehenden Wechsels ist für viele Betroffenen ein Schock – schliesslich wechseln sie bei betriebswirtschaftlich begründeten Transaktionen nicht freiwillig den Arbeitgeber. Insofern ist der Mitarbeiterübertritt im Outsourcing vergleichbar mit der Situation bei Unternehmensfusionen. Nachdem verschiedene Studien aufgezeigt hatten, dass bis zu 85 Prozent aller Merger- und Akquisitionsprojekte die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, plädierten viele Experten für die stärkere Beachtung der so genannten «weichen» Faktoren. Damit wird ausgedrückt, dass neben strategischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Fragen auch die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeitenden zur Veränderung einen wesentlichen Erfolgsfaktor für Unternehmensprojekte dieser Art darstellen.
Auch beim Outsourcing ist statistisch erwiesen, dass 58 Prozent aller Projekte mehr Zeit und Geld kosten, als ursprünglich geplant, wobei der grösste Anteil in die Übergangsphase, die so genannte Transition, fällt. Es spricht also einiges dafür, das Personalmanagement bei einer Mitarbeiterübernahme als gleichberechtigtes Teilprojekt in den technischen Verhandlungen anzusehen. Dabei überschneiden sich die Interessen und Wünsche der zukünftigen Partner weitgehend: Dem Informatikverantwortlichen des Kunden ist es wichtig, seine Teams auch künftig gut untergebracht zu wissen. Und dem Dienstleister ist daran gelegen, vom Know-how seiner neuen Mitarbeitenden in den Belangen des Kundenunternehmens zu profitieren und diese nicht nur zu übernehmen, sondern so lange als möglich zu halten.

Gute Integration als Erfolgsfaktor

Informatikspezialisten in Kundenunternehmen verfügen in der Regel über spezifisches Branchen-Know-how, sind auf der technischen Ebene jedoch eher Generalisten. Ihre Integration beim Outsourcing-Dienstleister gestaltet sich daher häufig schwierig, denn hier ist Tiefe anstatt Breite gefragt. Die Zuordnung in den neuen Bereich und das neue Team muss mit viel Fingerspitzengefühl erfolgen. Als Vorteil wird von den neuen Mitarbeitenden empfunden, dass sie in ein professionelleres Umfeld wechseln, wo IT nicht mehr einen Kosten-, sondern einen Umsatzfaktor darstellt, und sie sich in ihrem angestammten Berufsfeld weiter qualifizieren können. Punkten können global tätige ICT-Dienstleister auch mit attraktiven Entwicklungsmöglichkeiten in ihrem weltweiten Verbund, in dem es häufig spezifische Branchen-Cluster gibt, so dass die Branchenexpertise den Grundstein für eine internationale Karriere legen kann.

Oft unterschätzt wird die psychologische Herausforderung, wenn der Arbeitgeber zum Kunden wird. Viele Mitarbeitende fühlen sich in ihrer Loyalität hin- und hergerissen oder haben Abgrenzungsprobleme, und der Dienstleister tut gut daran, sie beim Aufbau einer partnerschaftlichen Kunden- und Lieferantenbeziehung mit einer gesunden Distanz zu unterstützen.
Ein wesentlicher Diskussionspunkt in den Verhandlungen ist die Garantie der bisherigen Anstellungsbedingungen über eine gewisse Zeit. Die Details der Sozial- und Nebenleistungen sind selten identisch und nicht jede Leistung ist direkt vergleichbar. Es müssen daher aus den Einzelkomponenten wie etwa Pensionskasse, Salär- und Spesenreglemente, Ferien und Fringe Benefits gesamthaft gleichwertige Pakete geschnürt werden. Je nach Branche können die Anstellungsbedingungen des Dienstleisters sogar attraktiver sein als die des Kunden, denn im Vergleich mit beispielsweise dem Detailhandel kann der ICT-Sektor in Bezug auf das «Total Compensation Package» durchaus mithalten. In anderen Branchen kommt es darauf an, attraktive Perspektiven in der Karriereplanung aufzuzeigen oder zum Beispiel mit grosszügigen Arbeitszeitregelungen Anreize zu schaffen.

Kommunikatives Geschick gefragt

Die wenigsten Unternehmen verfügen über Erfahrungen in der Begleitung von Personal-übernahmen in diesen Massstäben. Sie müssen sich deshalb darauf verlassen können, dass der Dienstleister die künftigen Mitarbeitenden richtig abholt und möglichst rasch in seine Unternehmensstruktur und -kultur integriert. Bei häufigen Personalübernahmen und grossen Populationen machen eine strukturierte Methodik und ein standardisierter Prozess Sinn. Als wesentliche Pfeiler für den Übergangsprozess haben sich aus jahrzehntelanger Erfahrung die drei sequentiellen Ebenen Kommunikation, Transfer of Work Contracts sowie Integration & Development herauskristallisiert.
Dem Kommunikationsprozess kommt im Rahmen einer Transition und der darauf folgenden Transformation eine herausragende Bedeutung zu. Wesentliche Aufgaben sind die Sicherstellung des jeweils aktuellen Wissensstand der Betroffenen über das Projekt, die Wahrung der Konsistenz in den Botschaften und die Gegensteuerung bei aufkommenden Gerüchten. Bewährt hat sich eine Kombination aus sogenannten Townhall-Meetings, Gruppenveranstaltungen und Einzelgesprächen. Im Idealfall wird die Belegschaftsversammlung unmittelbar nach dem Signing aufgesetzt, damit allen Betroffenen die gleiche Botschaft dazu vermittelt werden kann. Im Nachgang bieten sich Gespräche in Kleingruppen an, die individueller auf bestimmte Bedürfnisgruppen eingehen können. In einem dritten Schritt werden Einzelmeetings aufgesetzt – insbesondere mit Schlüsselpersonen, die man halten und entwickeln will. Begleitend bieten sich Newsletter an, die regelmässig über Meilensteine im Projekt informieren. Besonders geschätzt werden zudem elektronische Mailboxen, in denen aufkommende Fragen platziert und beantwortet werden. Auch wenn zum Zeitpunkt des juristischen Übertritts ein Welcome-Event den Höhepunkt des Arbeitgeberwechsels markiert, so ist der kommunikative Prozess während der Transformation noch lange nicht abgeschlossen. Die HR-Abteilung wird sich jedoch vorteilsweise ab diesem Zeitpunkt eher zurückziehen und das Feld den operativen Linien-Vorgesetzten überlassen.

Beim Transfer of Work Contract geht es darum, die kollektiv ausgehandelten Verhandlungsmasse in individuelle Arbeitsverträge zu überführen, wobei eine genügend lange Bedenkfrist nötig ist. Denn viele Details werden erst bei der operativen Umsetzung definitiv geklärt: Hat der Mitarbeitende nach seinem Arbeitgeberwechsel noch Anrecht auf ermässigtes Essen in der Personalkantine? Wiegen diesen monetären Vorteil andere Vergünstigungen, wie beispielsweise die Gratisabgabe des Halbtax-Abos oder die Übernahme der Unfallversicherung, auf? Während auf dieser Ebene zumeist mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags alle offenen Fragen geklärt sind, gestaltet sich der dritte Workstream Integration & Development etwas langwieriger. Nach Unterzeichnung der Einzelarbeitsverträge geht es hier bei weitem nicht nur um die Aufnahme im Personalinformationssystem des IT Outsourcers. Es geht insbesondere auch um das optimale Matching des Mitarbeitenden im neuen Gefüge, seine Teamzuordnung, seine Unterstellung, seine Aufgaben und seine Perspektiven. Als erfolgskritische Massnahmen haben sich Standortbesuche noch während der Transition, Mentoring-Programme, Portfolio-Schulungen und individuelle Orientierungsgespräche bewährt. Ebenfalls ein positives Echo kann ein monatlich stattfindender Newcomer-Day auslösen. Er hilft den Neulingen dabei, sich mit den Kolleginnen und Kollegen zu vernetzen.
Ist der Erfolg einer Personalübernahme messbar? Vielleicht nicht in Zahlen. Aber eine Mitarbeiterumfrage rund ein halbes Jahr nach Abschluss der Transition kann Aufschluss darüber geben, wie der Vorgang aus Sicht der Betroffenen abgelaufen ist und wo allenfalls noch Verbesserungen nötig sind.


Hans-Jürg Schürch ist Director Human Ressources bei T-Systems in der Schweiz.



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