Die rund 1080 Banklehrlinge, die hierzulande und in Liechtenstein ihre Lehre im August 2012 beginnen, dürfen sich freuen: Statt der rund zwölf Kilogramm Lerninhalte, die bisher an die Lernenden abgegeben wurden, erhalten sie im Rahmen des Projekts «Future Learning» vom Center for Young Professionals in Banking (CYP), dem Ausbildungs- und Kompetenzzentrum für bankfachliche Grundbildung, ein Tablet, auf welchem sämtliche Inhalte verfügbar sind. «Wir geben den Lernenden ein Tablet als Lernmedium und Arbeitsinstrument ab. Damit erhalten sie jederzeit und ortsunabhängig Zugang zum gesamten Wissen», erklärt Ronny Wallnöfer, Leiter des Projekts Future Learning beim CYP, die Absicht hinter dem Projekt.
Der Zugriff auf das Learning-Management-System (LMS) CYP net, das beim CYP im Einsatz ist, erfolgt via die App My CYP. «Dazu wird das LMS, das heute bereits als Browser-Lösung verfügbar ist, weiterentwickelt. So entsteht sozusagen eine Exclusive Cloud», führt Wallnöfer aus. In dieser Wolke sind alle Arbeitsunterlagen, Übungen und Dokumente elektronisch verfügbar, die Daten werden also nicht lokal auf dem Tablet abgelegt.
«Die App und das angereicherte E-Book müssen mit den Tablets und dem Mobile Device Service von Swisscom funktionieren.» Stefan Böhlen, Projektleiter bei Swisscom Grossunternehmen (Quelle: Swisscom)
«Wir brauchen Tablets mit Update-Garantie und einer gewissen Qualität.» Ronny Wallnöfer, Leiter des Projekts Future Learning beim CYP (Quelle: CYP)
Auch das Print-Lernmittel Banking Today 2.0 des Compendio-Verlags, das aktuell nur in Papierform verfügbar ist, wird mit dem Lehrbeginn im August als erweitertes E-Book auf dem Tablet Einzug halten. «Wichtig ist dabei, dass nicht einfach ein PDF heraufgeladen wird, sondern vielmehr wird dieses unter anderem durch Filme und interaktive Landkarten angereichert», betont Wallnöfer. So sollen die Lernenden künftig ohne Medienbruch arbeiten: Müssen sie heute für Übungen zwischen dem Lernheft und dem Rechner hin- und herwechseln, sollen sie künftig alles via Tablet erledigen können. Zudem erleichtern die Tablets auch dem CYP die Arbeit, lassen sich doch Updates oder Änderungen in den Lernmitteln elektronisch rascher korrigieren.
Wahl fiel auf Samsung
Bei der Auswahl des geeigneten Tablets für das Projekt waren verschiedene Faktoren entscheidend. «Wir brauchen Geräte mit Update-Garantie und einer gewissen Qualität», erläutert Wallnöfer. Und er ergänzt: «Die E-Medien, die wir bereits haben, sind alle auf Flash programmiert. Wir brauchen also ein Tablet, das mit Flash umgehen kann. Und das war dazumal beim Projektstart mit Android 3.1 und 3.2 sichergestellt.» Somit fiel die Wahl auf das Galaxy Tab 10.1 von Samsung.
Die App für das LMS lässt CYP von Crealogix entwickeln, denn von der Zürcher Software-Schmiede stammt bereits das eingesetzte LMS. «Wir waren vor Projektbeginn offen gegenüber anderen Anbietern. Crealogix ist jedoch schon seit Gründung ein verlässlicher Partner. Zudem ist unser System ziemlich massgeschneidert, was es mit den Schnittstellen ziemlich schwierig gemacht hätte», erklärt Wallnöfer.
Bei der Realisierung des Projekts setzt CYP derweil auf die Unterstützung von
Swisscom. Für Swisscom als Partner hat sich das Ausbildungszentrum aufgrund des guten Angebots des Telcos entschieden. «Aber auch weil das Unternehmen sehr renommiert ist und auch unsere wichtigsten Kunden auf Swisscom bauen», ergänzt Wallnöfer. Bezüglich Support und Gerätewahl habe Swisscom das beste Angebot geliefert. Der erste Kontakt zwischen Swisscom und dem CYP fand im Winter 2011 statt, der offizielle Startschuss für das Projekt fiel dann am 17. Januar 2012. Das externe Projektvolumen liegt laut Wallnöfer in Millionenhöhe, wird aber von verschiedenen externen Partnern getragen: «Hier sind die internen Kosten aber nicht mit eingerechnet, und wir haben intern doch einen ziemlichen Aufwand.»
Organisation und Konfiguration der Tablets
«Als Projektleiter von
Swisscom bin ich für die Koordination zwischen den einzelnen Firmen – sprich CYP, Crealogix und dem Compendio-Verlag – zuständig. Ich muss sie alle zusammenbringen und dafür schauen, dass die App und das angereicherte E-Book mit den Tablets und dem Mobile Device Service von Swisscom funktionieren», erklärt Stefan Böhlen, Projektleiter bei Swisscom Grossunternehmen, seine Aufgabe. Des weiteren ist er für die Koordination der Hotspots, die das CYP in sämtlichen Schulungsräumen einrichtet, verantwortlich. Als seine Hauptaufgabe definiert Böhlen aber die Beschaffung und die Konfiguration der Tablets mit den Daten-SIM-Karten sowie die Planung des Rollouts.
Zudem wird er mit seinem Team am Tag der Tablet-Ausgabe am CYP «sozusagen als First- und Second-Level-Support» vor Ort sein. Denn dann werden die Ausbilder des CYP gemeinsam mit den Lernenden das Tablet in Betrieb nehmen und die benötigten Apps installieren. «Wir werden die Lernenden gerade im ersten Halbjahr beim Umgang mit dem Tablet eng begleiten», verspricht Wallnöfer. Für technische Probleme wird derweil Swisscom die Anlaufstelle sein. Den Support-Prozess bezeichnet Böhlen denn auch als aktuellen Knackpunkt: «Bei der Geschäftskunden-Hotline von Swisscom ist es nicht üblich, dass jeder Enduser anrufen kann. Vielmehr haben die Firmen normalerweise einen verantwortlichen IT-Administrator, der die Hotline kontaktieren und Probleme anmelden kann. Dies ist nun anders. Wir müssen unsere Mitarbeiter schulen, damit sie wissen, was zu tun ist, wenn Lernende anrufen.»
Standort des Servers als Herausforderung
Doch der Supportprozess ist nicht die einzige Herausforderung, der sich Böhlen aktuell stellen muss. So beschäftigt ihn auch der Gerätetyp-Wechsel, den es während des Projekts gab. «Das aktuelle Tablet Samsung Galaxy Tab 10.1 wird nicht mehr produziert und muss nun durch die neue Generation ersetzt werden. Durch diesen Wechsel auf das Galaxy Tab 10.2 musste der geplante Liefertermin mehrmals angepasst werden. In der Zwischenzeit haben wir aber die ersten 200 Geräte für CYP erhalten», erklärt Böhlen.
Diese Tablets der neuesten Generation wurden von
Swisscom darauf getestet, ob sie im Netz des Telekom-Anbieters einwandfrei funktionieren. «Würden wir ein Gerät abgeben, und es würde nicht funktionieren, wäre das nicht gut. Deshalb werden im Vorfeld immer alle Geräte auf Herz und Nieren geprüft», so Böhlen. Nach den Tests seien dann teilweise Nachbesserungen nötig, was relativ viel Zeit brauche.
Am meisten Kopfzerbrechen bereitete dem Swisscom-Projektleiter aber, dass der Remote-Management-Service-(RMS)-Server nicht beim CYP selber ist. «Das ist für uns eine spezielle Situation, weil unsere anderen Kunden in der Regel die Hoheit über diesen Server und den Service behalten wollen. Die Herausforderung besteht nun darin, eine Verbindung mit vernünftiger Bandbreite zwischen dem Kundennetz und unserem Rechenzentrum, wo sich der RMS-Server befindet, aufzubauen», führt Böhlen aus.
Kooperation der Banken gefragt
Als besondere Herausforderung von Seiten CYP bezeichnet Wallnöfer derweil das Zusammenspiel mit der Bankenwelt. «Zum einen müssen die Lernenden von unterwegs auf die Cloud zugreifen können, zum anderen aber auch aus ihrer Bank heraus», erklärt der Projektleiter. Die Banken hätten bei der Präsentation des Projekts wenig erstaunlich vor allem Sicherheitsbedenken angemeldet und dabei unter anderem den Verlust von Daten beim Verlust des Tablets angeführt. Den Banken sei es wichtig, dass man den Zugriff auf gewisse Anwendungen wie zum Beispiel Facebook sperrt. Zudem haben die Finanzinstitute individuell – in Anlehnung an den Umgang mit Smartphones – selber Richtlinien aufgestellt, wie die Lernenden das Tablet innerhalb der Bank verwenden dürfen.
Remote Applikationen löschen
Das Tablet, welches die Lernenden bekommen, ist nur eine Leihgabe. Am Ende der Lehre müssen sie die Geräte wieder zurückgeben. «Das Leasing mit
Swisscom läuft über drei Jahre», erklärt Wallnöfer. Die Geräte bleiben also Eigentum des Telcos, was von Seiten der Lernenden eine grosse Sorgfaltspflicht fordert. Sollte das Tablet kaputt gehen und muss ersetzt werden, so wird vom Lernenden eine vereinbarte Pauschale fällig.
Obwohl das Tablet als Lern- und Arbeitsmedium abgegeben wird, ist sich Wallnöfer bewusst, dass der private Einsatz des Geräts nicht verboten werden kann. «Dank des Remote-Management-Systems (RMS) von Mobileiron, das Swisscom zur Verfügung steht, haben wir aber schon eine gewisse Kontrolle über die Nutzung und können, wenn wir Missbrauch feststellen, Apps entfernen. Aber auch beim Verlust des Tablets ist das RMS hilfreich, denn es erlaubt, die Daten remote zu löschen», so Wallnöfer.
Change-Management nicht vernachlässigen
«Ein funktionierendes LMS ist unabdingbar», lautet der Ratschlag, der Wallnöfer für Bildungsinstitutionen, die ein ähnliches Projekt planen, bereithält. Das System müsse offen sein, damit man es verbinden könne. Zudem müssten die Lerninhalte in HTML 5 existieren. «Ebenfalls wichtig ist der ganze Change-Prozess. Bei uns finden drei solche Prozesse statt – bei den Lernenden, bei den Banken und bei unseren Ausbildern», so der Projektleiter. Die Schulung der Lehrkräfte hat bereits um Ostern begonnen. «Zu diesem Zeitpunkt haben wir ihnen die Tablets abgegeben und sie aufgefordert, die Geräte einfach auszuprobieren. Zudem haben wir einen internen Blog, der Inputs liefert, sowie wöchentliche Tablet-Lunchs», erklärt Wallnöfer. Auch finden Anfang Juli interne Weiterbildungstage statt, bei welchen die Ausbildner den technischen Umgang mit dem Tablet sowie dessen Einsatz im Unterricht erlernen.
Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist laut Wallnöfer, dass man oft erst während der Projektumsetzung merke, wo die Bedürfnisse liegen. «Unvorhergesehenes kann passieren. Und es hat sich bei uns niemand die Illusion gemacht, dass am Stichtag eine vollends fertige Version der App vorhanden ist.»
(abr)