Bürokratien jeglicher Art teilen den gleichen Traum: Sie wollen das natürliche Wuchern mittels einer eindeutigen Kategorisierung in geordnete Bahnen lenken. Dabei ereilt jede das gleiche Schicksal: Sie scheitert. Der Unterschied zwischen einem guten Verwaltungssystem und einem schlechten besteht im Wesentlichen darin, dass das gute sich bewusst ist, dass sein Traum nie Wirklichkeit werden kann und darum auch einmal Fünf gerade sein lässt. Eine schlechte Bürokratie drangsaliert demgegenüber die Menschen mit ihrer Manie umso stärker, je offensichtlicher sich das Scheitern abzeichnet. Das ist in Unternehmen nicht anders als im Staat.
Kasse machen die Berater
Diese Realitätsverweigerung ist auch der Hauptgrund, wieso abteilungsübergreifende Bürokratisierungsprojekte – zu denen
insbesondere auch die unternehmensweite Dokumentenverwaltung gehört – überaus häufig in einem kostspieligen Fiasko enden. Ein Spezialist, der als Externer Dutzende DMS-Projekte begleitet hat, meinte letzthin, er kenne kein einziges Vorhaben in einem Grossunternehmen, das ein Erfolg geworden sei. Die Einzigen, die am Ende zufrieden sein könnten, seien die externen Berater. Deren verrechenbare Leistungen schnellen umgekehrt proportional zur Schieflage des Projekts in die Höhe.
Im Nachgang werden als Gründe für den Misserfolg meist eine ungenügende Zieldefinition und die mangelnde Unterstützung durch das Top-Management angeführt. Diese Faktoren mögen zwar ihren Einfluss haben. Sinnvolle Änderungen treiben die Mitarbeitenden aber von alleine voran, wenn man sie denn lässt. Was sie nur unter Zwang und auch dann immer nur unvollständig umsetzen, sind bürokratische Leerläufe. Und zu solchen kommt es bei unternehmensweiten DMS-Projekten fast zwangsläufig. Denn je mehr Ansprüche in die gleiche Systemjacke gezwängt werden, umso schlechter passt diese dem Einzelnen.
Mitbestimmung statt Populismus
Für den über die Jahre immer frustrierter gewordenen Spezialisten wäre eine ur-schweizerische Organisationsform die Lösung für das DMS-Dilemma: der Föderalismus. Die Fachabteilungen sollen selbstverantwortlich ihre eigenen Systeme aufbauen. Die übergeordnete Aggregation auf der Unternehmens-ebene kann über eine Metasuche erreicht werden.
Dass Föderalismus in Kombination mit Mitbestimmung auch in der globalisierten Welt ein Erfolgsmodell ist, zeigt die im Vergleich mit unseren Nachbarstaaten wesentlich nachhaltigere Steuerpolitik, die sich das Schweizer Volk selber auferlegt. Im Gegensatz zu den Schreckgespenstern, welche die Regierenden jenseits der Grenzen an die Wand malen, entscheiden die direkt betroffenen Bürger nämlich viel weniger populistisch als Politiker in einer rein parlamentarischen Demokratie. Diese schielen genauso immer nur auf die nächste Wahl, wie viele Geschäftsleitungen mit ihrem Investorenpopulismus nicht weiter zielen als zum nächsten Quartalsergebnis.
Einparteiensysteme statt Eidgenossenschaft
Es gibt keinen einsichtigen Grund, wieso die Übergabe der Entscheidungsgewalt in die Hände der Betroffenen nicht auch in der Wirtschaft funktionieren sollte. Wer die Suppe selber auslöffeln muss, überlegt sich ganz einfach mehr beim Kochen. Leider gehört es aber zu den Schizophrenien der postmodernen Wirtschaft, dass die gleichen Manager, die im öffentlichen Diskurs nicht müde werden, das Loblied auf den freien Markt und unseren Steuerföderalismus zu singen, dem eigenen Unternehmen einen gleichmacherischen Zentralismus verordnen, der mehr an die Einparteiensysteme des ehemaligen Ostblocks erinnert als an eine Eidgenossenschaft.