Editorial

Editorial: Der sympathische Herr Specht


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/01

     

In der Sonntagspresse habe ich vergangenes Wochenende ein Inserat entdeckt, das mich einigermassen angesprochen hat. Orange warb dabei für sein KMU-Angebot und damit, dass selbst das kleinste KMU bei Orange einen persönlichen Ansprechpartner erhält, und dass man bei Interesse doch bitte Herrn Specht kontaktieren möge. Wäre ich ein KMU, ich hätte den guten Herrn Specht vielleicht tatsächlich angerufen. Schliesslich habe ich als Orange-Privatkunde schon genügend Zeit damit verbracht, den verschiedenen Damen und Herren im Callcenter immer wieder und mit mässigem Erfolg dasselbe Problem zu schildern. Wobei man hier fairer­weise auch anfügen muss, dass sich Orange bezüglich Kundendienst in den letzten zwei Jahren stark verbessert hat.


Nichtsdestotrotz: Ein persönlicher Ansprechpartner – klingt verlockend! Wäre da nur nicht die Un­sicherheit bezüglich der Zukunft von Orange Schweiz. Unmittelbar vor Weihnachten wurde ja bekannt, dass Orange Schweiz an die Private-Equity-Investment-Gruppe Apax Partners verkauft wird. Wobei noch nicht einmal das klar ist, schliesslich müssen die Behörden den Kauf noch absegnen, was vermutlich diesen Monat geschehen wird. Ausserdem darf die Marke Orange, wie mir jüngst jemand von Orange versicherte, auch nach dem Verkauf weiter genutzt werden, ein entsprechendes Nutzungs­abkommen mit France Télécom sei unterzeichnet. Doch darüber hinaus ist eigentlich alles unklar und vieles unvorhersehbar.
Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten – beide jedoch mit einem grossen Fragezeichen dahinter. Erste Möglichkeit: Alles bleibt, wie es war – sprich Orange bleibt auch unter Apax weiterhin Orange, und der neue Besitzer wird «lediglich» versuchen, den Gewinn zu optimieren. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass im Rahmen dieser Gewinnoptimierung Mitarbeiter über die Klinge springen müssen und infolgedessen das Angebot leidet. Schliesslich ist es eine traurige Realität, dass sich das Unternehmensergebnis am einfachsten über einen Stellenabbau verschönern lässt. Wie lange ich als KMU also Herrn Specht als direkten Ansprechpartner habe, steht in den Sternen. Zweite Möglichkeit: Es wird erneut eine Fusion mit Sunrise angestrebt, wie überall spekuliert wird. Hier stellt sich dann einfach die Frage, warum die Weko einer solchen Fusion nun plötzlich zustimmen soll, nachdem sie 2010 noch verboten wurde. Und dann natürlich, was mit den Angeboten und mit meinem Herrn Specht im Falle einer Fusion passieren wird.


Die Krux mit Private-Equity-Investment-Gruppen ist, dass sie ziemlich unberechenbar sind und primär ein Ziel haben: Relativ schnell relativ viel Geld zu verdienen. Wie Apax das mit Orange schaffen will, weiss niemand – ausser hoffentlich Apax selbst. Und diese Unsicherheit über die Zukunft führt dazu, dass ich – wäre ich ein KMU – im Moment wohl kaum zu einem Orange-Angebot migrieren würde, egal wie sympathisch mir Herr Specht eigentlich ist. Apax würde also gut daran tun, nach der endgültigen Orange-Übernahme rasch für Klarheit zu sorgen. Jedoch bezweifle ich stark, dass dies geschehen wird. (mw)


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