Swiss IT Magazine: Wie würden Sie Ihre Rolle im Dolder Resort definieren?
Patrick Stäheli: Ich bin Director of Engineering im Dolder Resort und somit zuständig für die drei technischen Bereiche unserer Hotels. Das sind einerseits die Veranstaltungstechnik, also alles was mit Events zusammenhängt, der klassische Engineering-Bereich mit den ganzen haustechnischen Berufen dann natürlich der Informatik-Bereich. IT in einem Hotel ist eine etwas spezielle Sache. Es ist mein erstes Hotel, ich komme sonst aus dem Telco- und Bankenumfeld, wo man eher eine Affinität zu Informatik hat. In einem Hotel sollte die Technik dezent und im Hintergrund sein. Ein Hotelier beispielsweise will sich nicht mit IT auseinandersetzen müssen, sondern vor allem mit Gästebedürfnissen. Es gehört zu meinem Job, diese zwei Sprachen zu sprechen: Mit dem Hotelier die verständliche und mit Partnern wiederum die sehr technische. Die Lösungsfindung ist daher teilweise etwas speziell.
Wie Sie sagen, ist IT in einem Hotel etwas Spezielles. Welche IT-Aufgaben fallen in einem Hotel konkret an?Einerseits sind da die infrastrukturellen Arbeiten. Die Basis bildet dabei das Netzwerk, das dem eines mittelständischen Betriebes entspricht. Dazu kommen die ganzen Basissysteme, also Domänenkontroller, Active Directory, Mail- und Fileserver sowie Printserver und die Client-Systeme. Diese bilden die Grundlage für weitere, hotelspezifische Applikationen, wie zum Beispiel ein Front-Office PMS-System, Reservationssysteme für den Spa-Bereich, externe Buchungssysteme, die wir anbinden, sowie Kreditkartenabrechnungs- und Autorisierungssysteme. Unsere Hauptaufgabe ist dabei vor allem der Betrieb der Infrastruktur. Wir stellen das korrekte Funktionieren der Datenbankserver und Clients sicher, damit beispielsweise am Front Office Kunden einchecken und Kreditkarten abgerechnet werden können.
Den Betrieb der Infrastruktur übernehmen Sie also selber?Genau, wir haben keinen externen Partner, der das Daily Business übernimmt. Nur bei grösseren Netzwerkarbeiten und Änderungen im Bereich der Telefonanlage arbeiten wir mit Partnern zusammen. Alles andere machen wir selber. Dies ist bei Unternehmen unserer Grösse eher eine Ausnahme. Wir sprechen hier immerhin von 50 Servern, 160 Clients, 25 Kassen, 140 Switches und 220 Access Points.
Outsourcing war einmal ein Thema, schlussendlich wurde aber deutlich, dass dies extrem schwierig und kostspielig wäre, insbesondere auch wegen unseres 24-Stunden-Betriebs. Wir müssen Probleme auch nachts in Minutenschnelle gelöst haben, was mit Externen wohl kaum möglich wäre. Deshalb haben wir von Beginn an so viel wie möglich inhouse gemacht. Rückwirkend betrachtet war dies eine gute Entscheidung.
Wie ist die IT-Abteilung aufgebaut?Einerseits haben wir den klassischen Systemtechnik-Part. Dieser besteht zurzeit aus drei Personen, die fürs Client-Engineering sowie System- und Infrastrukturbetreuung zuständig sind. Dann gibt es den Sektor mit den Junior-IT-Supportern, die den Gästebereich betreuen. Dadurch, dass die IT relativ klein ist und wir einen 7x24-Stunden-Betrieb haben, brauchen die Mitarbeiter vor allem ein sehr breites und weniger ein tiefgehendes Wissen.
Müssen Sie auch selbst Standard-IT-Aufgaben übernehmen?Wenn es darum geht, irgendwo einen neuen Server zu installieren, dann bin ich natürlich auch selbst vor Ort. Meiner Meinung nach hat man es schwer in der IT, wenn man dies nicht vorlebt. Ich sehe die Rolle eines IT-Verantwortlichen nicht als die eines reinen Schreibtischtäters. Man muss selbst nicht alles bis ins Detail beherrschen, aber ohne ein gewisses Know-how fehlt die nötige Akzeptanz der Mitarbeiter.
Sie arbeiten nun seit drei Jahren im Dolder. Können Sie sagen, wie sich die Informatik in den letzten Jahren verändert hat? Die Wichtigkeit der IT hat im Dolder Resort enorm zugenommen. Früher hatte man bestenfalls einen Internetzugang in seinem Zimmer, heute kommt die ganze Raumsteuerung dazu. Bei der Betätigung eines Lichtschalters beispielsweise wird mit einem Gebäudeleittechniksystem kommuniziert. Somit können wir im Zimmer eine Lichtszene abhängig der Tageszeit einstellen. Auch die Klimaanlage und die Rollladensteuerung kommunizieren mit einem System der Gebäudeleittechnik, während das früher simple mechanische Komponenten waren.
Früher hatte man in einem Haus dieser Grösse vielleicht zwei bis drei fremdbetreute Server und demzufolge so gut wie nie Probleme. Heute haben wir ein Vielfaches an Komponenten in Betrieb, um all diese zusätzlichen Funktionalitäten zu gewährleisten. Natürlich muss auch die Verfügbarkeit der Systeme entsprechend gewährleistet sein.
Was machen Sie, um die ständige Verfügbarkeit Ihrer Systeme sicherzustellen?Wir betreiben proaktives Monitoring. Dafür haben wir ein Tool, das wir im Bereich der Server-Systeme des Netzwerks einsetzen. Die andere Komponente ist der Gast. Wenn etwas nicht funktioniert, hat man innert Minuten sehr direktes und auch ungefiltertes Feedback.
Wie wichtig ist die Informatik fürs gesamte Unternehmen? Sind Sie in der Geschäftsleitung vertreten?Als Director of Engineering bin ich Mitglied der erweiterten Direktion. Ich denke, die Erkenntnis, dass die Informatik ein wichtiger Bestandteil ist, ist auch bei meinen Kollegen da, schliesslich funktioniert ohne Netzwerk so gut wie nichts. Unsere Arbeit ist allerdings nicht besonders auffällig, da wir primär für eine lauffähige Infrastruktur sorgen.
Ist das IT-Budget in den letzten Jahren gewachsen?Wir können es uns heute nicht leisten, Kompromisse einzugehen. Wenn etwas nicht funktioniert, muss es ersetzt werden. Von daher ist das IT-Budget in den letzten drei Jahren in Bezug auf die Investitionen gestiegen, nicht jedoch die laufenden Kosten. Im Bereich der Personalkosten ist das Budget ebenfalls gestiegen, da man die komplexer werdende IT nicht mit zwei Personen betreiben kann.
Können Sie etwas zur IT-Strategie fürs laufende Jahr sagen?Zu Zeiten des Umbaus hatte man praktisch pro Applikation ein eigenes physisches System. In den letzten Jahren haben wir den Wechsel auf eine virtuelle Umgebung komplett durchgeführt. Im Server-Bereich haben wir sehr viel konsolidiert und bereinigt. Dasselbe machen wir jetzt im Client-Bereich, wo wir den Schritt zu einer Standardisierung mit zentraler Software-Verteilung machen wollen. Auch im Bereich der ganzen Berechtigungen fahren wir ein neues Modell: Jeder Mitarbeiter erhält ein Funktionsprofil, in dem definiert ist, was dieser an Hardware, Software und Berechtigungen benötigt. Diese Entwicklung von einer situativen zu einer geordneten und standardisierten Struktur ist sicherlich strategisch wichtig für die Zukunft. Im Bereich der Zimmersteuerung wollen wir auch eine Weiterentwicklung machen. Ausserdem wollen wir 2012 unser Netzwerk ersetzen, da wir mit dem heutigen Netz gewisse Engpässe haben. Dies sind die nächsten Pläne, an der IT-Strategie an sich wird aber nichts gross verändert.
Sie planen, nächstes Jahr das Netzwerk neu aufzubauen. Können Sie mehr dazu sagen?Das Netzwerk, das wir heute haben, deckt unsere Bedürfnisse in Bezug auf Zuverlässigkeit, Funktionalität und Sicherheit nicht ab. In Anbetracht der Kosten von etwa 2,5 bis 3 Millionen Franken haben wir uns entschlossen, das Netzwerk zu ersetzen. Im Moment befinden wir uns in der Detailkonzeptphase. Wir haben uns nun für einen Komponentenhersteller entschieden und planen die genaue Architektur. Unsere Partner dafür sind
Cisco sowie ein Implementierungspartner, den wir noch beiziehen. Erwähnenswert ist, dass wir das Netzwerk im laufenden Hotelbetrieb wechseln. Dies ist sehr spannend und für mich das Schlüsselprojekt im Jahr 2012, denn die mit einem neuen Netzwerk verbundenen Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit, Verfügbarkeit und Bandbreite ermöglichen wiederum eine ganze Palette an Features. Mit dem neuen 10-Gigabit-Ethernet wird es uns beispielsweise auch möglich sein, Full-HD-Services für die Hotelzimmer anzubieten.
Weshalb haben Sie sich für Cisco als Partner entschieden?Wir haben von Beginn an nach einer Lösung gesucht, die sowohl Robustheit und Zuverlässigkeit als auch Performance bietet. Im Laufe der Ausschreibung haben wir geprüft, welche Produkte von welchen Herstellern uns beim Erreichen unserer Ziele unterstützen können. Zudem ist es aber auch entscheidend, dass ein Hersteller ähnliche Wertvorstellungen hat wie wir und Begeisterung für ein Produkt aufbringt. Wenn dieser keine Leidenschaft für eine Lösung entwickeln kann, dann entsteht schlussendlich eine 0815-Lösung. Mit Cisco konnten wir von Beginn weg eine gemeinsame Vision entwickeln.
Welche Projekte stehen sonst noch bevor?Im Bereich der Zimmersteuerung ist ein weiteres Projekt geplant. Wir haben heute auf den Zimmern eine BO5-Fernbedienung im Einsatz, welche die Steuerung der Unterhaltungselektronik sowie die Raumsteuerung vereint. Dies war einst eine gute Lösung, jedoch hat man heute mit dem Aufkommen von Tablets ganz andere Möglichkeiten. Mit Cisco zusammen ist die Vision entstanden, dem Gast zusätzlich zur Raumsteuerung das Führen von Telefonaten und Videokonferenzen übers Tablet vom Zimmer aus anzubieten und als vierte Komponente auch standortbezogene Dienste zur Verfügung zu stellen. Das heisst, man kann künftig übers Tablet Tische im Restaurant reservieren, entsprechende Reminder setzen, sich bei Bedarf durchs Hotel führen und sogar zusätzliche Informationen zum Beispiel zu Gemälden an den Wänden anzeigen lassen. Das ist eine Vision für die Zukunft.
Arbeiten Sie dazu noch mit anderen Partnern als Cisco zusammen?Wir arbeiten bei diesem Projekt auch zusammen mit
Connectis, unserem Implementierungspartner. Dieser ist dafür zuständig, unsere PBX-Telefonanlage durch eine VoIP-Lösung zu ersetzen. Weiter brauchen wir auch Software-Entwickler. Dazu sind wir mit der Hochschule Rapperswil in Kontakt.
Welche Besonderheiten gibt es bei der Arbeit in einem Luxushotel?Besonders ist das sehr dynamische Umfeld. Die Telefonie zum Beispiel wird in einem traditionellen Unternehmen einmalig konfiguriert. Bei uns werden nach jedem Check-out die Telefonleitungen abgestellt und neu provisioniert. Und es gibt Tage, die man praktisch nicht planen kann. Es kann sein, dass heute noch ein ganz spezieller Wunsch ansteht.
Sie waren vorher bei einem Telco in einem ganz anderen Bereich tätig. Wo gefällt es Ihnen besser?Es gibt auch bei einem Carrier interessante Seiten, aber ich schätze die Vielseitigkeit hier im Dolder. Bevor ich hier angefangen habe, dachte ich: ‹Ich suche mir einen ruhigeren Job und gehe in dieses Hotel›. Ich war dann überrascht über die Breite an Systemen, die wir hier haben. Am Anfang war es ausserdem schwierig für mich, dass man die Tage hier nicht immer planen kann, da so viel Unerwartetes passiert. Heute schätze ich unsere Flexibilität, die modernsten Technologien und dieses tolle Umfeld. Man muss aber auch abgrenzen können: Wenn ich nach Hause gehe, dann gehe ich wieder in die normale Welt, denn in diesem Hotel tickt die Uhr manchmal etwas anders. Das kann einem Freude machen oder nicht.
Patrick Stäheli
Patrick Stäheli arbeitet seit Dezember 2008 im Dolder Resort in Zürich, zu dem unter anderem auch das Luxushotel Dolder Grand gehört. Seit einem Jahr ist er als Director of Engineering für die Veranstaltungstechnik, den Engineering- sowie den IT-Bereich zuständig. Der gelernte Maschinenmechaniker hat vor 21 Jahren als Quereinsteiger den Schritt in die IT gemacht und war vor seinem Wechsel zum Dolder im Banken- und Telco-Umfeld tätig.
(vs)