Ressourcen-Suche auslagern

von Nicolas Frei

Cloud Computing wird in IT-Abteilungen zu stark schwankenden Auftragslasten führen, was eine grosse Heraus-forderung für IT-Projektleiter und Temporärfirmen darstellt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/12

     

Die IT-Industrie und ihre Kunden stellen sich auf das nächste grosse Ding ein, die Ablösung der Client-Server-Architekturen durch die Cloud. Die Zahlen sind eindrücklich: Laut den Marktforschern von Gartner rechnen über 40 Prozent der CIOs damit, in den nächsten vier Jahren zum Kreis der Cloud-Nutzer zu gehören. Aktuell sind es erst drei Prozent. Wo die Treiber des Megatrends zu suchen sind, liegt für Experten auf der Hand: Es gibt kaum eine wichtige Unternehmensfunktion, die sich von Cloud Computing nicht einen erheblichen Vorteil versprechen darf. Der CEO zum Beispiel träumt von einem reibungslosen Wachstum ohne hinterherhinkende IT-Abteilung und der Finanzchef freut sich auf Kostentransparenz bis hinunter auf den einzelnen Arbeitsplatz.

Cloud führt zu Bedarfsschwankungen

Zwiespältiger sehen es in der Regel die Direktbetroffenen in den IT-Abteilungen. Zwar kann ein CIO die berechtigte Hoffnung hegen, dass er mit der Wolke eine höhere Verfügbarkeit zu tieferen Kosten garantieren kann. Doch für ihn bedeutet Cloud Computing auch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Der Grund: Der Sockelaufwand für den Unterhalt der IT-Infrastruktur fällt zwar weg, aber gleichzeitig steigt das wechselhafte Arbeitsaufkommen in den projektbezogenen Bereichen. Auch wenn viele neue Applikationen praktisch per Knopfdruck aufgeschaltet werden können, braucht es immer wieder personelle Ressourcen in den Bereichen Projektleitung und -planung, Beratung über Systemausstattung, Parametrisierung und Deployment von ERP-Applikationen.


«Es fallen weiterhin Aufgaben an, die von Top-Spezialisten durchgeführt werden müssen, aber eben nur noch sehr situativ», kommentiert Alexander Galman, Mitgründer des Verbandes Schweizerischer Projekt Ressourcen Manager (Swissprm) und Managing Director von Suppliance. Unternehmen sind in der Folge zunehmend auf externe Ressourcen angewiesen, um ihre Bedarfsschwankungen (siehe Grafik) bei der IT-Expertise auszugleichen. Und zwar nicht nur bei der Bewältigung von Spitzenlasten, sondern auch bei der Bewirtschaftung von geschäftskritischen Teilen ihrer IT-Infrastruktur.

Anforderungen an Partner steigen

Mit dem Einzug des Cloud Computing in Unternehmen steigen also auch die Anforderungen an die externen Partner, die sich – normalerweise im Rahmen eines Werkvertrages – verpflichten, die erforderlichen personellen Ressourcen zu liefern. Ein IT-Projektmanager oder Procurement- Verantwortlicher muss sicher sein können, dass die erforderlichen Skills bei Bedarf verfügbar sind. Gleichzeitig gewinnt die so genannte Compliance an Bedeutung. «Die einschlägigen Regelungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechtes sind komplex. Als Anbieter braucht man deshalb erhebliches Know-how im Vertragsmanagement», erklärt Max Elsener, Kadermitglied des Stanser IT-Personaldienstleisters BdU Consulting.


Das Problem: Marktbeobachter schätzen, dass es in der Schweiz zur Zeit nur rund 50 Unternehmen gibt, die über die entsprechende Erfahrung verfügen und dem Kunden gegenüber eine umfassende Compliance gewährleisten können. Multinationale Unternehmen und Konzerne, aber auch die Verwaltungen von Bund und Kantonen, sehen sich deshalb oft gezwungen, gleichzeitig mit mehreren Suppliern zusammenzuarbeiten. Sie sind dadurch mit einem weiteren Problem konfrontiert, das sich mit der grösseren Verbreitung des Cloud Computing noch verschärfen dürfte: Jeder Personaldienstleister hat andere Prozesse und Abrechnungsmodelle und verursacht so zusätzlichen administrativen Aufwand.

Spezialisten-Management auslagern

«Wir stellen fest», erklärt Galman, «dass internationale Unternehmen die Lieferantenkonsolidierung zunehmend vorantreiben.» Er ist überzeugt, dass auch bei der Beschaffung personeller IT-Ressourcen diese Entwicklung weiter stark steigen wird. Im Lieferanten-Management geschieht das Outsourcing bereits vermehrt und trägt zur weiteren Optimierung der Lieferantenverwaltung bei. Die Lieferantenstaffelung, die in der verarbeitenden Industrie oder im Handel schon lange Standard ist, funktioniert auf zwei oder mehr Stufen. Ein Lieferant der ersten Stufe in der Rolle eines Third-Party-Managers unterhält langfristige Beziehungen zu geeigneten Lieferanten der zweiten Stufe. Auf diese kann er bei einem Auftrag zu vordefinierten Kondition zurückgreifen.


Aus betriebswirtschaftlicher Sicht handelt es sich dabei um ein Business Process Outsourcing (BPO) mit allen Vorteilen, die ein solches Vorgehen hat: Der Anbieter nutzt seine internen Skaleneffekte und kann einen Teil des Kostenvorteils an den Kunden weitergeben, der zusätzlich von einer verbesserten Flexibilität und Kostenkontrolle profitiert. «Insofern ist so ein Angebot eine logische Fortentwicklung der Cloud-Philosophie», so Galman. Es führe zu tieferen Betriebskosten dank bedarfsgerechtem Ressourcen-Bezug auf der Basis von genau definierten Business-Prozessen.

Markt entsteht erst

Galman ist überzeugt, dass die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen über die kommenden Jahre stark wachsen wird: «Der Markt von Third-Party-Managment ist erst am entstehen.» Ähnlich klingt es bei Max Elsener: «Was wir im Moment erleben, sind die Anfänge einer Entwicklung, welche unser Verständnis von Software verändern wird.» Gestützt wird dieser Optimismus von den Marktforschern, aber auch durch die Tatsache, dass heute praktisch alle Grossunternehmen mit Private Clouds experimentieren. Sie sammeln so Erfahrungen mit der technischen Infrastruktur, lernen mit den Risiken von Verfügbarkeit und Datenschutz umzugehen und profitieren bereits von einer erhöhten Kostentransparenz. Am Personalmarkt macht sich dies erst schwach bemerkbar. Aber Max Elsener ist überzeugt: «Wenn die Zeit reif ist, kann ein Unternehmen sehr schnell von der Private auf die Public Cloud umstellen.»

Der Autor

Nicolas Frei ist Deputy Managing Director beim Schweizer Third-Party-Management-Spezialisten Suppliance.


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