CIO-Interview: «Ich werde die IT physisch nie aus dem Haus geben»
Quelle: AG Hallenstadion

CIO-Interview: «Ich werde die IT physisch nie aus dem Haus geben»

Felix Frei ist nicht nur Direktor der AG Hallenstadion, er kümmert sich in dieser Funktion auch um die hochkomplexe IT des Hauses. Dabei setzt er voll auf die Karte Outsourcing.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/12

     

Swiss IT Magazine: Herr Frei, das Hallenstadion verfügt über eine ziemlich komplexe technische Infrastruktur. Trotzdem haben Sie keinen IT-Verantwortlichen, sondern kümmern sich zusammen mit ihrem CFO selbst um die IT. Warum?
Felix Frei:
Der Grund dafür ist einfach: Auf administrativer Seite mit 25 Festangestellten und der üblichen Büroinfrastruktur entsprechen wir eigentlich einem kleinen KMU. Der Gesamtbetrieb unseres Hauses und insbesondere die IT sind aber äusserst komplex. Deshalb haben wir uns von Beginn an entschlossen, mit Outsourcing-Partnern zu arbeiten.

Können Sie mir sagen, wer Ihre Partner im IT-Umfeld sind?
Im IT-Bereich arbeiten wir seit der Neueröffnung mit Paninfo zusammen. Paninfo kümmert sich um die ganzen IT-Installationen, macht Netzwerkkonfigurationen und unterstützt uns im gesamten PC-Bereich. Jede Woche ist ein Paninfo-Mitarbeiter einen fixen Tag bei uns im Haus, um die anstehenden Tasks abzuarbeiten. Im Bereich Netzwerk und bei der Telefonie heisst unser Partner Swisscom. Hier wurde das Outsourcing jüngst sogar ausgeweitet. Bis vor rund einem halben Jahr haben wir die Telefonie selbst betrieben, mit einer eigenen Teilnehmervermittlungsanlage. Inzwischen haben wir auch die Telefonie im Rahmen eines Full-Service-Solution-Vertrags an Swisscom ausgelagert. Somit kümmert sich Swisscom heute um das Netzwerk sowie die Telefonie, bis hin zum Endgerät.


Und wer macht den First-Level-Support, wenn Paninfo nur einmal pro Woche im Haus ist?
Diese Aufgabe fällt dann mir und meinem CFO zu. Taucht irgendwo ein Problem auf, kümmern wir uns darum und entscheiden, ob es intern gelöst werden kann. Muss die Lösung extern erfolgen, wird entschieden, ob die Aufgabe auf die Taskliste von Paninfo oder Swisscom geht und wie dringend die Erledigung ist. Von Vorteil ist, dass wir sehr selbständige Mitarbeiter haben, so dass viele typische First-Level-Support-Aufgaben gar nicht anfallen.
Wie zufrieden sind Sie mit Paninfo und Swisscom, Ihren Outsourcing-Partnern?
Beides sind langjährige, mehrfach bestätigte Partner, was beweist, dass wir zufrieden sind. Für uns ist entscheidend, dass die Systeme zuverlässig und mit hoher Leistung performen, und dass die Partner selbst zuverlässig sind und unser hochkomplexes Haus kennen. Diese Anforderungen erfüllen sowohl Paninfo als auch Swisscom.

Sehen Sie noch Verbesserungspotential in der Zusammenarbeit mit Ihren Partnern?
Letztlich ist so eine Zusammenarbeit ein permanenter Optimierungsprozess. Gerade wenn man mit zwei Partnern arbeitet, und ein Partner Netzwerkkonfigurationen auf dem Netzwerk eines anderen Partners macht, gibt es immer wieder Schnittstellen-Diskussionen. Hier ist es wichtig, die Schnittstellen klar und einfach definiert zu haben. Bei einem Problem gehen wir so vor, dass wir die Partner schnellstmöglich an einen Tisch setzen, um das Problem auszudiskutieren und das weitere Vorgehen rasch und unbürokratisch festzulegen. Gefragt sind kurze Wege und schnelle Entscheide.


Und wie häufig passiert es, dass die Partner sich gegenseitig Problemfälle zuschieben?
Selten, denn ich versuche dies, soweit es irgendwie geht, zu verhindern – was meistens gelingt. Und sollte dies einmal nicht gelingen, werde ich mich nicht scheuen, ein Machtwort zu sprechen. Doch mit den jetzigen Partnern ist das eigentlich kein Thema, hier herrscht ein Vertrauensverhältnis.

Weshalb funktionieren Ihre Outsourcing-Partnerschaften so gut?
Was sicher hilft, ist die Tatsache, dass wir seit Jahren die selben Ansprechpartner haben. So kann man eine Vertrauensbasis aufbauen, und bei dringenden Problemen auch einmal unbürokratisch vorgehen. Für uns ist das entscheidend und eine Bedingung an unsere Partner. Heute Abend geht hier das Konzert von Rihanna (Anm. d. R., das Gespräch fand Anfang November statt) über die Bühne. Stellen Sie sich vor, es taucht jetzt, wenige Stunden vor dem Anlass, ein Netzwerkproblem auf. Dann reicht es nicht, wenn ich irgendwo ein Support-Ticket eröffnen kann. Dann brauche ich Lösungen, und zwar umgehend. Unsere Partner verstehen das, sie verstehen unser Geschäft.


Bleiben wir beim Konzert von heute Abend. Sind aktuell Mitarbeiter von Swisscom und Paninfo vor Ort, für den Fall, dass Fragen und Probleme auftauchen?
Nein. Wir konnten mit unseren Produkten eine sehr hohe Standardisierung erreichen. Bei einem normalen Konzert – egal ob Rihanna oder die Kastelruther Spatzen hier auftreten – sind die Bedürfnisse in der Regel die selben. Somit kann unser eigenes Facility-Management-Team für 80 Prozent der Anlässe die Anschlüsse, die es für Telefonie und IT braucht, selbst patchen. Der externe Partner wird dabei nur fürs Troubleshooting beigezogen. Die höchsten Anforderungen im Bereich IT und Kommunikation haben derweil Generalversammlungen und die ganz grossen Kongresse. Um diese speziellen Anforderungen gerade im Security-Bereich abzudecken, arbeiten wir dann mit dem Event-Support von Swisscom zusammen. Oder der Veranstalter bringt sein eigenes IT-Team mit, und wir stellen nur die Schnittstellen zu unserer IT bereit.
Können Sie die IT-Infrastruktur des Hallenstadions in groben Zügen erklären?
Einerseits verfügen wir über eine ganz gewöhnliche Büroinfrastruktur, wie jedes andere KMU auch. Andererseits haben wir die Halle, mit ihren speziellen Anforderungen. Diese Infrastruktur basiert auf einer umfassenden Netzwerkstrategie. Das ganze Haus ist Netzwerk-seitig erschlossen. Auf diesem Netzwerk laufen die verschiedenen Unternehmen, die im Haus tätig sind – also wir, die AG Hallenstadion, aber auch die Gastronomie, das EWZ, das sich um die ganze Haussteuerung mit Klima, Heizung etc. kümmert, und schliesslich auch die Veranstalter. Dies führt zu einer komplexen Aufstellung von verschiedenen, in sich physisch oder virtuell getrennten Netzwerken. Hinzu kommt, dass sehr hohe Bandbreiten, hohe Sicherheitsanforderungen und eine hohe Verfügbarkeit gefordert sind. So ist das gesamte Netzwerk redundant ausgelegt – zu 100 Prozent, bis hin zum hintersten und letzten Switch im Haus. Auch die Hauszuführung ist redundant, wobei hier anzufügen ist, dass beide Leitungen durch den selben Graben ins Haus kommen. Dies physisch aufzutrennen, ist eines der nächsten Projekte.

Teil des Hallenstadions ist die Multimedia-Infrastruktur, mit 200 Infobildschirmen, zwei riesigen LED-Wänden und so weiter. Wer ist für diese Infrastruktur beziehungsweise für den multimedialen Content zuständig?
Auch der gesamte Bereich der Haustechnologie ist ausgelagert, unser Partner hier heisst Habegger – ein Spezialist im Multimedia-Bereich. Habegger wartet, bedient und erneuert die gesamte Infrastruktur in den Bereichen Licht, Ton und Multimedia.


Inwieweit sind Sie beim Thema Zugangskontrolle involviert?
Wir sind bei der Zugangskontrolle sehr stark involviert. Aktuell ist es so, dass wir über ein Zutrittssystem mit Drehkreuzen und Lesegeräten für Barcodes verfügen, das uns gehört. Dieses System wurde zusammen mit dem Eishockey-Club ZSC Lions und damals noch dem Frauen-Tennisturnier entwickelt, basiert auf einer eigenen Technologie und wird heute noch für Eishockey-Matches verwendet. Das System beinhaltet einen RFID-Chip im Ticket und ist abgestimmt auf unsere Lesegeräte, jedoch wird es von den anderen Veranstaltern nicht genutzt. Dies aus dem Grund, weil es für sie nicht kostenlos ist und sie Schnittstellen zu diesem geschlossenen System bauen müssten. Der grosse Teil der Veranstalter kontrolliert die Tickets deshalb von Hand oder die Tickets werden mittels eigenen mobilen Installationen, zum Beispiel Handlesern, kontrolliert.

Also muss man im Nachhinein sagen, dass Ihre Eigenentwicklung ein Schuss in den Ofen war?
Nicht vollständig. Das System funktioniert sehr gut und die Investition wird sich amortisieren. Das erweiterte Business-Modell dahinter hat einfach nicht funktioniert. Doch unser Ziel ist es noch immer, eine einheitliche, elektronische Zutrittslösung – jedoch mit offenen Schnittstellen – zu realisieren. Das Betriebsmodell dazu muss jedoch sicher anders aussehen.

Ein anderes Thema ist die Überwachung, gerade angesichts der aktuellen Hooligan-Problematik. Setzen Sie hier bereits IT-gestützte Systeme ein?
Das Hallenstadion wurde 2005 mit der damals modernsten Überwachungstechnologie ausgerüstet – einem proprietären, analogen
Videoüberwachungssystem. Aktuell sind wir nun daran, den Wandel der Zeit mitzugehen und das analoge System durch ein IP-gestütztes System zu ersetzen. Bei den Endgeräten arbeiten wir heute zum Teil noch mit den analogen Kameras sowie mit Konvertern. Neue Geräte sowie die gesamte Videoüberwachungsbasis sind aber IP-basiert. In der Halle finden sich neueste, hochauflösende Kameras, die auch im Dunkeln brauchbare Bilder liefern können. Die IP-basierte Infrastruktur bringt zudem auch mehr Flexibilität in der Anwendung. Überall, wo ein IP-Anschluss vorhanden ist, kann eine Kamera installiert werden. So können wir viel schneller und flexibler auf Bedürfnisse reagieren. Ausserdem ist die Anzahl von Anschlussmöglichkeiten nahezu unbegrenzt, und wir könnten beispielsweise für einen Hochsicherheitsanlass im Nu 20, 30 zusätzliche Kameras ans System anschliessen. Und auch bei Backup-Fragen ergeben sich erhebliche Vorteile.


Welche Projekte laufen sonst noch im IT-Bereich?
Die wesentlichen Projekte haben Sie angesprochen. Ein grosser Schritt, den wir vor rund zwei Jahren vollzogen haben und der Basis ist für viele Anpassungen, die heute laufen, ist die Virtualisierung unserer gesamten IT-Infrastruktur. Dadurch haben wir enorm an Flexibilität gewonnen, die Redundanz wurde gesteigert und mittelfristig hoffen wir, dass die Wartungskosten sinken.

War das Thema Virtualisierung Ihr Entscheid oder der Entscheid des Outsourcing-Partners und damit des Betreibers der IT?
Wir gehen davon aus, dass die IT-Systeme – insbesondere die hochkomplexe Haustechnik und die Überwachungsanlagen, aber auch die Office-Infrastruktur – immer bei uns im Haus bleiben. Die IT im Zusammenspiel mit der Haus- und Veranstaltungstechnik ist derart entscheidend für uns, dass ich die Infrastruktur physisch nie aus dem Haus geben werde. Das ist strategisch undenkbar. Insofern habe ich den Entscheid, unsere IT zu virtualisieren, auch nicht dem Outsorucing-Partner überlassen. Der Entscheid wurde gemeinsam gefällt, die Infrastruktur entsprechend gebaut, und die Kontrolle der Infrastruktur bleibt so bei uns.

Also haben Sie Ihrem Outsourcing-Partner relativ klare Vorgaben dazu gemacht, wie Sie die Infrastruktur aufgebaut haben wollen?
Genau. Paninfo hat ein Konzept entwickelt, welches wir dann gemeinsam verfeinert haben. Wobei zu sagen ist, dass Paninfo schon zuvor unser Partner war und unsere Anforderungen sehr genau gekannt hat. Es hat sich auch bewährt, dass der bestehende Partner die Virtualisierung umgesetzt hat. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hätte kein gutes Gefühl gehabt, das Virtualisierungsprojekt mit einem neuen Partner umzusetzen, nur weil dieser vielleicht etwas günstiger gewesen wäre.


Abschliessend: Wie viel Zeit wenden Sie heute für die IT des Hallenstadions auf?
Inzwischen relativ wenig, wöchentlich vielleicht eine bis zwei Stunden. Wobei zu sagen ist, dass unser CFO mir viel abnimmt und sicher mehr Zeit aufwendet. Vor allem operativ ist er stärker involviert.

Felix Frei

Felix Frei (51) ist seit viereinhalb Jahren Direktor der AG Hallenstadion und in dieser Funktion auch für die IT der wohl bekanntesten Schweizer Multifunktionshalle verantwortlich. Der ausgebildete Lehrer war in der Vergangenheit unter anderem elf Jahre Direktor des Schweizerischen Leicht­athletik­verbandes (wo er ebenfalls die IT verantwortete), Direktor des Kongresszentrums in Biel und Tourismusdirektor der Lenzerheide. (mw)


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